Fußball in Bonn und der Region Hallenturniere in der Region sterben aus

Bonn/Rhein-Sieg-Kreis · Die Hallenturniere für Senioren- und Altherren-Fußballer verschwinden in Bonn und der Region allmählich von der Bildfläche. Dabei kamen zu früheren Turnieren Bundesliga-Größen und Ex-Europapokalsieger an den Rhein. Eine Ursachenforschung.

 Jahrelang bot der Bonner SC (gestreiftes Trikot, hier 2015) beim Turnier in der Hardtberghalle seinen Fans attraktive Mannschaften und hochklassigen Fußball.

Jahrelang bot der Bonner SC (gestreiftes Trikot, hier 2015) beim Turnier in der Hardtberghalle seinen Fans attraktive Mannschaften und hochklassigen Fußball.

Foto: Wolfgang Henry

Die kleine alte Sporthalle des Schulzentrums Am Neuenhof in Siegburg ist zum Bersten gefüllt, rund 1000 Zuschauer – dicht gedrängt auf der Tribüne und quasi auf Du und Du mit den früheren Bundesliga- und Europacup-Stars – sind angesichts der technischen Kabinettstückchen und Raffinessen der Akteure unten auf dem Parkett aus dem Häuschen. Und als der inzwischen bereits verstorbene Gerrie Mühren in einem Gruppenspiel des Ex-Europapokalsiegers Ajax Amsterdam den Ball mehrfach so schnell unter der Sohle vor- und zurückzieht, dass sein Kontrahent nicht die Spur einer Chance hat, an das Spielgerät zu kommen, da gibt es stehende Ovationen.

Tatsächlich ist es mittlerweile mehr als drei Jahrzehnte her, da gab sich die Fußball-Prominenz beim legendären Altherren-Hallenturnier des Siegburger SV 04 regelmäßig die Ehre. Da spielte Wolfgang Overath im Trikot seines Heimatvereins SSV 04, da liefen Friedhelm Funkel, Bundesliga-Urgestein und heute Trainer bei Fortuna Düsseldorf, oder Ex-Bundestrainer Erich Ribbeck ebenso auf wie eben Sjaak Swart, Johnny Rep oder Gerrie Mühren mit Ajax Amsterdam. Und auch der unvergessene, wie Mühren schon verstorbene frühere Bundesliga-Schiedsichter Wolf-Dieter Ahlenfelder, die Diva unter den Referees, durfte nicht fehlen.Wohlgemerkt, sie alle kamen – zumindest in der Anfangszeit – für kleines Geld, spielten auf Parkett und aus Spaß an der Freud. An Kunstrasenbeläge dachte damals noch niemand. Natürlich wurden Siegprämien ausgelobt, doch die waren überschaubar. Die Stars mischten sich unter die Zuschauer, schrieben Autogramme, hielten hier und da einen Plausch mit dem unbekannten Nebenmann auf der Tribüne.

Es war die Zeit, als die großen Hallenturniere noch Hochkonjunktur hatten – gerade bei den Senioren. Wie Pilze schossen die Turniere allerorten aus dem Boden, die Mannschaften waren froh, in der Winterpause beschäftigt zu sein, die Besucher strömten in die Hallen. Die Veranstaltungen des TuS Pützchen und des heute nicht mehr existierenden SSV 05 Troisdorf am zweiten Weihnachtstag hatten Tradition; wenn der inzwischen in die fußballerische Bedeutungslosigkeit abgerutschte VfL Meckenheim lud, kam alles, was Rang und Namen im Bonner Fußball hat. Nicht anders beim 1. FC Ringsdorff-Godesberg.

Willkommene Alternative zu Trainingseinheiten

Und auf der anderen Rheinseite war eine Winterpause ohne das Mammut-Turnier des Polizeisportvereins Siegburg mit Cheforganisator Kurt Schmitz nicht vorstellbar. Überfüllte Parkplätze, das Who is Who des Bonner und Sieg-Fußballs, alle trafen sie sich über Jahre hinweg in der Halle des Hennefer Schulzentrums.

 Erinnerung an glorreiche Zeiten: Ton Blanker (rechts) spielte in der 80er Jahren mit Ajax Amsterdam im Siegburger Neuenhof.

Erinnerung an glorreiche Zeiten: Ton Blanker (rechts) spielte in der 80er Jahren mit Ajax Amsterdam im Siegburger Neuenhof.

Foto: Ronald Friese

Damals sahen sowohl Trainer als auch Aktive den Budenzauber als willkommene Alternative zu Trainingseinheiten auf hart gefrorenen, unebenen und unbespielbaren Tennenplätzen; die Naturrasenfelder waren ohnehin ständig gesperrt. An Testspiele im Freien war kaum zu denken. „In der Tat hast du dich in dieser Zeit darauf gefreut, mal auf ebenem Untergrund kicken zu können“, bestätigt Sascha Glatzel, der Coach des Mittelrheinligisten FC Hennef 05.

Das war einmal. Die Zeiten haben sich geändert, die Entwicklung ist fortgeschritten, heutzutage ziehen die meisten Trainer Übungseinheiten und Testspiele auf den modernen Kunstrasenfeldern unter freiem Himmel jedem sportlichen Treiben unter dem Hallendach vor, zumal sie drinnen das hohe Verletzungsrisiko fürchten. Zudem haben sich, wenn Teams aus höheren Spielklassen verpflichtet werden sollen, die Antritts- und Siegprämien erhöht. So sind hochkarätige Teams für ein Indoor-Event praktisch nicht mehr zu verpflichten. „Ich stelle es meinen Spielern frei, bei Turnieren  aufzulaufen“, sagt Glatzel. „Aus Trainersicht bin ich allerdings froh, wenn wir kein Turnier spielen. Denn wenn die Jungs aus der Pause kommen und beim Spiel vier gegen vier mit schnellen Bewegungen gleich in die schwierigste Belastung müssen, ist die Gefahr doch sehr groß, sich zu verletzen.“

Zu kurze Winterpause

Regionalligist Bonner SC und Mittelrheinligist Siegburger SV 04 versuchten bis zuletzt noch, die Fahne der stark besetzten Hallenturniere hochzuhalten. Doch im Falle BSC war das Unterfangen ohnehin zum Scheitern verurteilt: Zu kurz ist inzwischen die Winterpause in der 4. Liga, quasi angeglichen an die der Profis. Da bleibt zu einem Spaß-Kick keine Zeit, nicht einmal ein Winter-Kurzurlaub ist drin. Da nützt es dann auch nichts, dass eigens für die Turniere Hallen mit Kunstrasen ausgelegt werden. „Der Aufwand mit dem Verlegen des Kunstrasens und dem Aufbau des Bandensystems war immer sehr groß“, erinnert sich Dietmar Sebus, Leiter der BSC-Geschäftsstelle und seinerzeit Organisator der Veranstaltung. Da bedürfe es eines oder mehrerer Sponsoren – unabhängig von dem Versuch, Geld über Zuschauereinnahmen, Catering und Werbung hereinzuholen.

SSV-04-Vorsitzender Christian Kohr will sich mit dem Turniersterben (noch) nicht abfinden, wenngleich die Kreisstädter im Jahr 2020 ausschließlich auf die Jugend setzen. „Die Vorbereitungszeit, um den Kunstrasen zu verlegen, war einfach zu kurz. Die Jugendlichen spielen auf dem normalen Hallenboden. Aber wir haben vor, es 2021 noch einmal mit den Senioren zu versuchen“, sagt er. Wenngleich er eingesteht: „Verdienen kannst du damit nichts.“

Zumal sich noch andere Probleme hinzugesellen: Die Zahl der Helfer, die sich ehrenamtlich zur Verfügung stellt, um eine Veranstaltung dieser Größenordnung zu stemmen, wird immer kleiner. An Weihnachten findet sich sowieso keiner mehr, die Familien stehen angesichts des immer größer werdenden zeitlichen Aufwandes im Beruf an diesen Tagen im Mittelpunkt – das Aus für die Turniere in Pützchen und Troisdorf.

Viel Arbeit für Ehrenamtliche

„Der Verschleiß am Ehrenamt war sehr groß“, gibt auch Dietmar Sebus zu. Mit dem Auf- und Abbau seien die Helfer teilweise fünf Tage im Einsatz gewesen. Im Falle des BSC-Events mussten dazu besondere Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden, je nachdem, welche Clubs teilnahmen. „In der Halle kannst du die Fans, anders als im Stadion, kaum trennen“, so Sebus.

Die Vereinskasse lässt sich mit Senioren- oder Altherren-Turnieren eben auch nicht mehr auffüllen. Denn mangels attraktiver Besetzungen haben naturgemäß auch die Besucherzahlen stark nachgelassen; ohnehin sind die meisten Hallen in der Region so konzipiert, dass ihr Fassungsvermögen auf den Tribünen sehr begrenzt ist. Kohr: „Mehr als 200 finden in der Halle des Anno-Gymnasiums keinen Platz.“

Ein wirtschaftliches Plus ist eigentlich nur noch mit den Turnieren der Jüngsten, sprich E-, F-Junioren und Bambinis, zu machen. Wenn Mama und Papa, Oma und Opa, Tante und Onkel sowie Geschwister mitkommen und die Kinder anfeuern, sind die Hallen voll und der Umsatz an Speisen und Getränken groß. Kein Wunder also, dass auch der SSV 04 sich diesmal auf den Nachwuchs konzentriert.

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