Para-Leichtathletik-EM Die Enttäuschung überwiegt bei Baldé

Bonn · Alhassane Baldé holt in Berlin Silber, hadert aber mit ausgelassenen Chancen. In Berlin traf der Bonner dann noch einen ganz besondere Gast: Seinen Vater, den er seit 17 Jahren nicht gesehen hat.

 Angriff auf neue Ziele: Alhassane Baldé von den SSF Bonn und sein Trainer Alois Gmeiner.

Angriff auf neue Ziele: Alhassane Baldé von den SSF Bonn und sein Trainer Alois Gmeiner.

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600 Kilometer liegen zwischen Berlin und Bonn. Mit dem Auto bleibt genug Zeit, die vergangenen Tage Revue passieren zu lassen, ein Resümee zu ziehen. Und das fällt bei Rennrollstuhlfahrer Alhassane Baldé und seinem Trainer Alois Gmeiner auf dem Rückweg von der Para-Leichtathletik-EM in Berlin eher durchwachsen aus.

„Im Moment überwiegt schon ein wenig die Enttäuschung“, sagt Baldé. Kein Wunder, der Bonner hatte sich nach den beiden Bronze-Medaillen bei der WM im vergangenen Jahr Chancen auf Edelmetall ausgerechnet – auf drei Strecken. Wenn alles perfekt läuft, sogar noch in der Staffel. Und tatsächlich begann die EM in Berlin nach Plan. Über die 5000 Meter fuhr der 32-Jährige auf den zweiten Rang, er musste sich nur hauchdünn dem Überflieger Marcel Hug geschlagen geben. „Das war schon ein perfekter Beginn“, so Baldé. „Aber unter dem Strich wäre so viel mehr drin gewesen.“

Ärgern über Entscheidung

Zum Beispiel über die 800 Meter. Denn auch auf Baldés „Kurzdistanz“ war eine Medaille zum Greifen nahe. Der Bonner lieferte sich einen packenden Endspurt mit dem Finnen Leo Pekka Tahti und dem Britten Nathan Maguire um Rang drei und fuhr tatsächlich als Dritter über die Ziellinie. Die Freude über Bronze währte aber nicht lange. Denn die britische Delegation hatte einen Regelverstoß von Baldé gesehen, Einspruch eingelegt und Recht bekommen. „Das ist schon eine Medaille, die gefühlt mir gehört“, so Baldé. „Aber das muss ich abhaken.“

Ärgerte sich der 32-Jährige beim zweiten Start noch über die Entscheidung der Rennkommissare, suchte er beim Start über die 1500 Meter den Fehler bei sich. „Ich hab' mich direkt nach dem Start falsch eingeordnet“, so Baldé. „So war ich früh im Wind. Dazu hat Marcel Hug immer wieder attackiert.“ Und auch Gmeiner sah das Unheil schon früh kommen. „Ich habe gedacht, ich traue meinen Augen nicht“, so der Coach. „Ich habe das schon geahnt und auch die gegnerischen Trainer haben da schon gejubelt.“ So fehlte dem Bonner im entscheidenden Sprint die nötige Kraft, die dritte Chance war dahin.

Treffen mit seinem Vater

Für Gmeiner nicht die einzige Enttäuschung. „Das mit Annika war natürlich auch anders geplant“, sagt der Coach. Annika Zeyen hatte bereits vor den Wettbewerben aus dem Wettkampf genommen werden müssen. „Sie hat einen Rückschlag erlitten, und der medizinische Stab hat sich gegen einen Start entschieden.“ Für zusätzlichen Frust sorgte die überschaubare Zuschauerzahl bei der EM. „Das ist extremst traurig“, sagt Baldé. „Vielleicht geht man in Berlin ein wenig unter, und eine kleinere Stadt wäre besser gewesen.“ Durch Freikarten waren hauptsächlich die Frühveranstaltungen besucht. „Das war schon schön. Die Kids haben das sehr positiv aufgenommen“, sagt Gmeiner. „Nachmittags war es dann eher leer.“

Ein besonderer Zuschauer hatte sich für Baldé aber doch in Berlin eingefunden – sein leiblicher Vater. „Das war schon interessant. Wir haben uns seit 17 Jahren nicht gesehen“, sagt der Bonner, der im Alter von fünf Jahren von seinem in Deutschland lebenden Onkel adoptiert wurde. „Wir hatten aber nicht viel Zeit. Vielleicht ergibt sich noch ein Treffen.“ Sein leiblicher Vater ist noch bis Ende September in Deutschland.

Falls die sechsstündige Autofahrt von Berlin nach Bonn nicht ausreicht, sollte spätestens bis dahin der Frust über die verpassten Medaillen vergessen sein. Immerhin ist Baldé Vize-Europameister und hat mit der WM im kommenden Jahr schon das nächste Ziel vor Augen.

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