Die Erfindung von Basketball Ein Spiel, das süchtig macht

Der Schnee war an allem schuld: Vor 125 Jahren erfand James Naismith im amerikanischen Springfield den Sport mit dem Basketball. Zum Start flogen die Bälle noch in Pfirsichkörbe - die damals genauso hoch hingen wie heute.

 Vielleicht der vollkommenste Basketballer aller Zeiten: „His Airness“ Michael Jordan im roten Chicago-Bulls-Trikot mit der legendären Nummer 23 beim Auswärtsspiel gegen die Philadelphia 76ers im März 1996. Seine Sprungkraft, seine Schnelligkeit, seine elegante Ballbehandlung, seine atemberaubende Treffsicherheit, sein Charisma, nicht zuletzt auch seine Arroganz machten ihn zwischen 1984 und 2003 zum Alptraum für jeden Gegenspieler in der US-Profiliga NBA.

Vielleicht der vollkommenste Basketballer aller Zeiten: „His Airness“ Michael Jordan im roten Chicago-Bulls-Trikot mit der legendären Nummer 23 beim Auswärtsspiel gegen die Philadelphia 76ers im März 1996. Seine Sprungkraft, seine Schnelligkeit, seine elegante Ballbehandlung, seine atemberaubende Treffsicherheit, sein Charisma, nicht zuletzt auch seine Arroganz machten ihn zwischen 1984 und 2003 zum Alptraum für jeden Gegenspieler in der US-Profiliga NBA.

Foto: AFP

Einfacher geht’s nicht: There must be a ball – Es muss einen Ball geben. Mit dieser schlichten Forderung beginnt vor 125 Jahren die Geschichte des Basketballs. Sie steht am Anfang der fünf kurzen prinzipiellen Überlegungen, die sich der 30-jährige Sportlehrer James Naismith für eine neue, von ihm ausgedachte Sportart gemacht hat.

Es folgen 13 ebenfalls recht knappe, mit der Schreibmaschine getippte Spielregeln, die später ein besonders teures Dokument der Sportgeschichte werden. 2010 ersteigert ein amerikanischer Investment-Manager bei einer Sotheby’s-Auktion das Naismith-Original für 4,3 Millionen Dollar (damals 3,26 Millionen Euro).

Das hätte sich James Naismith nicht ausmalen können, als er am 21. Dezember 1891 in der Turnhalle der YMCA-Sportschule von Springfield seine zwei Schreibmaschinen-Seiten mit Reißzwecken neben der Tür befestigt. In Springfield, der Stadt am Connecticut River im amerikanischen Bundesstaat Massachusetts, kann der Winter hart sein, der Dezember 1891 ist einer der schneereichsten in der lokalen Geschichte.

Genau da liegt das Problem: Draußen geht einfach nichts. Die pubertierenden Jugendlichen in der Schule des Christlichen Vereins Junger Männer langweilen sich, es fehlt an sinnvoller sportlicher Betätigung. Der deutschen Gymnastik im Stil von Turnvater Jahn können die Schüler nichts abgewinnen. Und den allseits beliebten Football in der Halle zu spielen – das erscheint dem Lehrpersonal dann doch als zu risikoreich.

Es muss was Neues her. Luther Halsey Gulick, der Vorgesetzte von James Naismith, hat klare Vorstellungen: „Es muss ein Spiel sein, das gewisse Fähigkeiten verlangt, Fairness benötigt und das Training des gesamten Körpers fördert. Ferner sollte das Spiel ohne große Rohheit oder Gefährdung von Spielern und Einrichtungen betrieben werden können.“

Das Spiel in eine höhere Ebene bringen

Naismith macht sich an die Arbeit. Ihm ist schnell klar: Will er Attacken am Boden vermeiden, muss er das Spiel sozusagen in eine höhere Ebene bringen, der Ball muss in der Luft bleiben. Naismith stellt sich auf beiden Hallenseiten Körbe vor, die man nur mit einem kräftigen Sprung erreichen kann. In diese Körbe soll der Spielball befördert werden.

Das YMCA-College von Springfield hat einen wackeren und hilfsbereiten Hausmeister, der dafür Pfirsichkörbe besorgt – Massachusetts ist schließlich nicht nur für seine schneereichen Winter bekannt, sondern auch für seinen ertragreichen Obstanbau, für schmackhafte Äpfel, Erdbeeren, Himbeeren und Pfirsiche.

Die Körbe hängen in einer Höhe von zehn Fuß (umgerechnet 3,05 Meter). Das hat weniger mit mathematischen Flugbahnberechnungen zu tun als vielmehr mit der schlichten Tatsache, dass sich genau in dieser Höhe die Empore der örtlichen Sporthalle befindet.

Etliche der von Naismith aufgestellten Spielregeln haben sich im Lauf der Zeit geändert; geblieben aber ist zentimetergenau und weltweit die Höhe der Körbe, jener Körbe, nach denen das neue Spiel benannt wird: Basket Ball (erst 1921 fügt sich das in Amerika zu einem Wort).

Historiker und Sportwissenschaftler haben mittlerweile eine Menge herausgefunden über die Vorläufer des Basketballs. Die Wurzeln des Spiels mit Ball und Korb oder Ring reichen weit zurück, vermutlich an die 3000 Jahre. Schon die Olmeken, ein geheimnisvolles Volk, das sich an der mexikanischen Golfküste ansiedelte, sollen sich – ähnlich wie später die Mayas und Azteken – mit einem Kautschukball abgegeben haben.

Der musste in der Luft gehalten und mit Schultern, Hüfte, Ellenbogen oder auch Gesäß durch einen in der Höhe angebrachten steinernen Ring befördert werden. Der etwa drei Kilogramm schwere Ball war ein ordentliches und nicht ungefährliches Geschoss. Der spanische Eroberer Hernando Cortés brachte aus dem Aztekenreich 1528 eine Truppe von Ballspielern mit nach Europa, die ein seltsames Ritual pflegten. Zeitgenossen berichten von einem Spiel, bei dem man „den aufgeblasen bal mit dem hintern“ bewegt.

James führte ein etwas unstetes Leben

Von diesen schönen Entdeckungen der Wissenschaft dürfte James Naismith nichts gewusst haben, als er in Springfield über die sportliche Beschäftigung von nicht ausgelasteten jungen Männern sinnierte. Naismith wurde 1861 im kanadischen Almonte geboren, seine Eltern starben früh. Das Waisenkind James hielt es auf der Schule nicht lange aus, schlug sich als Holzfäller durch und führte womöglich ein etwas unstetes Leben.

Die Legende erzählt von einem großen Unbekannten, der Naismith, als dieser mal wieder in einer Whiskey-Kneipe ausharrte, ordentlich ins Gewissen redete, ihm sein wüstes Leben vorhielt und dabei das Bild von der sich im Grabe herumdrehenden Mutter beschwor.

Ob das stimmt oder nicht: Naismith entschied sich nun für geregelte Arbeit, absolvierte die Highschool und konnte später auf gleich vier akademische Diplome verweisen: in Philosophie, Theologie, Sport und Medizin. Er wurde nicht müde, ein gesundes Leben zu predigen, und hielt Sport für ein unerlässliches Mittel zur Charakterstärkung. Von 1917 bis 1919 arbeitete der Basketball-Erfinder als YMCA-Sekretär in Frankreich; dort dozierte er vor christlichen Jünglingen über Moral und Aufklärung.

Das Spiel mit dem Ball und den Körben jedenfalls kam bei den amerikanischen Schülern von James Naismith gut an. Es verbreitet sich speziell über die Colleges geradezu explosionsartig, auch wenn das erste Spiel am 21. Dezember 1891 mit dem mageren Ergebnis von 1:0 endet und Hardcore-Footballer ein bisschen spöttisch vom „sissy game“, vom Spiel für Weicheier reden oder auch vom „old man game“, vom Altherrensport.

Schon ein paar Monate später spielen auch Frauen Basketball – unter Anleitung einer gewissen Maude Evelyn Sherman; sie wird die Ehefrau von Mr. Naismith. Im selben Jahr 1892 erscheint in der New York Times ein Artikel über „ein neues Ballspiel – ein Ersatz für Football ohne dessen Rohheit“.

Basketball wird olympisch

1936 in Berlin wird Basketball olympisch, man verlegt den für die Halle erdachten Sport merkwürdigerweise nach draußen, auf die Tennisplätze des Reichssportfeldes. Dr. Jaimes Naismith ist dabei, amerikanische Vereine, Sportler und Fans haben Geld gesammelt, um ihm die Reise nach Berlin zu ermöglichen. Zum Tip-off des ersten olympischen Basketballspiels – Estland trifft auf Frankreich – wirft der 75-jährige den Ball in die Höhe.

Die Bedingungen in Berlin sind nicht unbedingt olympiawürdig. Beim Finale zwischen den USA und Kanada regnet es in Strömen, es entwickelt sich eine regelrechte Schlammschlacht, zu der die Washington Post anmerkt, man hätte besser nach Wasserpolo-Regeln spielen sollen. Naismith überreicht den siegreichen Amerikanern die Goldmedaillen, spricht vom „glücklichsten Augenblick meines Lebens“ und sagt seinem Sport „eine große Zukunft“ voraus.

Damit hat er Recht behalten: Heute spielen, so die offizielle Angabe des Weltbasketballverbands FIBA, etwa 450 Millionen Menschen weltweit Basketball. Hierzulande hat der Deutsche Basketball Bund knapp 200.000 Mitglieder. Zum Vergleich: Beim Deutschen Fußball-Bund sind es 6,9 Millionen.

Trotzdem: Basketball hat für seine Fans etwas Magisches. Es fehlt nicht an Versuchen, das Faszinierende an der Sportart des Dr. Naismith zu erklären. „Wer sich einmal in Basketball verliebt hat“, sagt Earvin „Magic“ Johnson, einer der legendären Spieler in der Geschichte des Basketballs, „ist süchtig.“

Liebesbekundungen zum Basektball

Der nicht minder berühmte Michael Jordan, den manche als den besten Basketballspieler aller Zeiten bezeichnen, hat versichert: „Wenn ich alt und grau bin, werde ich zwar nicht mehr Basketball spielen können, aber ich werde immer noch Liebe für dieses Spiel empfinden.“

Eine besonders aparte Liebeserklärung kommt von Marco Baldi, dem Geschäftsführer des Bundesligisten Alba Berlin. „Fußball“, sagt Baldi, „ist unangefochten. Handball ist Volksmusik. Eishockey ist Rock’n’Roll. Und Basketball ist Jazz.“ Schön gesagt. Erst recht, wenn man bedenkt, dass Jazz und Basketball von Überraschungsmomenten leben, von unerwarteten Wendungen, vom Ausbruch aus vorgegebenen Mustern.

Beim Basketball, das weiß der in Glück und Leid erfahrene Fan, ist nichts im Spiel so richtig verlässlich, ist nichts unmöglich, auch ein hoher Rückstand bedeutet noch lange nicht die Niederlage. Der Ball nimmt halt manchmal wahnwitzige Kurven.

James Naismith, der Erfinder des Basketballs, stirbt am 28. November 1939 in Lawrence im US-Bundesstaat Kansas; an der Universität von Kansas war er lange Jahre Sportlehrer und Sportdirektor. 20 Jahre später wird ihm zu Ehren in Springfield die Naismith Memorial Hall of Fame eröffnet, die Ruhmeshalle des Basketballs. „Willkommen in einer Halle“, heißt es dazu im Internet, „in der das Spiel niemals endet.“

In seinem Buch über den Ursprung und die Entwicklung des Basketballs schreibt Naismith: „Mehrere tausend Mal bin ich gefragt worden, ob ich vom Basketball profitiert hätte. Diese Frage kann ich nur mit einem Lächeln beantworten. Meinen Lohn gab es nicht in Dollars, sondern in der Befriedigung darüber, der Welt etwas gegeben zu haben, was vielen Menschen guttut.“

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