Klare Kampfansage an Weltmeister Anand

Wladimir Kramnik wählt in neunten Partie sehr komplizierte Eröffnung, zum Sieg reicht es aber nicht

  Analysiert die neunte Partie:  Thomas Jackelen.

Analysiert die neunte Partie: Thomas Jackelen.

Foto: Ronald Friese

Bonn. Wladimir Kramnik spielte in der 9. Partie auf Angriff. Was blieb ihm angesichts des Rückstandes auch anderes übrig? Der Internationale Meister Thomas Jackelen vom Godesberger Schachklub kommentiert die Partie für den General-Anzeiger.

Weiß: Anand (Indien) - Schwarz: Kramnik (Russland):

1. d4 d5 2. c4 e6 3. Sf3 Sf6 4. Sc3 c6 Das halbslawische Damengambit ist eine klare Kampfansage an den Weltmeister. 5. Lg5 h6 6. Lh4 Anand nimmt den Fehdehandschuh auf und wählt die schärfste Fortsetzung. 6. Lxf6 Dxf6 7. e3 führt zu eher ruhigen Stellung. 6. . . . dxc4 Das sogenannte "Anti-Moskauer-Gambit" gilt als eine der kompliziertesten Eröffnungen überhaupt. Beide Seiten verfügen über große Erfahrung in diesem System.

Eine spannende Partie ist zu erwarten. 7. e4 g5 8. Lg3 b5 Schwarz hat einen Bauern gewonnen, allerdings dafür seine Stellung mit den Bauernzügen g7-g5 und b7-b5 geschwächt. Zudem hat Weiß seine Figuren besser entwickelt. 9. Le2 Lb7 10. Dc2 Sbd7 11. Td1 Lb4 12. Se5 De7 Erstmals in diesem Match kann der Herausforderer den Weltmeister mit einem neuen Zug überraschen. Zuvor wurde hier 12. . . . Sxe5 und 12. . . . Tg8 gespielt.

13. 0-0 Sxe5 14. Lxe5 0-0 Die schwarze Rochade erscheint auf den ersten Blick etwas riskant zu sein. Es fällt dem Weißen allerdings nicht leicht, seine Figuren zum Angriff gegen den schwarzen König zu postieren. 15. Lxf6 Dxf6 16. f4 Dg7 Sehr gefährlich wäre die Annahme des Bauernopfers mit 16. . . . gxf4? 17. e5 Dh4 18. Se4 Le7 19. Dd2 Lg5 20. Tf3! 17. e5 c5! Für diesen starken Zug getreu dem Motto "Angriff ist die beste Verteidigung" überlegte Kramnik 25 Minuten.

Schwarz gibt seinen Mehrbauern zurück, aktiviert im Gegenzug seinen Läufer auf b7 und greift das weiße Bauernzentrum an. Die andere Alternative ist schwächer 17. . . . f5 18. exf6 Txf6 19. fxg5 Dxg5 20. Se4 Txf1+ 21. Txf1 Dg7 22. Sf6+ Kh8 23. Sh5! Dxd4+ 24. Kh1 Tf8 25. Dg6 Txf1+ 26. Lxf1 Lc5! 27. De8+ Kh7 28. Df7+ Kh8 29. De8+ und aufgrund der schwarzen Drohung Dd4-g1 matt erzwingt der Weiße das Remis durch Dauerschach. 18. Sxb5 cxd4 19. Dxc4 a5! 20.Kh1 gespielt nach 30minütigem Nachdenken. 20. Dxd4 führt nach 20. . . . Tac8 21. Kh1 zur Partiestellung. 20. . . . Tac8 21.Dxd4 gxf4?!

An dieser Stelle verpasst Kramnik das stärkere 21. . . . Lc5! 22. Da4 (22. Dd2? gxf4 23. Lf3 Le3 24. Dxa5 Lxf3 25. gxf3 Kh8! und Schwarz gewinnt dank der Doppeldrohung 26. . . . Tc2 und 26. . . . Tg8.) 22. . . . gxf4 23. Lf3 Lxf3 24. Txf3 Dxe5 25. Dxf4 Dxf4 26. Txf4 Tfd8 und trotz materiellen Gleichgewichts steht Schwarz besser. 22. Lf3 Pariert die Drohung 22. . . . Dxg2 Matt. 22. . . . La6 Hier verfügten beide Spieler noch über rund 30 Minuten Bedenkzeit bis zum 40. Zug. 23. a4 Tc5 24. Dxf4 Txe5 25. b3? Besser war 25. Le4 Lxb5 26. axb5 Txb5 27. Td7 und die aktive Figurenaufstellung gibt Weiß Kompensation für den Minusbauern.

25. . . . Lxb5 26. axb5 Txb5 Nach den vorangegangenen Verwicklungen verbleibt Schwarz mit einem Mehrbauern. Ein wichtiger Faktor sind hier aber die ungleichfarbigen Läufer, die die Remischancen für Anand deutlich erhöhen. Der Plan für Kramnik muss lauten, die Schwerfiguren (Dame+Türme) auf dem Brett zu behalten und einen Angriff gegen den weißen König zu starten. 27. Le4 Lc3 Kramnik gruppiert seinen Läufer für einen Angriff auf die Diagonale h2-b8 um. 28. Lc2 Le5 29. Df2 Lb8 30. Df3 Nach dem wünschenswerten Zug 30. Td7? Th5! 31. h3 De5 kommt Schwarz zuerst zum Angriff. 30. . . . Tc5 31.Ld3 Tc3 32.g3 32. . . . Txb3 ist wegen 33. Lh7+ noch keine Drohung.

32. . . . Kh8 33.Db7 f5 Unter Zeitdruck findet Kramnik nicht die besten Züge. Chancenreich war hier 33. . . . Lc7! mit der Idee 34. . . . Tb8. Falls Weiß darauf mit dem natürlichen Deckungszug 34. Lc4? antwortet, besser geschieht 34. Db5, folgt das überraschende Opfer 34. . . . Lxg3! 35. Tg1 (35. hxg3? Txg3 36. Tf3 Tg8 und Schwarz setzt in weinigen Zügen Matt.) 35...De5! Schwarz steht mit seinen zwei Mehrbauern auf Gewinn.

Die Annahme des Läuferopfers verliert hingegen direkt: 36. hxg3 (36. Txg3 oder auch 36. . . . Txg3 37. hxg3 Dh5+ 38. Kg2 Dxd1) 36. . . . Dh5+ 37. Kg2 Tc2+ 38. Kf1 Dxd1# 34. Db6 De5? besser wäre gewesen 34. . . . Le5 mit der kleinen Falle 35. Dxe6?? Db7+ 36. Kg1 Ld4+ und Schwarz gewinnt. Bedenkzeit: Anand 6 Minuten, Kramnik 3 Minuten. 35.Db7? Verpasst bei knapper werdender Zeit die Chance 35. Lxf5! exf5 36. Dxh6+ Kg8 37. Dg6+ Dg7 38. De6+ Df7 39. Dxf7+ Txf7 40. Td8+ Tf8 41. Txf8+ Kxf8 42. Txf5+ Ke7 43. Txa5 und das Endspiel ist remis.

35. . . . Dc7? erneut wäre hier 35. . . . Lc7! mit der Drohung 36. . . . Tb8 sehr stark gewesen. Weiß ist dann gezwungen mit 36. Db5 Dxb5 37. Lxb5 Txb3 einen zweiten Bauern zu geben, mit nur noch geringen Remischancen. Die versteckte Pointe von 35. . . . Lc7! sieht man nach 36. Lc4? Darauf folgt der sofortige K.o.-Schlag mit 36. . . . Txg3!! 37. hxg3 Dxg3 38. Dg2 (38. Td2 Tg8 und Weiß ist hilflos) 38. . . . Dh4+ 39. Kg1 Lb6+ 40. Tf2 Tg8 36. Dxc7 Lxc7 37.Lc4 Nach dem Damentausch ist die Stellung trotz Mehrbauern nicht mehr für Schwarz zu gewinnen.

37. . . . Te8 38.Td7 a4 Kramnik versucht mit einem Läuferopfer die Stellung noch mal zu verkomplizieren. 39. Txc7 Einfacher war 39. Ta1 axb3 40. Lxb3 Lb8 41. Tb7 39. . . . axb3 40. Tf2 Tb8 41. Tb2 h5 41. . . . Tc2 führt auch nur zum Remis, ist aber mit einer hübschen Falle verbunden. Nach 42. Txc2 bxc2 43. Lf1? (43. Lxe6 führt zu einer bekannten Remisstellung. 43. . . . Tb1+ 44. Kg2 c1D 45. Txc1 Txc1 46. Lxf5) 43. . . . Tb2!! gewinnt Schwarz. Weiß ist völlig hilflos gegen das Vorrücken des schwarzen e-Bauerns. 42. Kg2 h4 43. Tc6 hxg3 44. hxg3 Tg8 45. Txe6 Txc4 - Remis.

Lesen Sie auch den Kommentar " Ein Palast für den WM-Titel"

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