Arbeitsteilung bei Klitschkos: Frau singt, Mann boxt

Moskau · Natalia Klitschko ist wie Michelle Obama: Sie pusht ihren Ehemann, wenn es darauf ankommt. Bevor Boxweltmeister Vitali Klitschko am Samstag in Moskau gegen den Deutsch-Libanesen Manuel Charr in den Ring klettert, singt Frau Klitschko.

 Vitali Klitschko und seine Frau Natalia 2011 in Berlin nach der Premiere des Films "Klitschko". Foto: Jens Kalaene

Vitali Klitschko und seine Frau Natalia 2011 in Berlin nach der Premiere des Films "Klitschko". Foto: Jens Kalaene

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"The Power of Love" von Jennifer Rush gibt die 38-Jährige vor 30 000 Zuschauern in der Olympiahalle und Millionen an den Bildschirmen zum Besten. Ein Violin-Quartett mit dem Namen Aphrodite begleitet sie dabei. "Ich habe seit meinem zweiten Lebensjahr Gesangsunterricht genommen. Gesang ist für mich die größte Erfüllung. Es ist wie atmen", verrät Natalia Klitschko dem übertragenden TV-Sender RTL. Zudem bekennt sie: "Dieser Song ist auch die Geschichte über uns."

Hoffentlich ist WBC-Champion Vitali Klitschko danach nicht so gerührt, dass er das Boxen vergisst. Allerdings sind die Bedenken nicht allzugroß, denn Gegner Charr ist eigentlich keine echte Herausforderung für den 41 Jahre alten Ukrainer. Der in Beirut geborene und in Köln lebende Boxer, der eigentlich Mahmoud Omeirat Charr heißt, hat nicht das Vermögen, einen Klitschko aus den Schuhen zu kippen. "Wenn Manuel bis in die dritte Runde kommt, ist das stark", lautet das ernüchternde Urteil von Ex-Weltmeister Graciano Rocchigiani, der einst Charr trainierte. RTL-Co-Kommentator Luan Krasniqi ist sich sicher: "Gefährden kann er Vitali nicht."

In der WBC-Rangliste ist Charr an Nummer sieben gelistet, was verwundert. Zwar hat er seine 21 Profi-Kämpfe allesamt gewonnen, aber gegen wen? Hier seine letzten Rivalen mit deren jüngsten Bilanzen: Taras Bidenko (Ukraine/zuletzt 3 Niederlagen in 5 Kämpfen), Marcelo Luiz Nascimento (Brasilien/3 Niederlagen in 4 Kämpfen), Serder Uysal (Türkei/6 Niederlagen in 7 Kämpfen), Danny Williams (Großbritannien/4 Niederlagen in 7 Kämpfen), Jonathan Pasi (Euskirchen/5 Niederlagen in 5 Kämpfen), Zack Page (USA/11 Niederlagen in 11 Kämpfen), Robert Hawkins (USA/10 Niederlagen in 10 Kämpfen) ... Das ist so, als würden die Faröer in der FIFA-Weltrangliste plötzlich in den Top Ten stehen.

Wenigstens Herz und Feuer habe er, bestätigt Klitschko-Trainer Fritz Sdunek Charr einige Qualitäten. Der gebürtige Vorpommer hat den Wahl-Kölner einst trainiert. "Perfekt konnte ich ihn auch nicht machen", gesteht Sdunek. Charr leistete sich in Moskau ein paar freche Sprüche, versprach, Klitschko k.o. zu hauen und schien zumindest noch kurz vor dem Kampf guter Stimmung zu sein. Was nicht verwundert. Er, der mit Mutter und fünf Geschwistern vor dem Bürgerkrieg im Libanon floh und in einer Essener Asylantensiedlung von Sozialhilfe leben musste, verdient mit dem Klitschko-Kampf so viel wie in seiner gesamten Profi-Karriere nicht.

Rund 350 000 Euro soll der Herausforderer erhalten. Damit will er seine Schulden von rund 60 000 Euro tilgen und seiner Mutter eine Einbauküche kaufen. So etwas beeindruckt auch Klitschko, ebenfalls Familienmensch. Trotz seiner politischen Ambitionen wird der Moskauer Auftritt nicht der letzte Kampf von ihm sein. Das hat der Zwei-Meter-Hüne schon durchblicken lassen. Zunächst aber freut er sich auf Moskau. "Ich habe eine Menge Fans hier", bekennt der Ukrainer. Für das russische Fernsehen steht fest: "Einer von uns."

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