Aziz Acharki : "Plötzlich stand Muhammad Ali vor mir"

Auch wenn er nicht die erhoffte Medaille erkämpfte: Spiele von Sydney 2000 waren für den Bonner Taekwondoka das schönste Erlebnis - nicht nur wegen des Sports

Bonn. "Die besten Sportler der Welt, alle Kulturen, Hautfarben und Religionen friedlich zusammen für ein Event - das werde ich nie vergessen. Das hat mich mächtig beeindruckt." Wenn der Taekwondoka Aziz Acharki an die Olympischen Spielen in Sydney im Jahr 2000 denkt, dann sprudelt es nur so aus ihm heraus. "Abgesehen von der Geburt meiner Kinder, war das die ereignisreichste Zeit meines Lebens."

Und dabei war bis kurz vor Abflug gar nicht klar, ob er wirklich nach Australien durfte. "Ich hatte zwar einen Quotenplatz, aber ich brauchte noch einen Titel und durfte mich auf keinen Fall mehr verletzen", erzählt er. Doch die Angst war unberechtigt.

Acharki wurde noch im April 2000 Europameister in der Gewichtsklasse 68 Kilogramm. Jetzt gab's keine Diskussionen mehr. "Ab dem Moment dachte ich nur noch: Wann geht's endlich los?" Schon im Flugzeug nach Australien war der Kampfsportler nervös. "Ich kannte schon einige Sportler wie die Bonner Fechter Arnd Schmitt oder Wolfgang Wienand. Das machte es leichter, schaffte eine gute Atmosphäre." Nach langem Flug endlich die Landung in Sydney. "Da war für mich klar: Mein Traum ist in Erfüllung gegangen. Die freundlichen Menschen, die kitzelnde Atmosphäre, die unterschiedlichsten Kulturen kombiniert mit einem strahlend blauen Himmel, Strand und Meer. Das hat mich umgehauen."

Im Olympischen Dorf wohnte Acharki mit den Ringern in einem Haus. "Das war gewöhnungsbedürftig", sagt er. "Die Ringer haben gegessen, gegessen, gegessen, und ich musste zugucken, weil ich noch abzuspecken hatte, damit ich kämpfen darf." Das sei nicht so schön gewesen, weil er doch auch unheimlich gerne esse - am liebsten Schokolade. Aber darauf hätte er verzichten müssen und das sei schwer gefallen.

Dann, kurz vor Beginn der Spiele, passierte etwas, wovon Aziz sein ganzes Leben geträumt, aber was er nie für möglich gehalten hatte: "Ich kam gerade vom Training zurück ins Olympische Dorf, als eine große schwarze Limousine vor der Kantine vorfuhr. Plötzlich stieg Muhammad Ali aus. Ich konnte es nicht glauben. Der Mann, den ich vergötterte, den ich schon immer mal treffen wollte, stand plötzlich vor mir." Der gebürtige Marokkaner Acharki rief dem gläubigen Muslim Ali den Gruß "Salam aleikum" zu. Und der Amerikaner breitete seine Arme aus und umarmte den jungen deutschen Sportler. "Das war ein Gefühl, das ich mein ganzes Leben nicht vergessen werde. Ich mit der Legende Muhammad Ali auf einem Foto. Wow, mein Herz klopfte bis in den Himmel."

Als die Spiele endlich losgingen, stieg die Anspannung, aber auch die Freude. "Ich hatte eine super Auslosung erwischt, kämpfte mich leicht bis ins Halbfinale", erzählt Acharki. Dort traf er auf Steven Lopez aus den USA, den späteren zweimaligen Olympiasieger und dreimaligen Weltmeister. Den hatte Acharki bei der Qualifikation schon einmal geschlagen. "Aber dieses Mal war es ein Kampf auf des Messers Schneide. Ich gab alles, aber verlor 1:2." Aus seiner Sicht ein ungerechtes Ergebnis, "denn ich war mir sicher, dass mir Punkte nicht gegeben wurden, die mir zugestanden hätten". Der Bonner, der unbedingt die Goldmedaille wollte, konnte nun nur noch um Platz drei kämpfen. "Ich war im Kopf blockiert, dachte nur an den Fight mit Lopez", erinnert er sich. "Dadurch habe ich auch die anderen Wettkämpfe verloren."

Am Ende reichte es nur für Platz sechs. Acharki war tief enttäuscht, "aber", sagt er, "es waren trotzdem super tolle Spiele". Zuhause wurde der heute 36-Jährige begeistert empfangen. Freunde, Bekannte, Verwandte, Schüler und deren Eltern standen am Flughafen, jubelten, schwenkten Fahnen, hielten Banner mit seinem Namen hoch. "Das war überwältigend!"

Auch wenn Aziz Acharki eine Medaille bei den Olympischen Spielen verwehrt blieb, einen besonderen Titel kann er vorweisen: 1995 wurde er Weltmeister. "Und seitdem hat das kein Deutscher mehr geschafft", sagt er stolz. Außerdem sei er in seiner Heimat Marokko ein Star. 1996 war Acharki beim damaligen König Hassan II., zugleich Amir Al Mu' minino, geistlicher Führer der Marokkaner. Eine hohe Ehre für den Athleten. "Ich, Aziz, hatte den König getroffen - Wahnsinn!"

Im Jahr 2004 verabschiedete sich Aziz Acharki als deutscher Meister aus der aktiven Laufbahn. Seitdem ist er Nachwuchstrainer für Taekwondo in NRW und kümmert sich um seinen Verein Olympic Taekwondo Club Bonn e.V. in Bad Godesberg, der auch Landesleistungsstützpunkt ist. "Bei mir bereitet sich gerade Mouna Benabdelrassoul aus Marokko auf die Spiele in Peking vor", berichtet er. "Das erinnert mich an schöne, alte Zeiten..."

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