GA-Serie "Auf dem Weg nach Rio" Yanna Schneider: Wenn nicht Rio, dann Tokio

Bonn · Nach der verpassten Qualifikation für die Olympischen Spiele 2016 in Brasilien setzt sich die Bonner Taekwondo-Kämpferin Yanna Schneider neue Ziele. Auf dem Programm steht zunächst die EM an diesem Wochenende, Fernziel sind nun die Spiele 2020 in Japan.

Zum Schreien war Yanna Schneider im Laufe des letzten Jahres häufiger zumute. Nicht immer aus Freude, so wie hier nach ihrem Erstrundensieg bei der WM 2015.⋌FOTO: GA-ARCHIV

Zum Schreien war Yanna Schneider im Laufe des letzten Jahres häufiger zumute. Nicht immer aus Freude, so wie hier nach ihrem Erstrundensieg bei der WM 2015.⋌FOTO: GA-ARCHIV

Foto: GA

Blaue und rote Matten, ein großer Spiegel, Sandsäcke, Hightech-Geräte. Noch wenige Tage vor der Abreise zur Europameisterschaft in Montreux hat Yanna Schneider in dem brandneuen Spitzensportzentrum des TKD Swisttal trainiert. Nach monatelanger Bauphase ist das neue Herzstück des Vereins in Buschhoven nun fertig geworden. Anstatt tristem Turnhallenflair, nun also ein leistungsorientierter Stützpunkt für die jungen Taekwondo-Hoffnungsträger. „Es ist unsere neue Heimat“, sagt Schneider. „Es macht Vieles einfacher. So kann man zum Beispiel ganz spontan eine Trainingseinheit einschieben, einfach mal am Wochenende trainieren.“ Neue Trainingshalle – neue Motivation?

Für eine kurze Phase war es mit der Motivation bei Schneider nämlich so eine Sache. Ausgebootet vom Bundestrainer Carlos Esteves an Heiligabend, der stille Traum von den Olympischen Spielen in Rio ausgerechnet an Weihnachten geplatzt. „Natürlich haben wir auf Rio gehofft“, sagt die Bonnerin. „Aber wir wussten immer, dass meine Konkurrentinnen Rabia Gülec und Anna-Lena Frömming eigentlich die besseren Karten hatten.“ Sich kampflos geschlagen geben, steht nicht in Schneiders Matchplan. Sie hat sich der Herausforderung mit den anderen beiden Kader-Athletinnen gestellt, um dann letztlich doch den Kürzeren zu ziehen. „Es gibt doch noch viele andere Ziele“, sagt Schneider, für die der Traum Olympia noch lange nicht abgehakt ist. „Rio war möglicherweise einfach zu früh“, gesteht sich die 20-Jährige ein. Die Spiele 2020 in Tokio seien aber ein weiteres Ziel.

Spurlos ist die Ausbootung an der Studentin der Wirtschaftspsychologie nicht vorbeigegangen. Esteves hatte Schneider an Heiligabend in wenigen Zeilen per Mail die Nichtberücksichtigung präsentiert. Menschlich war sie enttäuscht, doch die Bonnerin tat wohl das einzig Richtige. Sie machte eine sportliche Pause. Luft holen, einfach mal durchatmen. Statt Taekwondo-Outfit, Zipfelmütze und Snowboard. Dann standen auch noch wichtige Klausuren auf dem Studienplan.

Doch schon bald juckte es wieder in den Fingern. Jetzt ist Schneider zurück auf der Matte. Und das erfolgreich. Medaillen bei den Luxor, Slowenian und German Open. Dazwischen noch Trainingslager in der Türkei und in Köln. Nun die Europameisterschaft in der Schweiz. „Montreux ist schon eine sehr schöne Stadt“, schwärmt die Taekwondoka. „Nur extrem teuer“. In Montreux ist Schneider als Kaderathletin dabei. Natürlich ebenfalls in der Schweiz: Bundestrainer Esteves. Nach den Vorkommnissen im Winter eine besondere Herausforderung, aber eine Lösbare. „Sportlich können wir professionell zusammen arbeiten“, sagt die 20-Jährige. „In allen anderen Dingen merkt man aber schon eine gewisse Distanz.“

Daher ist Schneider froh, dass ihr Heimtrainer Dimitrios Lautenschläger mit in der Schweiz ist. Mit ihm hat sie versucht, das Optimale aus einer zu kurzen Trainingsphase vor der EM zu holen. „Ich rechne mir nicht wirklich viel aus“, sagt Schneider. „Die Vorbereitung lief alles andere als optimal.“ Kehlkopfentzündung, Magen-Darm-Virus, Grippe - immer wieder musste sie aufgrund von Krankheiten pausieren, die Hilfe bei der Organisation des Presidents Cup sowie beim Bau der neuen Halle trugen auch nicht zur optimalen Vorbereitung bei. Und im Hinterkopf spielt die besondere Weihnachtsüberraschung dann doch noch eine Rolle. „Ich habe schon gemerkt, dass ich mir in vielen Dingen nicht mehr so sicher bin“, sagt sie. „Ich stand manchmal auf der Matte und wusste einfach nicht mehr, wie ich auf die Aktion des Gegners reagieren sollte.“

Ein klärendes Gespräch hat es bis heute nicht gegeben. Obwohl die Chance durchaus da war. „Ich war ja mit dem Bundeskader mehrfach unterwegs. Wir arbeiten sportlich professionell zusammen“, sagt sie. „Mehr nicht.“ Seit Mittwoch drückt Schneider ihren Teamkollegen des Bundeskaders die Daumen, bevor es dann am Sonntag für die 20-Jährige auf die Matte geht. „Die ganze Arbeit im vergangenen Jahr hat sich schon gelohnt“, sagt Schneider. „So bin ich gesetzt und es kann je nach Tagesform bei der EM weit gehen. Vor meinem WM-Titel habe ich auch nicht viel besser trainiert.“ Zweckoptimismus? Den hat die Bonnerin nicht nötig. Sie weiß, was sie kann. Und ein gutes Omen hat es in ihrer neuen Heimstätte auch gegeben. „Als wir vor wenigen Tagen nach dem Training noch in der Halle saßen und etwas getrunken haben, hat die Sonne so schön Golden durch die Fenster geschienen“, erzählt sie. „Für uns war das schon ein besonderes Zeichen.“

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