Jetzt erst recht: Bonn will Meister werden

Das traumatische Finale der vergangenen Saison soll bald vergessen sein

Jetzt erst recht: Bonn will Meister werden
Foto: Norbert Ittermann

Bonn. Es gibt da einen dunklen Raum in der Erinnerung der Telekom Baskets Bonn. Auf der Tür steht: Kein Zutritt. Dort haben sie "das schlimmste Erlebnis, das man als Basketballer haben kann" (Trainer Michael Koch), weggeschlossen.

An den 25. Juni 2009 - der Tag, an dem man kurz davor war, sich den Traum vom ersten Meistertitel in der Vereinsgeschichte zu erfüllen - will bei dem Basketball-Bundesligisten niemand mehr zurückdenken. Die Video-Aufzeichnungen sind im Archiv verschwunden.

Kommentar Lesen Sie dazu auch " Klare Ansage""Die Tapes werde ich mir nicht mehr angucken", sagte Koch schon kurz nach dem fünften Spiel, in dem die Baskets innerhalb von Sekunden vom Triumphator zum Geschlagenen wurden. Sekunden, "in denen alles schief lief, was schief laufen konnte", wie Koch feststellt. Die EWE Baskets Oldenburg wurden im ersten Anlauf deutscher Meister, den Bonnern blieb zum vierten Mal seit 1997 nur Platz zwei.

"Vieles ändert sich in der Bundesliga, nur Bonn wird immer Vizemeister", stellte Baskets-Präsident Wolfgang Wiedlich unlängst auf einer Tagung der Basketball-Bundesliga (BBL) mit Galgenhumor fest. Die Fans des Rekord-Vizemeisters seien an die Grenze der seelischen Belastbarkeit und darüber hinaus gekommen.

Und doch schöpft der gesamte Verein aus der bitteren Erfahrung neue Motivation. "Niederlagen machen stärker, nicht schwächer", ist Koch überzeugt. Auch das Votum der Fans scheint eindeutig. Sie stimmen mit ihrer Präsenz im Telekom Dome ab. "Wir haben 400 Dauerkarten mehr verkauft als in der vergangenen Saison", sagt die für das Ticketing zuständige Helene Wiedlich. Die anfänglich spürbare Resignation ist neuer Hoffnung gewichen.

Dazu passen die Verpflichtungen, mit denen die Bonner in die am Freitag (19 Uhr) in Ulm beginnende Saison gehen. "Wir haben die Meisterschaft durch Dummheit verloren, entsprechend haben wir investiert", drückte es Präsident Wiedlich aus. "Von der Spielintelligenz und der Spielweise her haben wir uns im Vergleich zur vergangenen Saison verbessert.

Und auch charakterlich stimmt es", glaubt Koch und sieht sich durch den Verlauf der Vorbereitung in seiner Meinung bestätigt. "Ich habe ein gutes Gefühl, ein richtig gutes Gefühl", blickt er voraus.

Der 43-Jährige war der erste, der nach Jahren des Understatements und der Bescheidenheit bei den Baskets, als stets vom Erreichen der Play-offs geredet wurde, die Zielsetzung Jahr für Jahr ambitionierter ausgab. Jetzt, nach zwei Vizemeisterschaften in Folge, sagt er: "Wir wollen Meister werden."

Die Verpflichtungen untermauern die "Jetzt-erst-recht"-Haltung - allen voran die von Chris Ensminger. Wenn jemand weiß, wie man Meister wird, dann der 35-jährige Hüne, der mit Bamberg zweimal den Titel holte und von den Trainern der Bundesliga zum Center des Jahres der vergangenen Saison gewählt wurde. Und auch er hat ein gutes Gefühl. "Wir haben alle Stücke für das Puzzle beisammen und Qualität auf jeder Position", sagt er über sein Team.

Und Ensminger kennt seine Aufgabe. Unter anderem soll er den Mitspielern mit seiner Präsenz auf dem Feld und seiner geballten Erfahrung Rückhalt geben. Zwar erst 23 Jahre jung, soll auch Bryce Taylor der Mannschaft Stabilität geben.

"Es hat mich überrascht, wie abgezockt er schon spielt", sagt sein Trainer. Dazu kommt Jared Jordan, der nicht nur als Spielmacher, sondern auch als Schütze präsent ist. Koch: "Das macht es schwer, ihn zu verteidigen." Jordan soll die Mitspieler in Wurfposition bringen. Vornehmlich in Brettnähe, wo mit dem Hünen Ensminger, dem bulligen John Bowler und dem athletischen Tim Ohlbrecht die Abnehmer warten.

"Wir werden mehr Punkte am Brett machen und mehr Rebounds holen", sieht Koch voraus. Und auch bei der Zahl der Assists, allgemein der Gradmesser für gutes Mannschaftsspiel, werde man zulegen.

Der schnelle Jordan und der Druck aufs Brett sollen auch den Spielern auf den anderen Positionen helfen. Daher rechnen die Bonner mit mehr freien Würfen von außen. Die Vielseitigkeit der Bonner, bei denen die meisten Spieler für mehrere Positionen in Frage kommen, soll sie für die Gegner schwer ausrechenbar machen.

Bedenken hat er lediglich wegen der noch nicht allzu großen Erfahrung auf den kleinen Positionen. Gegner, die den wilden Basketball und schnelle Punkte bevorzugen, könnten dazu verleiten, mit gleichen Mitteln dagegen zu halten. Koch: "Gerade dann müssen wir ruhig, abgeklärt und strukturiert spielen."

Kochs Hoffnung: Wieder mindestens als Vierter in die Play-offs gehen, das Finale erreichen - dann können die Baskets vielleicht das Trauma Oldenburg abhaken.

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