Zehnkampf-Europameister Arthur Abeles harter Weg zum König der Athleten

BERLIN · Zehnkämpfer Arthur Abele hat sich mit dem EM-Titel in Berlin einen Traum erfüllt. Auch am Tag nach dem großen Triumph raste der 32-Jährige über eine Achterbahn der Gefühle.

 Zehnkämpfer Arthur Abele hat sich durch seinen Sieg in Berlin mit dem Europameistertitel gekrönt.

Zehnkämpfer Arthur Abele hat sich durch seinen Sieg in Berlin mit dem Europameistertitel gekrönt.

Foto: Michael Kappeler

Nur ein Satz kam über seine Lippen. „Ja, das war einfach unbeschreiblich, was da an Emotionen hochkam“, sagte der König der Athleten. Seine Stimme wurde brüchiger bei jedem dieser Worte. Als deren Sinn vom Hirn zum Herz gesickert war, stockte Arthur Abele. Sein Atem wurde schwer – nur der war 15 lange Sekunden zu hören, dann folgte ein „Ja, Wahnsinn“ in die Stille. Zehn weitere Sekunden war wieder nur Atem zu hören. Selten gab es eine Stille, die so viel sagte, bevor der 32-Jährige losschluchzte – mal wieder überwältigt von seinen Empfindungen.

Der Zehnkampf-Europameister raste am Morgen nach seinem Triumph erneut über die Achterbahn der Gefühle. Bei der Pressekonferenz des Deutschen Leichtathletik-Verbandes bescherte er der Journalistenschar eine Extraportion Gänsehaut. Um in geordnete Bahnen zurückzukehren, übernahm der neben Abele auf dem Podium sitzende Mainzer Niklas Kaul das Wort, erzählte von einem Wettkampf „wie im Rausch“ und einem „außergewöhnlichen Teamspirit“.

Der 20-Jährige, der als Abeles Kronprinz gilt, verpasste als Vierter knapp eine Medaille. Er schwärmte vom Galaabend im Olympiastadion: „Das sind die Momente, für die wir Sportler leben.“ Abele sagte später, als er sich wieder gefasst hatte, über die Schlussphase des 1500-Meter-Laufs: „Die letzten 200 habe ich nur noch genossen.“ Schon da liefen ihm Tränen über die Wangen. Sein Vorsprung vor der Schlussdisziplin war so groß gewesen, dass ihn – sein Wortlaut – „schon einer hätte umtreten müssen“, um seinen Sieg zu verhindern. Nach dem Ausscheiden des favorisierten Weltmeisters Kevin Mayer durch drei ungültige Weitsprungversuche war der Weg zur Krönung für Abele frei gewesen.

Lange Verletzungshistorie

Die Erklärung für das nicht enden wollende Gefühlschaos des überglücklichen Ulmers findet sich in seiner persönlichen Geschichte. Sie beinhaltet eine unglaubliche Aneinanderkettung von Rückschlägen. "Haben sie ein wenig Zeit?", entgegnete Abele auf die Frage nach seiner Verletzungshistorie. Achillessehnenriss, Leistenbruch, Nabelbruch, Bänderriss im Fuß, Entzündung im Schambein, Ermüdungsbruch - Abele hat fast alles mitgenommen, was man in die Leidensgeschichte eines Sportlers hineinschreiben kann.

Warum er nicht resignierte? "Ich habe mir verboten, aufzugeben. Ich habe immer gedacht, in mir ist noch etwas, das darauf wartet, herauszukommen", sagte er am späten Mittwochabend. Das, was wartete, das waren die 8431 Punkte von Berlin, die ihm zur Goldmedaille vor dem Russen Ilja Schkurenkow und dem Weißrussen Vitali Schuk reichten.

Im Hospital kollabierte er

Zwischen seinem ersten Sieg in Ratingen 2007 und seinem zweiten Erfolg 2016 hat Abele nur acht Wettkämpfe bestritten, zwischen 2008 und 2013 keinen einzigen beendet. Doch im Dezember Ende 2017 schienen das alles bloß Petitessen zu sein, als er eines Morgens plötzlich unter einer Gesichtslähmung litt. „Ich dachte, ich hatte einen Schlaganfall“, erzählt er. Im Bundeswehrkrankenhaus in Ulm diagnostizierten die Ärzte, dass er sich bei seinem Sohn Jay einen sogenannten Spontaninfekt eingefangen hatte.

Im Hospital wurde Abele Hirnwasser über den Rückenkanal abzogen. Dabei kollabierte er. Er wurde mit Cortison vollgestopft. Die Ärzte begründeten ihr Handeln damit, dass der Heilungsprozess sonst ewig dauern würde. Es war nicht klar, ob Abele wieder richtig gesund werden würde. Glücklicherweise schlug die Therapie an.

Durch das Cortison nahm er allerdings sechs Kilogramm zu, was Bänder und Gelenke in Mitleidenschaft zog. Achillessehnenprobleme waren die Folge, sodass er erst im März ins Training einstieg. Dass er am 8. August in Europa als Nummer eins unter den Zehnkämpfern dastehen würde. Ja, er habe es gehofft, aber nicht geglaubt.

„Wer einen Traum hat, der soll nie aufgeben. Nie, nie, nie“, sagt Arthur Abele, der für seine letzte Karriereetappe hofft, „dass die zweite Luft hintenraus nochmal kommt“. Er will weitermachen bis zu den Oympischen Spielen 2020 in Tokio.

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