Max Pilger Folge 12: Acht Sekunden, die wehtun

BONN · Zwischen Berlin und Monte Carlo liegen 1350 Kilometer oder eine rund 14-stündige Nonstop-Fahrt - eine enorme Strecke. Für Max Pilger liegen zwischen Berlin und Monte Carlo acht Sekunden - und das ist für ihn eine ebenso gewaltige Distanz.

Acht Sekunden, die er auf dem Weg von den deutschen Schwimm-Meisterschaften zum Höhepunkt der "Mare-nostrum-Tour" in Monaco langsamer geworden ist. Ein Leistungseinbruch, der im Moment für ihn unerklärlich ist und der ihn verunsichert.

Rückblende, Berlin im April: Der Bonner schwimmt auf der großen Bühne ins Rampenlicht. Bei der deutschen Meisterschaft in der Hauptstadt muss sich der 19-Jährige, der für die SSF Bonn startet, aber am Bundesstützpunkt in Essen trainiert, über 200 m Brust nur Europameister Marco Koch (2:09,73 Minuten) und seinem Trainingspartner, dem ehemaligen WM-Dritten Christian vom Lehn (2:11,13), geschlagen geben. Platz drei in persönlicher Bestzeit von 2:11,35 - das ließ aufhorchen. Zwar verpasste Pilger damit knapp die WM im Sommer im russischen Kazan - nur die ersten beiden sind qualifiziert - doch der BWL-Student bestätigte, was Trainerin Nicole Endruschat prophezeit hatte. "Max ist die Nummer drei in Deutschland."

Die Bestzeit kam um so überraschender, weil die Saisonvorbereitung für den jungen Bonner nicht rund gelaufen war. "Immer wieder gab es kleine Rückschläge. Mal hatte ich eine Schulterverletzung, mal war es eine Erkältung. Nie etwas Gravierendes, aber es beeinträchtigte halt das Training." Die Trainingsumfänge und -inhalte eines Leistungsschwimmers sind gewaltig. 70 Kilometer pro Woche, aufgeteilt in einen Früh- (7 Uhr) und einen Abendblock (17 Uhr) - und das 50 Wochen im Jahr - spult Pilger ab. Wenn die Gesundheit mitspielt.

Was konzentriertes und kontinuierliches Training ausmacht, kann er derzeit ein paar Bahnen weiter beobachten. Trainingskollege Christian vom Lehn, mehrmaliger deutscher Meister und WM-Dritter von 2011, hat nach einem Seuchen-Jahr mit vielen Verletzungen wieder Anschluss an die internationale Klasse gefunden. Auf der "Mare-nostrum-Tour" mit Stationen in Canet-en-Roussillon (Südfrankreich), Barcelona und Monte Carlo, an der Europas Top-Schwimmer in jedem Jahr teilnehmen, feierte der Essener ein furioses Comeback. In 2:09,69 Minuten über seine Paradestrecke 200 m Brust blieb vom Lehn als Zweiter hinter Marco Koch (2:08,57) erstmals seit zwei Jahren wieder unter 2:10 Minuten. "Darüber habe ich mich gefreut", sagt Pilger. "Er hat viel leiden müssen." Bei allem Konkurrenzdenken kommen die beiden Top-Schwimmer im Essener Stützpunkt gut miteinander klar.

Es ist diese zehntägige Mittelmeer-Tournee, die am Wochenende zu Ende gegangen ist, die Fragen aufgeworfen hat. Schon in den Wochen vor dem internationalen Topereignis zeigte der Formkompass Pilgers südwärts. "Die Bewegungsabläufe waren nicht so, wie sie sein sollten." Eine Erkältung kam hinzu, die den Bonner zu einer Trainingspause zwang. Dennoch ging er mit auf die prestigeträchtige Tournee. In Canet lief es im Vorlauf noch ordentlich - 2:13 Minuten. "Das war schneller als im Vorlauf in Berlin", so Pilger. Ein Hoffnungsschimmer. Im Finale schwamm er dann zwei Sekunden langsamer - Platz sieben. "Nicht gut", wie Pilger konstatierte.

Doch der wirkliche Einbruch sollte noch folgen. In Barcelona ging es weiter bergab - 2:19 Minuten, in Monte Carlo dann der Tiefpunkt - 2:20, mehr als acht Sekunden langsamer als zwei Monate zuvor in Berlin. "Das war nur noch peinlich", räumte Pilger ein. Bundestrainer Henning Lambertz, überrascht von den mäßigen Zeiten, erkundigte sich nach dem Befinden, der mitgereiste Mediziner des Deutschen Schwimm-Verbandes wurde eingeschaltet, konnte aber keine Auffälligkeiten diagnostizieren. "Es fehlt die Kraft", sagt Pilger, der sich nun in Essen durchchecken lässt.

Der Weg nach Rio kann ein beschwerlicher sein, das muss Pilger derzeit feststellen. An seinem Ziel, der Teilnahme an den Olympischen Spielen 2016, hält er fest. "Dafür werde ich weiter hart arbeiten." Bei etwa 2:10 Minuten wird die Norm für Olympia liegen - eine ziemliche Herausforderung.

Das nächste Großereignis wartet schon Anfang Juli - die Teilnahme an der Universiade, den Weltsportspielen der Studenten in Südkorea. "Darauf freue ich mich", versichert Pilger. Die Lust aufs Schwimmen hat trotz der momentanen Leistungsdelle nicht gelitten. Pilger hat vieles gemeistert auf dem Weg zur deutschen Spitzenklasse. Und wenn das Formbarometer nach oben zeigt, will der Bonner wieder in den Angriffsmodus schalten. Ist er topaustrainiert, sind auch die Zeiten von Rivale vom Lehn in Reichweite. Pilger selbstbewusst: "Im Training habe ich ihn schon ein paar Mal gepackt."

In der Serie "Auf dem Weg nach Rio" begleitet der GA sechs Olympiakandidaten aus der Region mit regelmäßigen Beiträgen - bis zum möglichen Happy End bei den Spielen 2016 in Rio de Janeiro: Lena Schöneborn, Yanna Schneider, Alhassane Baldé, Moritz Kröplin, Max Rendschmidt und Max Pilger.

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