Kugelstoß-Riese Fred Schladen Bonns stärkster Mann wird 75

BONN · Das Leben besteht manchmal aus Zahlen, bei Ferdinand Schladen, den alle nur Fred nennen, sowieso: 2,03 - 20,40 - 300 - 125 - 75. Alles klar?

 In typischer Pose: Das Kugelstoßen war die Paradedisziplin von Fred Schladen. Er war allerdings auch ein guter Diskuswerfer. Die Statue bekam er von Freunden aus dem 300er Club geschenkt.

In typischer Pose: Das Kugelstoßen war die Paradedisziplin von Fred Schladen. Er war allerdings auch ein guter Diskuswerfer. Die Statue bekam er von Freunden aus dem 300er Club geschenkt.

Foto: MLH

Fangen wir passenderweise mit der letzten Zahl an: Schladen, der beste Kugelstoßer und Diskuswerfer, den Bonn je hatte, wird am Samstag 75 Jahre alt. Das sieht man dem 2,03 Meter großen Mann nicht an, der beim Kugelstoßen auf eine Rekordweite von 20,40 Meter kam und damit 1972 einen deutschen Rekord aufstellte. Mit dem Diskus liegt seine Bestleistung bei 56,40 Meter.

Schladen ist immer noch fit, trainiert jeden zweiten Tag. Man trifft ihn nach wie vor auf der Werferwiese am Sportpark Nord, wo er fast sein ganzes Leben mit Sport verbracht hat. Als Athlet und als städtischer Angestellter im Sportpark, wo er bis vor 15 Jahren als Hallenmeister arbeitete. Doch die letzten Jahre waren nicht einfach für ihn. Als vor zweieinhalb Jahren seine Frau Vera starb, fiel er in ein Loch. Dann traf er zufällig seine heutige Lebenspartnerin Uschi in einem Café in Duisdorf, die gleich alt ist und ein ähnliches Schicksal meistern musste. "Da habe ich noch mal ein Riesenglück gehabt", sagt er. Sie hatte ihn in dem Café angesprochen, wie es viele tun: "Sind Sie aber groß. . . " So kam man ins Gespräch.

Vor eineinhalb Jahren zog er von Alfter zu ihr nach Lessenich und lebt seitdem auch in dem schmucken Bungalow. Erste Amtshandlung: Im Partykeller richtete er sein eigenes Kraftstudio ein. Und schafft mit 75 Jahren immer noch ein Pensum, von dem andere nur träumen: Bankdrücken mit 125 Kilo Zuladung sind noch drin - das ist sein eigenes Körpergewicht. In seinen besten Werferjahren wog Schladen 130 Kilo und konnte 212 Kilo nach oben wuchten. Der Waaahnsinn.

Auch heute bestimmt Krafttraining noch einen Teil seines Lebens, alle zwei Tage zumindest. "Ich bin danach zwar jedes Mal platt und muss mich zum Krafttraining immer wieder neu überwinden. Aber es hilft." Auch wenn er zu Kugelstoß-Wettkämpfen antritt - inzwischen in der Senioren-75-Klasse, wo er mit der leichteren 4-Kilo-Kugel noch über 14 Meter schafft und heiß ist auf den Weltrekord (14,36 Meter) - fällt das nicht immer leicht. "Im Alter geht die Schnellkraft zurück und die Beine haben weniger Muskulatur zum Angleiten." Da merkt man dann die Zahl 75.

Aber ohne Sport, das hat er schon in jüngeren Jahren erfahren, ginge es ihm nicht so gut. Nach einem Bandscheibenvorfall ist Schladen zu 50 Prozent schwerbehindert. Nach Siegen zeigt er den Gegnern gerne mal seinen Schwerbehinderten-Ausweis und lacht: "Gegen so einen verliert ihr. . ." Aber im Ernst: Die Rückenschmerzen gingen ohne OP weg, nur durch Krafttraining. Ansonsten erfreut er sich bester Gesundheit, abgesehen von gelegentlichen Migräne-Anfällen. "Dann trinke ich zwei Tassen Kaffee, und sie sind wieder weg."

Überhaupt ist Bonns stärkster Mann ein positiv denkender Typ, ein Gemütsmensch sowieso. Wenn jemand über seine Größe Witze macht, juxt er mit und sagt: "Ich werfe eben einen großen Schatten." Im Kino rufen die Leute ihm zu: "Hinsetzen." Dann sagt er: "Ich sitze schon." Im Theater spielte er in 96 Vorstellungen den Riesen beim "Tapferen Schneiderlein", danach auch Rollen bei der Oper Bonn - immer den großen und starken Mann.

Die Körperlänge hat ihm im Sport viele Vorteile verschafft. Dabei habe er sich alles selbst beibringen müssen, weil er keinen Trainer wie die anderen Athleten hatte. Das war dem Deutschen Leichtathletik-Verband 1972 alles sehr suspekt: Man nahm ihn nicht mit zu den Olympischen Spielen, obwohl er damals der beste deutsche Kugelstoßer war. "Die haben mich verschaukelt und nachher versucht, das mit Geschenken, Klamotten und einer Weltreise wieder gutzumachen."

Dabei war Schladen zu dieser Zeit Weltklasse. Und das ohne verbotene Substanzen, sagt sein Freund und Ex-Trainingspartner Wolfgang Knüll, der Schladen damals als Medizinstudent drastisch über die Risiken des Dopings aufklärte. "Und dass es Lebensjahre kosten würde. Zudem hätten wir auch nicht gewusst, wie man an solche Sachen kam."

In der Kugelstoßer-Szene sei längst bekannt, dass Schladen unter diesem Umständen einer der weltbesten Stoßer war, wenn nicht der weltbeste seiner Zeit. Der Lohn: Von 1962 bis 1979 gehörte er ununterbrochen der Nationalmannschaft an. In Bonn dagegen galt er lange nicht viel: Ein ehemaliger Sportamtsleiter wollte ihm für eine Europameisterschaft nicht dienstfrei geben, was einen Sturm im deutschen Blätterwald auslöste. "Und am Tag nach Wettkämpfen musste ich schon wieder zum Dienst antreten. Der hatte mich einfach auf dem Kieker."

Trotzdem: Durch den Sport kam Schladen viel rum, besuchte Südamerika, Indien und die Sowjetunion, lernte tolle Athleten kennen. Auch in Bonn: "Das war damals ja die große Zeit der Leichtathleten, Schwimmer und Fechter. Wir haben im Sportpark Nord alle zusammen im Kraftraum trainiert. Diese vielen Athleten haben mich vorangebracht."

Als Rentner geht es dem stärksten Mann Bonns gut. Er ist Vegetarier, fährt Smart, in den er trotz seiner Körpermaße hineinpasst, lebt gesund. Und wird am Samstag bei der Geburtstagsfeier seine alten Freunde aus dem 300er Club wiedersehen. Diese Zahl gilt es noch nachzutragen: In diesen Club kommt nur rein, wer es beim Bankdrücken einmal über 300 Pfund geschafft hat.

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