Integration von Flüchtlingen im Fußball Einwechslung: Warten statt spielen

Bonn · Fifa, DFB und die deutschen Regionalverbände haben sich die Integration von Flüchtlingen auf die Fahne geschrieben. Doch die meisten können derzeit bei ihren Vereinen nur trainieren. Bürokratische Hemmnisse schließen eine schnelle Spielberechtigung aus.

Sonntagnachmittag. Bei frühherbstlichem Sonnenschein wird auf den Fußballplätzen des Kreises um wichtige Punkte im Titelrennen gekickt. Youssef (Name von der Redaktion geändert) schaut nur zu. Der junge Mann aus Vorderasien hat zwar großes Talent und trainiert seit Wochen bei einem Verein aus dem Kreis, am Meisterschaftsbetrieb darf er jedoch nicht teilnehmen. Youssef fehlt die Spielberechtigung, auf die er nach eigener Aussage seit Wochen wartet.

Die Integration von Flüchtlingen über den Fußball haben sich der Deutsche Fußball-Bund (DFB), der Weltfußballverband Fifa, aber auch der Fußballverband Mittelrhein (FVM) auf die Fahnen geschrieben. "Der organisierte Fußball unterstützt auf sehr breiter Basis die Integration der Flüchtlinge in unsere Sportvereine", so FVM-Vizepräsident Stephan Osnabrügge. Und das soll in der Regel problemlos funktionieren. "Zunächst kann ein Flüchtling jederzeit am Trainingsbetrieb eines Vereins teilnehmen. Der Effekt, der zugunsten der Flüchtlinge erzielt werden soll - die Integration ins Vereinsleben sowie die Möglichkeit, aktiv Sport zu treiben - lässt sich somit ganz unabhängig von der Frage nach der Spielberechtigung erzielen", sagt Osnabrügge. Das sieht Youssef anders. "Ich verstehe nicht, warum ich noch warten muss. Ich will doch nur spielen", sagt er mit einem Lächeln, obwohl man ihm die Enttäuschung ansieht.

WFLV muss erst noch Spielberechtigungen prüfen

Bürokratische Hemmnisse schließen eine schnelle Erteilung von Spielberechtigungen im Sinne von Flüchtlingen und Vereinen bislang aus. Über eine Vereinfachung der Verfahren hat sich die Fifa offenbar noch keine Gedanken gemacht. Bis Youssef spielberechtigt ist, muss er also warten. Laut Regularien erhält der Verein die Spielberechtigung über die Passstelle des Westdeutschen Fußball- und Leichtathletikverbandes (WFLV). Dort muss allerdings überprüft werden, ob bereits eine Spielberechtigung in einem anderen Land vorliegt. Je nach Herkunftsland lässt die Antwort jedoch schon mal auf sich warten. Erfolgt auf die Anfrage innerhalb von 30 Tagen keine Rückmeldung, wird in aller Regel ein provisorischer Spielerpass ausgestellt. Doch es kommt auch zu Verzögerungen. Die Erfahrung machten gleich einige Vereine aus der Region.

Training beim SV Kriegsdorf. Hier, beim Sportverein in Troisdorf, wird die Integration von Flüchtlingen großgeschrieben. "Als uns der Ortsvorsteher von Rotter See, Alfons Bogolowski, gefragt hat, ob die Flüchtlinge bei uns Fußballspielen können, haben wir nicht lange gezögert", so Klaus Wissenbach, ehemaliges Vorstandsmitglied und aktueller Flüchtlingsbeauftragter des Vereins. An diesem Abend spielen mehr als 30 Flüchtlinge auf der Anlage in Kriegsdorf. Das Training der großen Gruppe leitet ein Ehrenamtler. "Die Menschen wissen doch überhaupt nicht, was sie den ganzen Tag machen sollen. Sie sind froh, hier ihre Energien loszuwerden", so Wissenbach.

Das Potenzial, in der Startelf zu stehen, hätten sie allemal

Das Training als Integration - auf den Meisterschaftsbetrieb müssen die meisten warten. "Wer trainiert, will doch sonntags auch spielen", sagt Reiner Nickels, Coach der dritten Mannschaft. "Das ist bei allen Fußballern so, egal wo sie herkommen." In seiner Mannschaft trainieren an diesem Abend zwei Flüchtlinge. Spielberechtigt sind auch sie nicht. Das Problem: "Wenn irgendetwas mit den Unterlagen, die wir für die Spielberechtigung an die Passstelle nach Duisburg schicken, nicht stimmt, sind wir die Dummen. Dann werden uns sämtliche Punkte abgezogen", sorgt sich Wissenbach. "Die Flüchtlinge haben ja zum Großteil gar keine Dokumente bei sich." Das Potenzial, in der Startelf zu stehen, hätten sie allemal.

Amin Mahmoud Hassan trägt mit Stolz das gelbe Trikot mit der Nummer 2 des TuS Odendorf. Gegen die zweite Mannschaft des SV Niederbachem läuft er an diesem Sonntag zum zweiten Mal auf. "Die Flüchtlinge möchten nicht nur trainieren, sondern auch im Wettkampf dabei sein", sagt TuS-Trainer Kai Imsande. "Sie wollen die Mannschaft unterstützen, um auch ein Teil davon zu sein." Amin ist aus Somalia geflohen und fußballerisch beim TuS untergekommen. "Ich hoffe mal, ein großer Star zu werden", sagt er mit strahlenden Augen. "Erst einmal möchte ich aber ein großer Star in Odendorf werden."

"Das lange Warten erhöht natürlich den Frust"

Amin ist einer von vielen Flüchtlingen, die im Sommer nach Swisttal kamen. Gemeinsam mit anderen jungen Männern aus seinem Heim trainiert er nun in Odendorf. Spielberechtigt ist bislang nur er, obwohl gemeinsam mit seinem Antrag auch weitere Anfragen abgeschickt worden sind. "Das lange Warten erhöht natürlich den Frust", so Imsande. "Die anderen Flüchtlinge verstehen nicht, warum Amin schon spielen darf und sie noch nicht." Für die Verzögerung der Anträge gibt es von höchster Ebene eine Erklärung. "In den meisten Fällen dauert ein Verfahren etwa 30 bis 40 Tage, bis der antragstellende Verband die Spielberechtigung für den Spieler erhält", so ein Sprecher der Fifa auf GA-Anfrage. "Je nach Sachlage - etwa bei Minderjährigen oder bei der Erstregistrierung - kann es unter Umständen länger dauern, bis alle Dokumente vorliegen und die Spielberechtigung erteilt werden kann."

Für Klaus Wissenbach vom SV Kriegsdorf ist das zu viel Bürokratie. "Wenn man sich überlegt, dass diese Menschen Monate auf ihrer Flucht unterwegs waren, hier Monate verstreichen, bis die Unterlagen beisammen sind und dann noch auf den Pass warten müssen, dagegen ein deutscher Spieler, der keine Freigabe erhält, nach einem halben Jahr wieder kicken kann, dann kann ich mir nur an den Kopf fassen", sagt er. Für zwei, drei Spieler will man in Kriegsdorf dennoch eine provisorische Spielberechtigung beantragen. Weitere Verzögerungen sind bei diesem Vorgang nicht ausgeschlossen. "Man muss immer den konkreten Fall sehen", sagt der Medienreferent des WFLV, Roland Leroi. "Es ist immer sinnvoll, wenn beim Antrag explizit darauf hingewiesen wird, dass es sich um einen Flüchtling handelt", so Leroi. Sonst würden schon einmal Dokumente nachverlangt, die bei einem Flüchtling gar nicht zwingend erbracht werden müssen.

Die Fifa begründet: Schutz der Flüchtlinge führt zu längeren Prozedur

Eine andere Erfahrung musste da Mamadou machen. Der Zentralafrikaner kam Ende letzten Jahres zum Training des SC Widdig. Der Verein beantragte umgehend einen Spielerpass. Nach Angaben des C-Ligisten dauerte es mehr als zwei Monate, bis die Rückmeldung aus dem Herkunftsland kam. Erst dann stellte sich heraus, dass der junge Afrikaner noch in der A-Jugend spielen müsse und insofern eine Spielberechtigung für die Senioren nicht ausgestellt werden könne. Gerade die Anfragen in Krisengebieten wie Syrien oder Teilen Zentralafrikas bergen Überraschungen, vor allem aber auch gewisse Risiken. "In erster Linie müssen wir immer den Schutz der einzelnen Person wahren. Gerade bei Flüchtlingen können wir ja nicht einfach alle Daten preisgeben - das liegt auf der Hand", so der Fifa-Sprecher. "Deshalb kann die Prozedur länger dauern."

Interview mit WFLV-Präsident Hermann Korfmacher In manchen Fällen offenbar Monate. "Natürlich ist es unser höchstes Ziel, gerade im Sinne der Integration, die Menschen spielberechtigt zu machen", so der Sprecher der Fifa weiter. "Allerdings müssen die Transferreglements dabei immer befolgt werden." Damit ist Wissenbach nicht einverstanden. "Diese ganze Bürokratie spricht meiner Meinung nach gegen die Integration", sagt der Flüchtlingsbeauftragte des SV Kriegsdorf. "Wenn ich mir als Verband solche Programme auferlege, dann muss man diese von der Bürokratie entlasten. Da müssen sich Fifa und der Fußballverband ein wenig biegen."

Laut FVM-Vizepräsident Osnabrügge, versuche man, eine Lösung zu finden. "Der DFB setzt sich aktiv dafür ein, diese recht starren Regeln, die vom Regelfall des Wechsels von einem funktionierenden Staat in einen anderen ausgehen, für den Fall der Spielberechtigung von Flüchtlingen aufzuweichen. Bislang aber leider vergeblich." Über die Transferreglements hat sich Youssef noch keine Gedanken gemacht. Er will nur eins: spielen.

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