Leichtathletik-EM in Berlin Gina Lückenkemper: Ich weiß nichts mehr vom Silberlauf

Berlin · Gina Lückenkemper hat bei der Leichtathletik-EM die Silbermedaille gewonnen. Im GA-Interview beschreibt sie, wie sie den Lauf im Berliner Olympiastadion erlebt hat.

 07.08.2018, Gina Lückenkemper jubelt bei der Leichathletik-EM in Berlin über Silber im 100-Meter-Sprint

07.08.2018, Gina Lückenkemper jubelt bei der Leichathletik-EM in Berlin über Silber im 100-Meter-Sprint

Foto: Michael Kappeler

Gina Lückenkemper ist nicht satt. Am Sonntag will sie mit der deutschen Sprintstaffel in Berlin ihre zweite EM-Medaille gewinnen. Im Gespräch mit Berthold Mertes beschreibt die 21-Jährige vom TSV Bayer 04 Leverkusen, was der Lauf zum 100-Meter-Silber in ihr auslöste – und, was sie zu Vergleichen mit Katrin Krabbe sagt.

Frau Lückenkemper, mit einem Tag Abstand: Wie haben Sie Ihren Lauf zur Silbermedaille empfunden?

Gina Lückenkemper: Vom Lauf selbst weiß ich gar nichts mehr. Ich habe den totalen Filmriss - null Erinnerung an das, was während des Rennens passiert ist. Von den Bahnen neben mir habe ich absolut nichts wahrgenommen.

Wie war es vor und hinter dem Tunnel?

Lückenkemper: Ich wusste, dass Einiges möglich sein würde, weil ich ein Wettkampftyp bin. Dann der Rückenwind von den Zuschauern, das puscht mich enorm. Im Vorfeld hatte ich mir oft vorgestellt, wie es im Olympiastadion sein könnte. Aber so geil, wie es letzten Endes war, kann man es sich nicht vorstellen.

Beschreiben Sie es mal!

Lückenkemper: Meine letzte Erinnerung vor dem Startschuss ist, dass ich in den Block gegangen bin und jemand in die Stille gebrüllt hat: „Lük-ken-kem-per. Dann habe ich nur gedacht: Jaaaah!

Und nach den 10,98 Sekunden?

Lückenkemper: Als ich mich ins Ziel warf, merkte ich, dass ich vorne dabei war und hoffte, dass es irgendwie für eine Medaille gereicht hat. Als ich es realisierte, war es ein unglaublich geiles Gefühl.

Sie verzichten auf die 200 Meter, um in der Staffel alles geben zu können.

Lückenkemper: Das Ziel, das wir alle vor Augen haben, ist auch hier eine Medaille. Kein einfaches Ziel, die anderen Nationen sind verdammt stark. Man muss sich nur die Besetzung des 100-Meter-Finales anschauen: Zwei Französinnen, zwei Britinnen und zwei Niederländerinnen – und ich als einzige Deutsche. Das wird hochspannend am Sonntag.

Haben Sie Ihr Silber ein wenig gefeiert?

Lückenkemper: Der Abend war verdammt lang. Erst der Marathon durch den Fragenwald der Journalisten, dann der Dopingtest und ein kurzer Besuch im EM-Club des Leichtathletik-Verbandes – erst um halb drei war ich im Hotel. Wirklich feiern konnte ich nicht, weil ich dafür viel zu platt war. Schon in der Dopingkontrolle hätte ich am liebsten nur noch geschlafen.

In fast jedem Beitrag über Sie taucht auch der Name Katrin Krabbe auf. Wie erklären Sie den Menschen, dass Ihre Leistung sauber ist?

Lückenkemper: Ganz einfach: Ich könnte meinem Körper und meinem Gewissen Doping niemals zumuten. Meinen Körper mutwillig und wissend zu zerstören für eine Medaille - das ist es mir einfach nicht wert.

Sie schöpfen noch nicht alle Trainingsreserven aus, laufen trotzdem schon unter elf Sekunden. Werden Sie noch schneller, wenn Sie mehr trainieren?

Lückenkemper: Ich glaube nicht, dass wir die Umfänge von aktuell fünf bis sechs Trainingseinheiten pro Woche stark erhöhen müssen. Man darf nicht außer Acht lassen, dass ich keine Langstreckenläuferin bin. Die Sprintermuskulatur benötigt einfach Regenerationszeit. Die kriege ich nicht, wenn ich elf Trainingseinheiten die Woche mache.

Welche Stellschrauben gibt es?

Lückenkemper: In der Trainingsintensität habe ich noch Reserven - und auch bei der Reaktionszeit im Block bekanntlich Steigerungspotenzial. Aber ich habe keinen Plan davon, wo es zeitlich noch hingehen kann. Schade wäre es bloß, wenn ich mit 21 Jahren schon im Zenit angekommen wäre und wüsste, dass ich nicht mehr schneller werden kann.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort