Hannes Bongartz: "Ich bin dem BSC damals praktisch zugelaufen"

Bonn · Nächsten Donnerstag wird der turbulente Club ein halbes Jahrhundert alt. Ein langes Gespräch mit Hannes Bongartz und Kurzporträts weiterer Spieler, die Spuren hinterlassen haben.

 Ein klein wenig wie zu seiner Zeit: Hannes Bongartz vor gut gefüllter Tribüne.

Ein klein wenig wie zu seiner Zeit: Hannes Bongartz vor gut gefüllter Tribüne.

Hannes Bongartz hat nur 23 Meisterschaftsspiele für den Bonner SC bestritten. Aber er ist in Erinnerung geblieben. Vor allem deshalb, weil seine späteren Leistungen in Wattenscheid, Schalke und Kaiserslautern immer wieder die Frage aufwarfen: Was hätte er alles in seiner Heimatstadt bewirken können? Das entscheidende Spiel um den Regionalliga-Aufstieg gegen Wegberg-Beeck (0:2) sah sich Bongartz neulich im Sportpark Nord an. Anschließend sprach Gert auf der Heide mit ihm.

23. August 1970, erstes Heimspiel Regionalliga West, 10 000 Zuschauer im Sportpark, 4:2 gegen Alemannia Aachen, Sie werden in der 62. Minute für Werner Grau eingewechselt. Haben Sie als 18-Jähriger damals gedacht: Mensch, jetzt geht das hier richtig ab?
Hannes Bongartz: Ja klar, da gab's Euphorie in der Stadt. Regionalliga, das war zu der Zeit ja 2. Liga. Aber am Anfang war ich weit hintendran. An den Etablierten wie Grau, Troche oder Kosprd kam ich zuerst nicht vorbei.

Was haben Sie 1970 beim BSC verdient?
Bongartz: Ganz ehrlich, das weiß ich nicht mehr. Jedenfalls fast gar nichts. Als ich nach dieser Saison zu Wattenscheid ging, waren es 120 Mark im Monat plus zehn Pfennig pro gefahrenen Kilometer. Klaus Steilmann, der Boss, hat gesagt: Vollprofi, das ist was für Verrückte, du musst weiter arbeiten, dann kannst du dazuverdienen. Also habe ich nach dem Industriekaufmann in Steilmanns Unternehmen noch den Textilkaufmann gemacht. Richtig Profi bin ich erst in Schalke geworden.

Wenn Sie beim BSC noch ein kleines Licht waren - wie ist Wattenscheid denn auf Sie aufmerksam geworden?
Bongartz: Es war mein Glück, dass am Ende der Saison, als sich der Abstieg abzeichnete, viele der Alten nicht mehr konnten oder wollten. Ich kriegte dann mehr Einsatzzeiten. Und als wir bei Schwarz-Weiß Essen spielten, saß eine Wattenscheider Abordnung auf der Tribüne. Steilmann muss dann gefragt haben: Wer ist der dünne Blonde?

Hatte der Ahnung vom Fußball?
Bongartz: Es ging. Das kam erst im Lauf der Jahre. Aber er war ein Menschenkenner.

Es heißt, sie hätten ein besonderes Verhältnis zu Ihm gehabt, eine Art Vater-Sohn-Verhältnis.
[kein Linktext vorhanden]Bongartz: Stimmt. Er hat mich ja auch 1989 als Trainer zurückgeholt. Wir sind dann in die Bundesliga aufgestiegen und haben uns vier Jahre gehalten. Ein absolutes Highlight. Wir hatten ja kaum Geld. Und wenn einer richtig gut wurde, hat der Alte ihn verkauft. Da war er ganz Kaufmann. Jedes Jahr hat er mir die besten Spieler verkauft.

Bei Ihnen selbst war das ja nicht anders. Als Sie 1974 nach Schalke gingen, kassierte Wattenscheid 770 000 Mark - bis dahin die höchste Ablöse im deutschen Fußball.
Bongartz: Und die Schalker Fans mussten damals die Bongartz-Mark bezahlen . . . Die haben die Eintrittspreise um eine Mark erhöht, um den Transfer zu finanzieren.

In Wattenscheid wurden Sie vom Boss persönlich entdeckt. Wer hatte Sie zuvor beim BSC gescoutet?
Bongartz: Niemand. Zwei Kumpels und ich sind als A-Jugendliche von Preußen Duisdorf einfach da hingegangen. Ich bin dem BSC praktisch zugelaufen.

Im Ernst, bitte.
Bongartz: Nee, so war das damals. Die beiden anderen sind dann nach zwei Wochen wieder zurück, aber ich wollte mich beim BSC durchsetzen.

Stimmt es, dass Sie zuerst in der A 2 spielen mussten?
Bongartz: Ja, und später in der zweiten Mannschaft. Das war Kreisliga A, da sind wir sonntags morgens im Vorgebirge rumgetanzt. So war das.

Was ist eigentlich aus Preußen Duisdorf geworden?
Bongartz: Der FC Hardtberg.

Wer war Ihr erster Trainer bei den BSC-Senioren?
Bongartz: Gert Burkhardt. Der hat mich dazugenommen, mir Selbstvertrauen gegeben. Da waren ja viele ausgefuchste Kerle im Kader. Und wenn du als junger Spund dazukommst, brauchst du einen Trainer, der dich unterstützt. So wie später Kalli Feldkamp in Wattenscheid, der mich später ja auch nach Kaiserslautern geholt hat.

Hatten Sie dort Ihre beste Zeit?
Bongartz: Mit Sicherheit die erfolgreichste, weil wir immer Europapokal gespielt haben. Unter anderem gab's da ja auch dieses legendäre 5:0 gegen Real Madrid. Für mich persönlich war vielleicht 1976 in Schalke das erfolgreichste Jahr. Da durfte ich mit zur EM, bin im Endspiel eingewechselt worden und habe beim Elfmeterschießen mitgemacht.

Im Gegensatz zu Uli Hoeneß haben Sie Ihren Elfer aber verwandelt.
Bongartz: Der Uli war ja auch noch Zimmergenosse von mir. Ich war dritter Schütze, er vierter. Aber wir haben ja im Pokalhalbfinale jetzt wieder gesehen, dass im Elfmeterschießen jeder Fehler machen kann. Wenn selbst Spieler wie Lahm und Alonso ausrutschen . . .

Sie haben nur vier Länderspiele bestritten. Warum ist Ihnen in der Nationalmannschaft der Durchbruch nicht gelungen?
Bongartz: Den Vorwurf muss ich mir machen. Ich wollte da unbedingt rein, aber als ich das geschafft hatte, hab' ich ein bisschen Dampf rausgenommen. So ist mir das häufiger ergangen. Damals gab's ja noch die B-Nationalelf, da war ich, glaube ich, Rekordspieler. Ich war meistens im Kader für die A-Elf, aber wenn ich dann samstags das Sportstudio geguckt habe - gestrichen.

So wurden Sie damals informiert?
Bongartz: Gab ja noch keine SMS. Ich war dann enttäuscht, und wenn das 20, 25 mal passiert, ist die Luft raus. Da kam dann bei mir der Rheinländer durch. Alles ein bisschen lockerer sehen.

Warum wohnt der Rheinländer heute in Bottrop?
Bongartz: Purer Zufall. 1983, meine Frau war schwanger und ich verletzt, sind wir von Kaiserslautern zu einer Familienfeier ins Ruhrgebiet gefahren. Meine Frau stammt aus der Nähe, aus Sprockhövel. Ja, und nachts sagte sie dann plötzlich: Es geht los. Da saßen wir dann in Bottrop - sie im Krankenhaus und ich einfach so. Als mich ein Bekannter auf einen Neubau hinwies, hab' ich den gekauft.

Keine Lust, zurückzukommen?
Bongartz: Wenn die Kinder nicht wären, ja. Meine Frau will unbedingt in der Nähe unserer beiden Töchter bleiben.

Immerhin ist es nicht weit zur Trabrennbahn nach Gelsenkirchen. Stammt Ihre Affinität zu Pferden aus der Schalker Zeit?
Bongartz: Ich hatte auch in Duisdorf mal ein Pony, aber ich wusste doch nicht, was ein Traber ist, ehe ich nach Schalke kam. Zuerst hatten wir mit ein paar Spielern ein Pferd zusammen, später hatte ich mal fünf Pferde allein. Es hat wahnsinnig Spaß gemacht, mit denen zu arbeiten. Die geben keine Widerworte im Gegensatz zu Fußballspielern.

Wenn Sie sich die jüngere Trainergeneration anschauen und Begriffe wie Konzepttrainer, Matchplan oder Gegenpressing hören, was denken Sie dann?
Bongartz: Das sind doch nur neue Wörter. Was wirklich anders geworden ist in den letzten Jahrzehnten, ist die totale Raumdeckung. Ich habe in Kaiserslautern als einer der ersten die Viererkette spielen lassen, weil ich das im Europacup in Göteborg am eigenen Leib erleben musste. Die wurden damals von Sven Göran Eriksson trainiert. Aber wenn ich heute höre: Tief stehen, hoch verteidigen - meine Güte, alle älteren Fußballlehrer schütteln dann den Kopf.

Immerhin ist der Übersteiger noch der Übersteiger. Da gibt's noch kein neues Wort. Als Spieler war das Ihre Spezialität. Sind Sie eigentlich der Erfinder?
Bongartz: Nein, das habe ich mir Ende der 60er Jahre bei einem Spieler von Alemannia Aachen abgeguckt. Herbert Gronen hieß der, glaube ich.

Aber Sie haben den Übersteiger bekanntgemacht. Wenn man so will, sind Sie also der Wegbereiter für Cristiano Ronaldo.
Bongartz: Das ist doch Zirkus, was der veranstaltet. Wenn ich das schon mache, muss ich auch Tempo aufnehmen und antreten. Und ich darf nicht ausrechenbar sein, muss rechts und links vorbeigehen können. Der eine Junge vom BSC jetzt eben, der ist immer rechts vorbei. So geht das nicht.

Sie beobachten den BSC nach wie vor und hatten als Berater auch schon einige Spieler wie Marco Quotschalla oder André Wiwerink im Verein untergebracht. Welche Perspektive hat der BSC?
Bongartz: Man muss Vertrauen schaffen. Über Jahre. Da ist der Verein jetzt endlich auf einem guten Weg. Es herrscht endlich Ruhe, ich habe ja auch die anderen Zeiten mitbekommen. Was ich nicht verstehe, ist, dass sich kein wirklich potenter Hauptsponsor finden lässt. Es sind ja keine Millionen, die man braucht, um zumindest mal in die Regionalliga zu kommen. Das muss jetzt für nächstes Jahr das Ziel sein, denn diese Liga ist mit den ganzen Traditionsvereinen mittlerweile wirklich attraktiv.

Wo sehen Sie den natürlichen Lebensraum des BSC? Ist die 3. Liga illusorisch?
Bongartz: Nein, aber in weiter Zukunft. Du brauchst halt einen sehr guten Hauptsponsor und viele gute dahinter. Die Leute müssen das Gefühl haben, es lohnt sich, denen zu helfen.

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