"Höllentraining" 850 Meter unter der Erde

Die Weltmeister Reckermann und Brink gehen ungewöhnliche Wege. Am 20. April beginnt in Brasilien die Welttour.

"Höllentraining" 850 Meter unter der Erde
Foto: dpa

Bonn. Wenn man liest, was Jonas Reckermann auf seiner Homepage als einen für ihn perfekten trainingsfreien Tag bezeichnet, kann man kaum glauben, mit welcher Akribie und Leidenschaft der "Riese vom Rhein" seinem Beruf nachgeht.

"Bis neun Uhr schlafen, ausgiebiges Frühstück, mit der Freundin an den Strand, lecker Mittagessen, leichte sportliche Betätigung mit Freunden und Abends den FC bei seinem Champions-League-Auswärtsspiel in Marseille anfeuern."

Mit einem Wort: abhängen. So erträumt sich der 30-jährige Beachvolleyball-Weltmeister den perfekten Tag. Die Wirklichkeit für den in Rheine geborenen Zwei-Meter-Mann, der mehrere Winter beim Zweitligisten TSV Germania Windeck in der Halle gepritscht und gebaggert hat, sieht anderes vor.

Wenn am 20. April in Brasiliens Hauptstadt Brasilia die Worldtour 2010 beginnt, wird Reckermann mit seinem kongenialen Partner Julius Brink von der Konkurrenz gejagt werden. Deshalb ist penible Vorbereitung das A und O für die Perfektionisten.

Seit Anfang 2009 spielen die in Münster bzw. Rheine geborenen "Sand-Wühler" zusammen. Und seitdem scheinen sie unschlagbar zu sein. Über 20 Turniere haben Brink/Reckermann in der zweiten Jahreshälfte 2009 in Folge gewonnen.

"Zufriedenheit ist der Tod des sportlichen Erfolges", sagt Reckermann, und "Wenn du dich weiter entwickeln möchtest, handle außergewöhnlich."

Reckermann und Brink haben es auch an die Spitze geschafft, weil sie professioneller und härter arbeiten als die Konkurrenz. Konditions- und Mentaltrainer, Physiotherapeuten und Manager betreuen die beiden Profis rund um die Uhr.

"Wir setzen alles daran, bei den Olympischen Spielen 2012 in London auf unserem Zenit zu sein", meint Reckermann, der schon von 2002 bis 2006 mit dem Bonner Markus Diekmann erfolgreich auf der Welttour aufgeschlagen hat und dreimal Beachvolleyballer des Jahres in Deutschland war.

Um gezielt neue psychologische Reize zu setzen, kamen sie auf eine außergewöhnliche Idee. Auf dem ungewöhnlichsten Beachvolleyballplatz der Welt wollten sie trainieren. Einer der Sponsoren (Red Bull) fand ihn, die Idee vom "Höllentraining" war geboren:

Schwitzen und Baggern im Salzbergwerk, bei sommerlichen Temperaturen und umgeben von völliger Finsternis.

Fündig wurde man im thüringischen Merkers. Ein 1 500-Seelen-Ort, unter dem bis 1993 Bergmänner im weltgrößten Kalisalzwerk rackerten. In der Mine, 420 Meter unter der Erde, wurde der tiefstgelegene Volleyballplatz der Welt aufgebaut, 70 Tonnen Sand sind dafür in Säcken angeliefert worden.

Wenn ein Ball über die Spielfeldgrenze hinaus geschmettert wird, verschwindet er in der Dunkelheit. "Dass man sich so tief unter der Erde befindet, diesen Gedanken kann man nie ganz ausblenden. Das ist ein mystischer Ort", sagt Reckermann später.

Für eine Kraft- und Konditionseinheit geht es sogar bis auf 850 Meter runter. Bei 35 Grad Hitze werden Gewichte gestemmt, sogar ein vier Meter hoher Berg aus festem Salz wird zum Trainingsgerät.

Den Zweck der ungewöhnlichen Übung haben Reckermann und Brink jedenfalls erreicht. Sie wollten einen neuen Reizpunkt setzen, um sich weiter zu verbessern.

Jetzt geht es wieder an die schönsten Strände dieser Welt. Brasilia, Shanghai und Rom heißen die ersten drei Stationen auf ihrer Weltreise. In Deutschland macht das Duo nur einmal Station: Im August bei der EM in Berlin.

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