Das Leben nach dem Bonner SC

Hans Viol war immer viel unterwegs. Aber in diesen Wochen ist er es noch mehr als sonst. Das Gespräch nimmt er in Kanada an: Auf die Frage, wie es ihm geht so ganz ohne Funktion und Einfluss beim Bonner SC, antwortet er: "Ich genieße mein Leben und arbeite mehr denn je."

Bonn. Hans Viol war immer viel unterwegs. Aber in diesen Wochen ist er es noch mehr als sonst. Das Gespräch nimmt er in Kanada an: Auf die Frage, wie es ihm geht so ganz ohne Funktion und Einfluss beim Bonner SC, antwortet er: "Ich genieße mein Leben und arbeite mehr denn je."

Fast 16 Jahre lang war Viol Vorsitzender und Mäzen des BSC. Der Unternehmer wollte die Fußballer des Klubs mit seinem Geld in die 2. Bundesliga hieven. Dieses Kapitel ist nun beendet. Der BSC hat das Insolvenzverfahren erfolgreich überstanden, am Freitag lief die Einspruchsfrist dagegen aus.

Der Klub ist bald ein schuldenfreier Landesligist (Bericht auf dieser Seite), Viols Nachrangdarlehen in Höhe von acht Millionen Euro existiert nicht mehr. Der BSC lebt - ohne Viol. Und Viol lebt ohne den BSC. Das ist die Geschichte von einem Fußballverrückten, der Gutes tun wollte und dabei das meiste falsch machte.

Der dem BSC ein Gesicht gab, aber kein Vertrauen erweckendes. Der unvorstellbar viel Geld aus seinem Privatvermögen zur Verfügung stellte, das stets zügig versickerte. Der sich wirklich engagierte, doch dabei seinen Ruf ruinierte. Bonner Unternehmen, die auf ein finanzielles Engagement beim BSC angesprochen wurden, blockten meist schnell ab: "Solange Viol da ist, nicht."

Das lag daran, dass seine Vita nie wirklich nachvollziehbar war, dass ihm stets etwas Chaotisches, Unseriöses anhaftete. Nach wie vor setzt sich sein Image aus einer Melange von Gerüchten, unüberprüfbaren Pseudo-Fakten und Tatsachen zusammen. Nordstadtkind, Fremdenlegion, Minen-Besitzer in Simbabwe, Firmensitz in Zug (Schweiz), heute in Vaduz (Liechtenstein) aktiv, dazwischen eine Insolvenz - das ist zumindest nicht der gewöhnliche Werdegang eines Unternehmers.

Manche Leute aus seiner Generation erzählen von bizarren Südstadtkneipen-Auftritten im Kampfanzug. Andere bezweifeln, dass er wirklich Viol heißt - Gerüchte. Er selbst nennt sich John, aber auf einem Steckbrief, den er 1995 vor seiner Wahl zum BSC-Vorsitzenden verteilte, steht: Hans-Robert Viol, geboren am 3. September 1946 in Bonn.

Als er damals von den Mitgliedern ins Amt gehoben wurde, war ein Versprechen erfüllt, das er sich selbst gegeben hatte: "Nach dem Lizenzentzug 1977 in der 2. Bundesliga Liga habe ich gesagt: Wenn ich eines Tages helfen kann, tue ich das." 1995, nachdem Viol in Afrika viel Geld gemacht hatte, war es so weit. Das Projekt hieß: zurück in die 2. Liga.

Natürlich weiß der 64-Jährige mittlerweile selbst, dass er grandios gescheitert ist. "Ich habe aber auch einen Haufen Pech gehabt", betont er. "Schon bei meiner Amtsübernahme hatte der BSC ja zwei Millionen Schulden, die mir vorher verheimlicht worden waren. Und dann war ich finanziell die ganze Zeit ein Einzelkämpfer." Mit ein wenig Abstand räumt er allerdings ein: "Einige Dinge hätte ich anders machen müssen."

Was soll er auch sagen, nachdem er in seiner Amtszeit dutzende Trainer und hunderte Spieler hat kommen und gehen sehen. Nachdem er in der 3. Liga anfing und der BSC jetzt in der 7. Liga einen Neuanfang startet. Nach Spielerstreiks. Nach etlichen Insolvenzanträgen gegen den Verein. Nach der spektakulären, aber ebenso in den Sand gesetzten Kuba-Aktion.

Wahrscheinlich beschreibt diese Geschichte am besten, wie Viol tickt. 1998 erzählte ihm sein Vorstandskollege Gerd Demann, man könne vielleicht den einen oder anderen kubanischen Nationalspieler zum BSC lotsen. Viol war Feuer und Flamme, wollte gleich die ganze Mannschaft verpflichten, reiste auf die Insel, verhandelte mit Politgrößen wie Leichtathletik-Olympiasieger Alberto Juantorena, entwarf bereits Pläne für ein BSC-Haus am Strand von Havanna und trat ein weltweites Mediengetöse los.

Doch zu Hause war die Sache schlampig vorbereitet. Der damalige Regierungspräsident und Kuba-Freund Franz-Josef Antwerpes witterte "Sklavenhandel" und torpedierte den Coup mit Erfolg. Viol war davon ausgegangen, dass die Kuba-Sache irgendwie zu regeln sei. Das ist seine Grundeinstellung zu allen Dingen.

Dass sie irgendwie zu regeln sind. Er konnte nicht verstehen, dass Spieler auf die Barrikaden gingen, wenn sie drei Monate kein Geld bekommen hatten und zu Hause die Stromrechnung nicht begleichen konnten. "Ich zahle doch bald", sagte er dann. Er konnte auch nicht wirklich nachvollziehen, weshalb sich sportgerichtliche Probleme nicht mit einer üppigen Spende in die Kaffeekasse lösen lassen sollten. Womöglich war er zu lange in Afrika unterwegs, um noch wie ein Mitteleuropäer zu denken.

Seinen Spielern gegenüber verhielt er sich wie ein Patriarch, mit allen schlechten, aber auch guten Seiten. Wer ihm die Treue hielt, den ließ er nämlich nie fallen. Zuweilen erwuchsen daraus ungewöhnliche Beziehungen wie die zu Max Lunga. Den holte er 1990 aus Harare (Simbabwe) zum BSC und gab ihm praktisch Familienanschluss. Lungas Kinder besuchten die hochbetagte Mutter Viol bis zu ihrem Tod.

Ging irgendetwas schief mit dem BSC - und das war eher die Regel als die Ausnahme -, konnte Viol sofort wieder auf Neustart drücken. Er ist in der Lage, sich die Wirklichkeit zurechtzubiegen, sonst wären die ganzen Angriffe, Vorwürfe und Forderungen nicht so an ihm abgeperlt. Auch jetzt scheint ihm das wieder zu gelingen. Ob er beim BSC gescheitert sei? "Ich habe alles probiert und muss mir nichts vorwerfen."

Ob er sein Geld sinnlos verpulvert habe? "Ich sehe das gelassen. Wir kommen alle nackt auf die Welt und verlassen sie auch nackt." Dennoch kümmert er sich gerade mit Enthusiasmus ums Geldverdienen. Nachdem er zuletzt einige Jahre lang Marmor und Granit nur vertrieb, produziert er jetzt wieder selbst. "Das wird gut laufen", glaubt er fest.

Im September erreicht er das Rentenalter, aber Ruhe oder gar Ruhestand gehören nicht zu seinem Vokabular. Kaum vorstellbar, dass er mal zu Hause sitzt und einfach nur ein Buch liest. Ganz vom Fußball lassen kann Hans Viol aber doch nicht. Auf Einladung des kubanischen Funktionärs Luis Hernandez war er zuletzt bei der U-20-WM in Kolumbien.

Man kann sich vorstellen, wie er dort die Jungtstars auf ihre BSC-Tauglichkeit taxierte. "Fußball, das ist ein Virus. Wie eine Krankheit", sagt Viol. "Aber ein Fußball-Projekt in Deutschland habe ich derzeit nicht. Es ist wirklich auch eine Erleichterung, beim BSC nicht mehr die Verantwortung zu tragen."

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