Leichtathletik-EM Hochsprung "Geile Show": Überflieger Przybylko springt ins EM-Glück

Berlin · Als erst zweiter deutscher Hochspringer nach Dietmar Mögenburg holt Mateusz Przybylko EM-Gold. Mit einer makellosen Gala erfüllt sich der Überflieger seinen Traum von einer Ehrenrunde. Nun soll der Rekord eines anderen berühmten Vorgängers fallen.

 Mateusz Przybylko feiert seinen Sieg im Hochsprung bei der EM.

Mateusz Przybylko feiert seinen Sieg im Hochsprung bei der EM.

Foto:  Bernd Thissen

Mateusz Przybylko atmete tief durch, musste einmal schlucken und wischte sich dann über die tränennassen Augen. Keine 24 Stunden nach seiner Gänsehaut-Show erhielt der Hochsprung-Überflieger im Berliner Olympiastadion tief ergriffen das verdiente EM-Gold.

"Ich bin immer noch auf 180. Ich kann es immer noch nicht glauben, dass ich Europameister geworden bin", berichtete der 26-Jährige am Sonntagabend in der ARD. "Mein Handy ist fast explodiert. Ich habe in einer halben Stunde wohl 500 Nachrichten bekommen, und dann habe ich mir gedacht: du machst es am besten wieder aus."

Für eine Karriere als Profifußballer wie sein Bruder Kacper war Mateusz schon immer zu lauffaul. Der 400 Meter langen Ehrenrunde als Europameister hatte er aber schon sein ganzes Sportlerleben entgegengefiebert - und genoss die Jubelfeier umso mehr. "Es war immer mein Traum, ich wollte immer eine Goldmedaille und mit der Fahne laufen", schwärmte der Leverkusener nach seinem überraschenden Gold-Coup. "Geile Show, die ich gemacht habe, oder?"

Das sahen auch die 60.500 Zuschauer so, bejubelten den Siegsprung lauter als fast jedes Hertha-Tor. Bei seinem makellosen Gala-Auftritt überwand Przybylko alle Höhen bis einschließlich der goldbringenden 2,35 Meter im ersten Versuch und holte damit den erst zweiten EM-Titel eines deutschen Hochspringers nach Olympiasieger Dietmar Mögenburg 1982.

"Das wird wohl auch noch ne Woche dauern, bis ich das realisiert habe: Du gehörst jetzt zu Namen wie Carlo Thränhardt - ich, Mateusz Przybylko", sagte er auch am Sonntagmittag noch ungläubig. Przybylko habe einen "perfekten Wettkampf" gezeigt, lobte Legende Thränhardt. "So kannst du auch bei der WM oder Olympia gewinnen."

Schon bei der Hallen-Weltmeisterschaft in Birmingham bewies der Sportsoldat dieses Frühjahr mit dem Gewinn der Bronzemedaille sein Weltklassepotenzial. Dass ihm damals von den Organisatoren eine Ehrenrunde noch untersagt worden war, nahm er nur noch als weiteren Ansporn für die Heim-EM. In der Halle hatte Anfang März der Russe Danil Lyssenko Gold gewonnen, aber anschließend sein Startrecht als neutraler Athlet vor der EM verloren, weil er nicht über seine täglichen Aufenthaltsorte für mögliche Dopingtests in der Trainingsphase informiert hatte.

Przybylko nutzte die unerwartete Chance eiskalt. "Er war so fokussiert. Man hat gespürt, das sollte sein Wettkampf sein. Er war unter Feuer", lobte der deutsche Cheftrainer Idriss Gonschinska. "Als er ins Stadion kam, wusste ich: Er macht das. So eine Dynamik, ein optimales Timing, er war fantastisch."

Mit der WM-Medaille und dem EM-Triumph hat Przybylko nun zwei Karriereziele abgehakt - einen dritten Traum verfolgt er noch weiter. "Bald will ich den deutschen Rekord, das ist machbar", kündigte der selbstbewusste gebürtige Bielefelder an.

Einmal ließ der neue Europameister auch in Berlin nach Bestätigung seiner persönlichen Bestleistung noch die 2,38 Meter auflegen. Damit würde er die nationale Bestmarke von Thränhardt um einen Zentimeter übertreffen. "Ich hatte aber bei jedem Sprung 200 Prozent gegeben, da war dann die Luft raus", begründete er, warum er es nur einmal versuchte. Thränhardt sieht den Europameister in der Lage, seine 34 Jahre alte Bestmarke zu verbessern. "Nach dem Wettkampf traue ich es ihm zu", sagte der 61-Jährige der Deutschen Presse-Agentur. "Irgendwann wird das Ding auch fällig. Ich gönne es ihm."

Przybylkos linken Oberarm ziert eine Tätowierung mit der Aufschrift "mi familia" ("meine Familie"). Przybylko hat polnische Eltern, der ein Jahr jüngere Kacper spielte zuletzt als Fußballprofi beim 1. FC Kaiserslautern. "Meine Brüder waren immer so auf den Ball fixiert", berichtete Mateusz über seine sportliche Sozialisation. "Ich mag es aber nicht so gerne zu laufen." An die Ehrenrunde könnte er sich allerdings gewöhnen, wenngleich er während des anschließenden Fernsehinterviews einen Krampf bekam.

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