Olympischer Stichtag Salt Lake City: Das Olympia-Märchen

Salt Lake City · Steven Bradburys Karriere ist von schweren Verletzungen begleitet. Zwei Mal entgeht der Shorttracker dem Tod nur knapp. Doch der Australier gibt nicht auf und wird 2002 für seine Mühen belohnt.

Nein, die Glücksgöttin hat Steven Bradbury nicht so wirklich geküsst. Zumindest nicht bis zum diesem 16. Februar 2002. Der Shorttrack-Läufer gewinnt zwar mit der Staffel 1994 in Lillehammer die erste Olympische Medaille Australiens bei Winterspielen, doch ansonsten hat er ausschließlich Glück im Unglück. Seine Karriere ist von schweren Verletzungen überschattet.

Bradbury gilt als unglaubliches Talent. Und er hat ein Ziel: Er will die erste Goldmedaille für Australien bei Olympischen Winterspielen gewinnen. Auch wenn er zu den besten des Landes gehört, kommt er bei den Spielen in Albertville 1992 als 18-Jähriger nicht über die Rolle des Edelreservisten hinaus. Zwei Jahre später soll sich das ändern. In Lillehammer startet er in der Einzelkonkurrenz, läuft aber unter ferner Liefen und scheidet bereits in einem Vorlauf aus. Doch er ordnet alles seinem Traum unter und arbeitet hart.

Fortan gehört er zu den Top-Läufern. Doch Bradbury schwimmt nur kurz auf der Erfolgswelle. Bei einem Meeting in Montreal 1995 stürzt der Hoffnungsträger. Es kommt zu einer folgenschweren Kollision. Bei einem Sturz trifft ihn die Kufe eines Kontrahenten. Sein Oberschenkel wird aufgeschlitzt, eine Arterie verletzt, der Quadrizeps durchtrennt - bei einem Pulsschlag von 200. Bradbury verliert mehr als fünf Liter Blut. "Ich habe mir nur gedacht, wenn ich jetzt das Bewusstsein verliere, werde ich sterben", sagt er später in einem Interview. Sein Bein wird mit mehr als 100 Stichen genäht.

Doch Bradbury ist ein Kämpfer. Monatelang darf er seinen Fuß nicht belasten, den Muskel nicht anspannen. Durch hartes Training findet er den Weg zurück in den Sport. Er schafft es sogar zu den Olympischen Spielen nach Nagano, ist aber nicht konkurrenzfähig. Also will er bei den Spielen in Salt Lake City einen weiteren Versuch starten. Doch gut anderthalb Jahre vor der Eröffnungsfeier erleidet er die nächste Verletzung. Bei einem Sturz in die Bande zieht er sich Frakturen im vierten und fünften Halswirbel zu. "Die Ärzte sagten mir, ich werde nie wieder auf die Eislaufbahn zurückkehren. Aber das war keine Option für mich", sagt er später. Bradbury will endlich zeigen, was er kann.

Er kämpft sich wieder zurück und nimmt tatsächlich an seinen dritten Spielen teil. Doch Bradbury scheint auch dieses Mal nicht mit den Top-Favoriten mithalten zu können. Im Viertelfinale scheitert er als Drittplatzierter. Zunächst. Dann wird der Kanadier Marc Gagnon disqualifiziert und Bradbury erreicht die Vorschlussrunde. Dort hat er ein weiteres Mal Glück, als vor ihm ein Athlet stürzt und er mit Mühe als Zweiter das Finale erreicht. Im Endlauf ist die Konkurrenz endgültig zu stark. Bradbury muss abreißen lassen. Es entsteht eine Lücke von fünf Metern - im Shorttrack eine Welt. Doch an diesem Tag meint es das Glück gut mit Bradbury. Wenige Meter vor dem Ziel straucheln die Favoriten, wie Domino-Steine kegeln sie sich gegenseitig vom Eis. Nur Bradbury ist zu weit entfernt. Und somit ist es der Australier, der schließlich die Arme hochreißt. Steven Bradbury gewinnt die erste Olympische Goldmedaille für Australien bei Winterspielen. "Für einen Moment habe ich überlegt, ob ich die Medaille überhaupt annehmen soll", sagt er. "Aber ich habe sie mir verdient. Nicht für die 90 Sekunden an diesem Tag, aber für die zwölf Jahre auf dem Weg dorthin."

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