Ihr Kampfname ist „Wild Cow“ Studentin Nora Weeg aus Hennef will Profiboxerin werden

HENNEF · Morgens arbeitet Nora Weeg auf dem Bauernhof der Eltern, abends tritt sie in den Boxring. Die Studentin der Agrarwissenschaften will Profi werden.

 Der Kampfname „Wild Cow“ ist eine Hommage an den Betrieb der Eltern, den Nora Weeg irgendwann einmal übernehmen möchte.

Der Kampfname „Wild Cow“ ist eine Hommage an den Betrieb der Eltern, den Nora Weeg irgendwann einmal übernehmen möchte.

Foto: Schmitz, Scarlet

Geballte Fäuste, harte Bandagen und ein entschlossenes Gesicht – die meisten ihrer Freunde kennen Nora Weeg gar nicht mehr in bürgerlicher Kleidung. Seit fast einem Jahr verbringt die 22-Jährige bis zu drei Stunden täglich mit hartem Kampfsporttraining. „Als ich mit dem Voltigieren aufgehört hatte, wollte ich einfach mal was ganz Neues ausprobieren und habe die ersten Trainingseinheiten im Boxen und Kickboxen absolviert“, sagt sie. Mittlerweile sei das „Thor Gym“ in Hennef zu ihrem zweiten Zuhause geworden. Dort erlernt sie als „das Mädel der Truppe“ Mixed Martial Arts, kurz MMA. Die Kämpfer bedienen sich hier sowohl der Schlag- und Tritttechniken des Boxens als auch verschiedener Bodenkampf- und Ringtechniken.

Die „Thor-Gym-Family“, wie Weeg ihre Trainingstruppe liebevoll nennt, habe sie von Anfang an herzlich aufgenommen. Sie trainiert überwiegend unter Männern, die ihrer Robustheit den entsprechenden Respekt entgegenbringen. „Die Jungs rufen mir manchmal ‚Nora, bester Mann!‘ oder ‚Nora, du Maschine!‘ zu“, sagt die 22-Jährige und lacht. Auf den ersten Blick wirkt sie zierlich. Deshalb reagierten einige Mitglieder während des Trainings mit Hemmungen – meint Weeg. „Manche sagen dann zu mir 'Ich kann keine Frau schlagen'. Aber mittlerweile kann ich mich ganz gut mit den Jungs messen.“

Wenn sie nicht gerade im Ring steht, hilft die Kampfsportlerin auf dem Milchviehbetrieb ihres Vaters mit oder sitzt in einem Hörsaal der Bonner Uni. „Neben dem Sport sind die Tiere meine Leidenschaft. Irgendwann will ich den Hof meiner Eltern übernehmen, deshalb habe ich zuerst eine Ausbildung zur Landwirtin gemacht und studiere jetzt noch Agrarwissenschaften“, erzählt sie.

Der Wecker klingelt oft schon um 5 Uhr morgens. Dann ist es Zeit, die Kälber zu füttern und die Ställe auszumisten. Ab und an muss Weegs Vater jedoch auf seine Arbeitskraft verzichten – um sich anschließend das Gejammer über Muskelkater anzuhören. Dennoch unterstützt er seine Tochter bei ihren sportlichen Ambitionen.

Seit Mitte des letzten Jahres hat sich Nora Weegs Leben um fast 180 Grad gewendet. Dem typischen Studentenleben kehrte sie den Rücken, achtet sie nun mehr auf sich, um ihre Gewichtsklasse zu halten und ihre Leistung zu bringen: „Früher war ich jedes Wochenende feiern, aber nun identifiziere ich mich mit einem anderen Lebensstil. Dieser doch drastische Umschwung wurde vor allem zu Beginn von vielen Freunden kritisch beäugt. Heute zeigen die meisten allerdings Verständnis, weil sie meine Leidenschaft für den Sport erkannt haben“, sagt sie.

Das Resultat ihrer Anstrengungen konnte Weeg bereits auf einigen Wettkämpfen unter Beweis stellen. Als „Wild Cow“ – eine Hommage an den Milchviehbetrieb – wurde sie im Februar dieses Jahres Europameisterin eines K1-Wettkampfes, der die Kampfregeln des Kickboxens um Knieschläge erweitert. Ganz besonders habe sie während des Kampfes der Rückhalt ihrer Truppe motiviert: „Auf einmal standen alle Jungs um den Ring herum, um mich anzufeuern“. Der große Pokal, den sie dabei holte, glänzt nicht etwa in einer Vitrine in ihrem Zimmer, sondern in einem Regal des Thor Gyms und motiviert die anderen Kämpfer. „Manchmal höre ich aus der Umkleide heraus, wie die kleinen Ringer unserer Kindertruppe rufen „Da ist ja die Nora“. Das macht mich stolz, ich bin offenbar ein Vorbild für die Kleinen“, schwärmt sie.

Ihre Stärken sind Kampfgeist, der Wille zum Sieg und innere Ruhe

Im April besiegte sie zwei starke Gegnerinnen im Boxen auf einer Gala in Warendorf und am 11. Mai entschied sie einen weiteren Wettbewerb in Wesseling durch vorzeitigen technischen K.o. für sich. Der Ringrichter beendete den Kampf früher als erwartet, da die Gegnerin zu deutlich unterlegen war.

Weegs Stil zeichne sich besonders durch Kampfgeist, Wille zum Sieg und innere Ruhe aus, urteilt ihr Trainer Kyrill Gerlach. Ihr nächstes Ziel sei es, an einem MMA-Kampf teilzunehmen, aber bis dahin gelte es, so viel Erfahrung wie möglich zu sammeln. „Ich bin gespannt, wohin mich der Weg im Sport noch führen wird. Im Moment nehmen wir alles an Kämpfen mit, was wir kriegen können, um Routine zu gewinnen. Wie wohl jeder Sportler, der so viel Zeit und Kraft investiert, träume auch ich davon, Profi zu werden“, erzählt die ehrgeizige Sportlerin.

Das Training sei für sie ein idealer Ausgleich zu ihrem anstrengenden Alltag aus Stallarbeit und Pauken: „Andere kann ich nur ermutigen, das zu tun, was ihnen Spaß macht – auch wenn man zu Beginn vielleicht für verrückt erklärt wird!“

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