Aus der Traum Deutsche Handballer scheitern an Norwegen

Hamburg · Deutschland unterliegt Norwegen im Halbfinale mit 25:31 und spielt nun gegen Frankreich um Bronze. Vorne fehlten den Deutschen oft Lösungen, hinten taten sich Lücken auf.

Das Wintermärchen 2.0 – wird es nicht geben. Die deutschen Handballer unterlagen Norwegen gestern Abend im WM-Halbfinale mit 25:31 (12:14). Das Original von 2007, als Deutschland im eigenen Land den Titel gewann, bleibt ein Unikat. Kein Märchen also, aber eine tolle Geschichte schrieb die Generation von 2019 allemal. In Berlin, Köln und phasenweise auch jetzt in Hamburg begeisterte sie das Publikum mit Leistungen, die viele nicht für möglich gehalten hatten. Am Sonntag (14.30/ZDF) spielt die Mannschaft von Bundestrainer Christian Prokop im dänischen Herning gegen Frankreich um Bronze.

„Wir hatten uns das ganz anders vorgestellt", sagte Paul Drux noch in der Halle. „Aber das waren einfach zu viele Gegentore. Norwegen hat das cleverer gespielt." Prokop meinte: „Wir haben nicht unsere beste Leistung gebracht. Wir haben keine guten Lösungen gefunden und die Verunsicherung mit in den Angriff genommen."

Hamburg – hierhin wollten die deutschen Handballer zurückkommen. Das war das Ziel, als sie sich kurz vor der WM in einem gediegenen Hotel am Stadtrand den letzten Schliff geholt hatten. Hamburg – das hieß, es geht um die Medaillen. Das Ziel wurde erreicht, aber Hamburg schmeckte nun bitter.

Wie sehr der Handball die Menschen gepackt hat, zeigte auch dies: Kanzlerin Angela Merkel hielt es für angemessen, der Nationalmannschaft wenige Stunden vor dem Spiel gegen Norwegen in einer Videobotschaft viel Glück zu wünschen. Wenn so etwas passiert, ist Deutschland in Wallung. Joachim Löw, Prokops Kollege vom Fußball, meldete sich übrigens auch.

Berlin und Köln hatten Maßstäbe gesetzt in Sachen Publikumsunterstützung. Auch der Hamburger entdeckte bald den Rheinländer in sich. Als Patrick Wiencek nach drei Minuten den norwegischen Weltklassemann Sander Sagosen stoppte und von den Zuschauern dafür Anerkennung einforderte, waren die Hanseaten ziemlich heißblütig. Deutschland führte schnell mit 3:1 und schien den Schwung aus der Hauptrunde mitgenommen zu haben. Allerdings war da ein Gegner, dessen Tempogegenstöße wirklich Tempo hatten und der nicht nur aus Sagosen bestand. Vor allem Magnus Rod, der Halbrechte, bereitete den Gastgebern mächtig Probleme. Vier Tore erzielte der 2,03-Meter-Mann in den ersten 20 Minuten. Sogenannte einfache Tore, nicht aus dem Spiel heraus, sondern einfach dank immenser Sprung- und Wurfkraft.

Prokops Team dagegen fand vorne kaum Lösungen. Weil die Passgeschwindigkeit gering war, konnten die flinken Norweger die Räume immer wieder zustellen. Und niemand aus dem Rückraum hatte die Treffsicherheit, um dieses Manko zu kompensieren. Da war diesmal nicht der eine Mann, der dem Angriffsspiel seinen Stempel aufdrückte. Nicht Fabian Wiede, nicht Steffen Fäth, nicht Paul Drux, sehr spät erst, zu spät, Fabian Böhm.

Prokop probierte viel, beinahe alles, und brachte schon vor dem Wechsel mal Tim Suton, mal Kai Häfner, mal Matthias Musche und auch Silvio Heinevetter, der zum Ende der Halbzeit zumindest zwei Bälle parierte. Auch deshalb ging Deutschland nur mit einem 12:14-Rückstand in die Pause, nachdem es schon 10:13 zurückgelegen hatte. Ein weiteres Manko: schon fünf Zeitstrafen vor dem Wechsel, davon zwei gegen Hendrik Pekeler, der sich fortan in Acht nehmen musste. Norwegen hingegen kassierte nur drei Zeitstrafen und nutzte seine Überzahlsituationen gut.

Als Deutschland nach 37 Minuten erstmals mit vier Toren zurücklag (15:19), wurde es langsam ein wenig ruhiger in der Halle – und auch auf der Bank. Es roch jetzt nach Niederlage, und die Mannschaft in Weiß hätte eine Spontanheilung gebraucht. Einen Zaubertrank. Zumindest aber einen Rückraumspieler, der alles trifft, oder einen Torhüter, der über sich hinauswächst. All das gab es nicht, wenngleich Heinevetter ordentlich hielt und Böhm nun aufdrehte.

Deutschland kam immer wieder mal auf zwei Tore heran, aber Norwegen konterte kalt. Weil die Gastgeber jetzt sehr offensiv deckten, war viel Platz am Kreis, zudem hatte Abwehrstratege Pekeler nach 43 Minuten seine dritte Zeitstrafe kassiert. Als mit der Schlusssirene das 25:31 fiel, brauchte das Publikum einige Minuten, um aus seiner Lethargie zu erwachen. Zumindest reichten die Applausreserven noch für eine angemessene Verabschiedung. Mit hängenden Schultern drehten die deutschen Spieler noch eine Runde auf dem Feld. Dass es ja noch um Bronze gehen wird, war in diesem Moment vergessen.

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