“Risiko ist noch zu hoch“ Kölner Sportmediziner sieht Öffnung von Fitnessstudios kritisch

Bonn · Der Sportmediziner Wilhelm Bloch von der Deutschen Sporthochschule Köln sieht die Öffnung von Fitnessstudios und Sportanlagen im Interview kritisch: „Das Risiko ist aktuell einfach noch zu hoch.“

 Unter strengen Hygiene- und Abstandsregelungen dürfen Fitnessstudios ab diesem Montag wieder öffnen.

Unter strengen Hygiene- und Abstandsregelungen dürfen Fitnessstudios ab diesem Montag wieder öffnen.

Foto: dpa/Jean-Christophe Bott

Freizeit- und Hobbysportler können wieder langsam mit ihrem Training beginnen: Ab dieser Woche öffnen in Nordrhein-Westfalen Fitnessstudios und Sportanlagen. Auch Kontaktsportarten sollen noch in diesem Monat wieder betrieben werden dürfen. Mit dem Kölner Sportmediziner Wilhelm Bloch sprach Simon Bartsch über die Risiken dieser Lockerungen.

Herr Professor Bloch, die Landesregierung hat am Mittwoch viele Vereinsvertreter überrascht. Ab Montag öffnen bereits Fitness- und Krafträume, auch Sporthallen wieder, schon bald kommt es zum Wettkampfsport. Kommt diese Lockerung zu früh?

Wilhelm Bloch: Ja. Ich hätte mir gewünscht, dass die Lockerungen erst später und anders abgestuft in Kraft treten. Im Gesamtkonzept sind diese Maßnahmen einfach nicht nachvollziehbar. Das Risiko ist aktuell einfach noch zu hoch.

Da gibt es auf der einen Seite die Abstandsregeln, auf der anderen Seite soll aber ab dem 30. Mai wieder Kontaktsport stattfinden. Ein Widerspruch.

Bloch: Das ist eine absolut falsche Entscheidung. Wie will man das denn kontrollieren? Es sind Kontaktsportarten. Das heißt, es gibt Kontakt. Man kommt sich sehr nah, zu nah. Sei es beim Fußball oder beim Hockey. Das kann ich überhaupt nicht nachvollziehen.

Der Profifußball macht es aber ab dem 16. Mai vor.

Bloch: Auch das ist nicht nachzuvollziehen. Die Sportler werden einem hohen Risiko ausgesetzt, das sogar zum Karriereende führen kann. Zumal es keine vollständige Quarantäneregelung gibt. Sie sind zu einer Seite offen für das Virus, haben auf der anderen Seite direkten Kontakt zu anderen Spielern. Der Verlauf kann vier bis fünf Tage asymptomatisch verlaufen. Zu dieser Zeit geschehen aber 50 Prozent der Übertragungen.

Immerhin werden die Profis getestet. Im Amateurbereich gibt es keine Tests.

Bloch: Wir können nur dazu raten, dass Amateursportler mit Symptomen sich richtig durchchecken lassen, bevor sie wieder mit dem Sport beginnen. Das Virus greift die kleinsten Gefäße an. Zum Beispiel in der Lunge. Das merkt man gar nicht. Aber wenn beispielsweise drei Prozent angegriffen sind, kann das schwere Folgen für die sportliche Karriere haben. Daher: Jeder, der positiv getestet wurde, sollte diverse klinische Untersuchungen machen lassen, bevor er wieder moderat mit dem Sport beginnt. Bei Sportlern mit Symptomen würde ich vier Wochen Pause empfehlen.

Bei etwas mehr als 20 Prozent der Menschen gibt es allerdings keine Symptome. Man kann also nicht ausschließen, dass man das Virus in sich trägt. Man kann aber doch auch nicht per se Sport verbieten?

Bloch: Es gibt schon ein gewisses
Risiko bei einem scheinbar asymptomatischen Verlauf – man weiß nicht so genau, ob es den zu 100 Prozent gibt. Mit dieser Frage beschäftigen wir uns zurzeit ausgiebig. Sollte aber ein Verdacht vorliegen, sollte man sich klinisch untersuchen lassen.

Viele Sportgroßveranstaltungen sind vorerst auf das kommende Jahr verlegt worden. In Anbetracht der neuen Lockerungen viel Zeit. Reicht die? Wird es Olympische Spiele 2021 geben?

Bloch: Wenn es so bleibt, wie es jetzt ist: Wir haben also keinen Impfstoff, keine wirklich wirksame Medizin, ein relativ hohes Maß an Infizierten, dann sehe ich die Spiele schon in Gefahr. Man kann nicht 200 Nationen mit unterschiedlichem Virus-Vorkommen zusammenholen. Ich befürchte, dass dann die Spiele abgesagt werden müssen.

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