Bayern-Boss teilt aus Rummenigges nächste DFB-Rüge: "Grindel neigt zum Populismus"

München · Die Bayern teilen aus, der DFB schweigt. In der Debatte um Özil und den angezählten Verbandschef Grindel lassen Hoeneß und vor allem Rummenigge nicht locker. Was wollen die Bayern-Bosse erreichen?

 FC-Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge kritisiert die Berater von Mesut Özil.

FC-Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge kritisiert die Berater von Mesut Özil.

Foto: Britta Pedersen/ZB

Karl-Heinz Rummenigge lässt mit seiner DFB-Kritik nicht locker. In der Debatte um den zurückgetretenen Mesut Özil und den angezählten Verbandspräsidenten Reinhard Grindel äußert sich der Bayern-Boss öfter und deutlicher als alle DFB-Beteiligten zusammen.

Rummenigge attackiert zum wiederholten Male Grindel, bringt den Münchner Weltmeisterkapitän Philipp Lahm beim DFB ins Gespräch, weist auf fehlende Professionalität in der Führung hin. Die Verbandsspitze sei "durchsetzt von Amateuren". Kein anderer Bundesliga-Funktionär attackierte den DFB zuletzt so häufig und so schwer. Worauf will Rummenigge hinaus?

"Ich habe grundsätzlich ein gutes Verhältnis zu Herrn Grindel. Aber er neigt zum Populismus, um öffentlich Beifall zu bekommen. Das hängt womöglich damit zusammen, dass er nicht aus dem Fußball, sondern der Politik kommt", sagte der Vorstandschef des FC Bayern der "Sport Bild" (Mittwoch). So konsequent sich die DFB-Spitze nach dem PR-Desaster beim folgenschweren Abgang von Nationalspieler Özil zurückhält und damit die Zahl der offenen Fragen und den Druck wachsen lässt, so konsequent rügen Rummenigge und Bayern-Präsident Uli Hoeneß seither Verband, Strukturen - und auch Özil.

Dieser spiele "seit Jahren einen Dreck", urteilte Hoeneß Anfang vergangener Woche. Und musste sich anschließend selbst für fehlendes Feingefühl kritisieren lassen. Der 62 Jahre alte Rummenigge legte nun gegen die Berater des Arsenal-Profis nach. "Bitte: Er ist doch nicht kritisiert worden, weil er türkischer Abstammung ist. Das ist eine Fabel, die von seinen Beratern erzählt wird. Das geht mir ohnehin zunehmend auf die Nerven: Die Berater geben heute immer mehr die Statements und die Interviews. Das ist teilweise wie Märchenstunde", sagte der Bayern-Chef. Die komplette Rassismus-Diskussion halte er für eine Phantomdebatte, äußerte Rummenigge. "Mit der Nummer und diesem Statement hat sich Özil endgültig ein Eigentor geschossen."

In der so schwierigen Aufarbeitung des WM-Debakels samt den Folgen hat der Verband in Rummenigge und Hoeneß zwei externe Ratgeber gefunden, auf deren öffentliche Kritik er wohl gerne verzichten könnte. Zwar erklärte Grindel nach Rummenigges erster Attacke, er arbeite "sehr gut" mit dem Bayern-Boss zusammen. Jedoch treiben ihn die vielschichtigen Angriffe der Mächtigen aus München weiter in die Enge.

Die Social-Media-Aktivitäten des DFB-Präsidenten gefallen Rummenigge dabei auch nicht. "Sein Twittern irritiert die gesamte Fußballbranche. Ein Fußballpräsident muss über den Dingen stehen, wie das bei Franz Beckenbauer immer der Fall war", sagte Rummenigge. Das ist aber auch nicht die Stärke von Bayern-Präsident Hoeneß: Zwölf Stunden nach dem Özil-Rundumschlag polterte er wie wild und ohne Gespür für eine gesellschaftliche Debatte gegen den Profi und dessen Leistungen in den vergangenen Jahren.

Der 56 Jahre alte Grindel hat sich bis auf eine über den DFB verbreitete persönliche Stellungnahme nicht erklärt. Auch einige Vorwürfe des 29-jährigen Özil stehen deshalb weiter unkommentiert im Raum. Vor der Vergabe der EM 2024 am 27. September will der Verband die Kontroversen so gering wie möglich halten, um Gegenkandidat Türkei keine Angriffsfläche zu bieten.

Bisher gelingt das nur unzureichend: Politiker forderten den Rücktritt Grindels, Özil hatte hochrangige DFB-Funktionäre mit Rassimsus in Verbindung gebracht. Bundestrainer Joachim Löw und Manager Oliver Bierhoff sind seit dem Özil-Aus komplett abgetaucht. Und nicht nur Rummenigge wünscht mehr Profis in der Verbandsspitze. "Wir brauchen Fußball-Kompetenz in den Top-Positionen", forderte Matthias Sammer am Mittwoch beim Internationalen Trainer-Kongress in Dresden.

Dabei hat Rummenigge schon Ideen für die Zukunft des Verbandes. "Eine interessante Option" sei Ehrenspielführer Lahm im DFB-Präsidium oder in andere Funktion im Verband. "Philipp hat ein großes Know-how, macht sich viele Gedanken und ist jetzt schon Botschafter. Er scheint sich in diesem Boot wohlzufühlen. Philipp könnte den professionellen Part innerhalb des Präsidiums besetzen", schlug Rummenigge vor. Der frühere Bayern-Profi Lahm in den hohen DFB-Gremien, das könnte verbandsintern den Einfluss des deutschen Rekordmeisters erhöhen.

Mitten in der auch von ihm befeuerten Führungsdiskussion im Verband wies Rummenigge auf die Wichtigkeit der EM-Bewerbung hin. "Jetzt ist es in den nächsten Wochen zunächst einmal wichtig, die Kräfte zu bündeln, damit Deutschland die EM 2024 bekommt. Das würde dem deutschen Fußball sehr helfen", sagte der Bayern-Vorstandschef - ausweichend auf die Frage, ob Grindel weiter DFB-Präsident sein könne. Auch darauf angesprochen, ob dieser noch "tragbar" sei, wich Rummenigge aus.

Bei der EM-Bewerbung 2024, für die Lahm Botschafter ist und als möglicher Vorsitzender eines Organisationskomitees gehandelt wird, will sich auch Rummenigge einbringen. "Ich bin zumindest bereit, den DFB in dieser Europameisterschaftskampagne zu unterstützen", sagte er. Als langjähriger Präsident der European Club Association (ECA) hat der frühere Europameister als Spieler ein breites Netzwerk, kennt nach eigener Aussage alle Mitglieder des Exekutivkomitees persönlich. "Wir sind bereit und werden den DFB in seiner Krise nicht im Regen stehen lassen." Ob das gewollt ist?

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