Trainerpreis des deutschen Fußballs Niersbach ehrt Freiburgs Christian Streich in Bonn

BONN · Freiburgs Christian Streich erhielt im Bonner Kameha-Hotel den "Trainerpreis des deutschen Fußballs". Würde sich jemand die Mühe machen, die Laufleistung von Trainern zu ermitteln, Christian Streich läge ganz vorne. Wie ein Getriebener wirkt er an der Seitenlinie. Mit den Armen fuchtelnd, wild gestikulierend, immer auf Achse. Mitfühlende Naturen sorgen sich dann vielleicht um den Trainer des SC Freiburg. Wenn seine Augen hervortreten und die Haare kreuz und quer abstehen, sieht das nicht gesund aus.

 Glückwunsch: DFB-Präsident Wolfgang Niersbach überreicht Christian Streich den Trainerpreis.

Glückwunsch: DFB-Präsident Wolfgang Niersbach überreicht Christian Streich den Trainerpreis.

Foto: dpa

Aber wahrscheinlich wäre es viel ungesünder, wenn Streich ein Fußballspiel regungslos auf der Bank verfolgen würde. "Mr. 100.000 Volt" muss seine Emotionen rauslassen während der 90 Minuten.

Am Mittwochabend stand der 47-Jährige ganz ruhig auf der Bühne im Bonner Kameha Grand Hotel. Sozusagen im Energiesparmodus. Von DFB-Präsident Wolfgang Niersbach bekam er den "Trainerpreis des deutschen Fußballs" verliehen und erweckte beinahe den Eindruck, als sei ihm diese Auszeichnung ein wenig peinlich: "Meine Güte, ich werde doch schon bezahlt für etwas, das ich machen darf." Leute, die ihn gut kennen, sagen, im privaten Leben sei Christian Streich immer so zurückhaltend.

Zum vierten Mal verlieh der Deutsche Fußball-Bund diesen Preis, der mit 10.000 Euro dotiert ist. Für sein Lebenswerk wurde Frauenfußball-Pionier Gero Bisanz (77) geehrt. Gleichzeitig erhielten die Absolventen des 59. Fußballlehrer-Lehrgangs im nahen Hennef ihre Diplome. Jahrgangsbester war Frank Kramer, der quasi noch als Auszubildender seinen ersten Bundesligajob in Fürth angetreten hatte.

Wenn die deutschen Sportjournalisten ihren "Trainer des Jahres" wählen, wird damit in der Regel herausragendes Schaffen an der Spitze der Leistungspyramide gewürdigt. An Jürgen Klopp kam da 2012 niemand vorbei. Der DFB hingegen schaut ein wenig genauer hin und fragt sich: Wo werden aus Raupen Schmetterlinge, wo wird aus relativ wenig ziemlich viel? Streich und seine Vorgänger Horst Hrubesch, Thomas Tuchel und Hermann Gerland passen deshalb ganz gut zusammen.

Als Christian Streich im Dezember 2011 das Bundesligateam des SC Freiburg übernahm, war da nicht relativ wenig, sondern verdammt wenig. Nach nur drei Siegen aus 17 Spielen drohte mal wieder der Abstieg, doch der bis dahin nur Eingeweihten bekannte Fußballlehrer kriegte die Kurve, rettete die Freiburger zunächst und machte sie in dieser Saison zu einem Europapokal-Kandidaten.

Im Grunde musste Streich dabei nicht viel anders machen als zuvor als Leiter des Freiburger Nachwuchszentrums. "80, 90 Prozent der Arbeit sind identisch", sagte er gestern. "Den Unterschied macht das Mediale aus." Viele Spieler kannte er schon als Jugendliche, formte sie und brachte ihnen die Freiburger Fußballphilosophie nahe, die ganz stark auf Kombinationssicherheit basiert.

[kein Linktext vorhanden]18 Jahre lang arbeitet der Lehrer für Sport, Germanistik und Geschichte nun schon bei dem etwas anderen Verein im Breisgau. "Eigentlich hättest du diesen Preis schon vor deiner Bundesligazeit verdient gehabt", meinte DFB-Sportdirektor Robin Dutt, der die Laudatio hielt und während seiner Zeit als Coach des SC Freiburg immens von Streichs Arbeit als Nachwuchschef profitierte.

Sportlicher Erfolg allein hätte jedoch nicht gereicht, um aus dem kauzigen Trainer "Liebling Streich" zu machen. Die Medien haben Spaß an seinen Veitstänzen, an seinem breiten Dialekt, an seinen unkonventionellen Aussagen, an seiner Vorliebe fürs Fahrrad und auch daran, dass er während der 80er ein Jahr lang mit dem heutigen Bundestrainer Joachim Löw in Freiburg kickte.

Streich ist anders. Wie auch sein Verein anders ist. Dass der ewige Freiburger irgendwann einen konkurrierenden Bundesligisten trainieren könnte, ist deshalb ebenso schwer vorstellbar wie ein verträumter Christian Streich an der Seitenlinie. Eher ginge es wohl zurück in die Fußballschule, zu seinen Jungs. Die Bundesliga war in seinem Lebensplan ohnehin nicht vorgesehen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Berechtigte Ausgrenzung
Kein Platz für Müller im DFB-Team Berechtigte Ausgrenzung
Aus dem Ressort