Valerie Viehoff: Heimlich in die Eisdiele

Bonner Ruderin gewann in Sydney zusammen mit Claudia Blasberg aus Dresden Silbermedaille - Umstieg aufs Leichtgewicht war "unglaublich schwer"

Bonn. "Ich hatte immer gedacht, die Olympischen Spiele sind etwas für Helden. So was guckt man sich im Fernsehen an. Doch dann war ich plötzlich selbst dabei, bei den Olympischen Spielen 2000 in Sydney." Valerie Viehoff erinnert sich noch immer mit riesiger Freude an jene Tage in Australien. Damals startete sie für den Deutschen Ruderverband im Leichtgewichts-Doppelzweier.

Und das sehr erfolgreich: Zusammen mit Teamkollegin Claudia Blasberg aus Dresden ergatterte die junge Bonnerin Silber hinter den siegreichen Rumänen. "Wir hatten tolles Wetter, flaches Wasser, alles war perfekt an dem Tag. Das 2 000-Meter-Rennen hätte ich auch im Dunkeln fahren können, ich kannte jeden Schlag, jede Schlagzahl", erinnert sich die Studentin ans Finalrennen.

"Ich saß im Bug, musste die Kommandos geben. Claudia war für den Rhythmus verantwortlich. Wir waren so konzentriert, dass wir nicht einmal mitbekamen, dass wir nach 1 000 Metern führten. Erst als die Rumäninnen auf den letzten 500 Metern an uns vorbeizogen, setzten wir zum Spurt an. Leider zu spät, denn die Rumänen lagen am Ende knapp vorn. Es haben nur wenige Hundertstel gefehlt. Das war schon ärgerlich, auch wenn wir alles gegeben hatten", sprudelt es noch heute aus ihr heraus. "Der knappe zweite Platz war dann doch sogar etwas enttäuschend. Später überschlugen sich die Emotionen: "Ich war so unglaublich glücklich. Als ich die Medaille in der Hand hielt, konnte ich es immer noch nicht fassen. Unglaublich, was wir da geschafft hatten. Es war eines der besten Rennen, das wir je gefahren sind", erzählt sie.

Dabei kann Valerie Viehoff auf viele erfolgreiche Wettkämpfe zurückblicken, unter anderem auf mehrere Goldmedaillen bei Welt- und Europameisterschaften. Und das, obwohl ihr Werdegang ungewöhnlich verlief. "Rudern hatte mich eigentlich nie interessiert. Aber meine beste Freundin war im Schüler-Ruder-Club am Friedrich-Ebert-Gymnasium in Bonn, daher bin ich dort auch eingetreten. So hat alles angefangen", berichtet sie. So sei sie mit 13 Jahren ein bisschen auf dem Rhein gerudert, habe an Wanderfahrten teilgenommen. Ihr erster Wettkampf sei ein Desaster gewesen: "Ich bin doch glatt in die Bojen gefahren."

Der erste Sieg sei dann allerdings berauschend gewesen. "Zu gewinnen war ein unglaublich tolles Gefühl, danach habe ich doppelt so viel trainiert." Viehoff wurde Mitglied beim Siegburger Ruderverein. 1993 wurde sie ins NRW-Talentförderprogramm aufgenommen. Bei ihrer ersten Junioren-WM erruderte sie Gold im Doppelvierer.

"Doch allmählich bekam ich zu spüren, was Hochleistungssport bedeutet", erzählt die heute 32-Jährige. "Ich sollte auf Leichtgewicht umsteigen, musste dafür einige Kilos abnehmen." Sie durfte dafür nur 57 Kilogramm wiegen - und das bei 1,75 Meter Körpergröße. "Das fiel mir unglaublich schwer, weil ich so gerne esse. Ich bin dann immer heimlich in die Eisdiele gegangen."

Doch dieser Stress war ein erfolgreicher Einstieg ins Leichtgewicht. Valerie Viehoff und Claudia Blasberg - ein unschlagbares Duo aus Deutschland. "Wir waren die Vorzeige-Ost-West-Vereinigung im Ruderboot", schmunzelt sie. Ihr Ziel: die Olympischen Spiele in Australien.

Als Viehoff dann ihren Namen auf der Startliste für die Spiele las, konnte sie ihr Glück kaum fassen. Doch statt im Olympischem Dorf wurden die Ruderer zunächst auswärts untergebracht, in der Nähe der Rennstrecke. "Wir hätten sonst um fünf Uhr morgens aufstehen müssen." Daher gab's das ersehnte Olympia-Feeling erst in der zweiten Woche. "Nachdem wir zu den anderen Athleten umgezogen waren, war es ein echtes Spektakel. Die Sportler beim Essen zu treffen, die ich sonst nur aus dem Fernsehen kannte, und nach Lust und Laune andere Wettkämpfe live erleben zu können, das war toll", erzählt sie.

Sydney war der Höhepunkt ihrer Karriere. "Danach habe ich mich auf mein Geografiestudium konzentriert." Und so nahm Viehoff nach Sydney nur noch an einer Regatta teil: an der Weltmeisterschaft 2006 in England - als Radiokommentatorin.

"Ich bleibe dem Rudern immer treu", sagt sie. "Auf jeden Fall werde ich jede Regatta in Peking verfolgen, egal zu welcher Tageszeit." Doch vorher hofft die Wahlengländerin noch einen Job zu finden, denn gerade beendet sie in London ihr Promotionsstudium. "Doktorarbeit, Bewerbungen schreiben - das ist manchmal ganz schön anstrengend. Daher lenke ich mich auch gerne mal mit Gartenarbeit oder Kuchenbacken ab." Ihr Freund Steven ist ein dankbarer Abnehmer. "Aber wir haben noch mehr Gemeinsamkeiten, laufen gern oder fahren Rad." Das nächste Ziel der beiden ist aber erst mal eine Tour nach Marokko, Ghana oder Indien.

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