GA-Serie Auf dem Weg nach Rio, Folge 3 Leben mit der Favoritenbürde

BONN/MOSKAU · Lena Schöneborn gewinnt in Moskau ihre 30. internationale Medaille. Die Moderne Fünfkämpferin der SSF Bonn ist bestens präpariert für die Olympischen Spiele 2016, spürt aber wie 2012 einen enormen Erfolgsdruck.

 Blumen für Lena Schöneborn: Die Fünfkämpferin gilt als deutscher Trumpf für die Olympischen Spiele in Rio.

Blumen für Lena Schöneborn: Die Fünfkämpferin gilt als deutscher Trumpf für die Olympischen Spiele in Rio.

Foto: picture alliance / dpa

Für Lena Schöneborn kann Rio kommen. Anfang Mai der Sieg beim Weltcup-Finale in Florida, zu Beginn dieser Woche der Gewinn der Staffel-Weltmeisterschaft mit Teamkollegin Annika Schleu zum WM-Auftakt in Moskau. Nur drei Tage danach hat die Moderne Fünfkämpferin der SSF Bonn am Freitagabend nach einer großartigen Aufholjagd Einzel-Bronze gewonnen – ihre insgesamt 30. Medaille bei Olympia sowie Welt- und Europameisterschaften. Das schaffte vor ihr keine Moderne Fünfkämpferin.

Dennoch: Im Jahr nach ihrem WM-Heimsieg von Berlin ist die Titelverteidigerin entthront. „Nur“ Dritte? Lena Schöneborn weiß ihre Rekordmedaille richtig einzuordnen. Ohne jede Selbstüberschätzung, denn das entspräche nicht ihren Wesenszügen. Die sind nämlich von Realismus geprägt. „Dass es für mich in der Saison konstant so gut läuft, ist überraschend, auch für mich selbst. Ich hätte damit nicht gerechnet“, sagte die 30-Jährige in Moskau.

In ihrer Sportart kann viel Unvorhergesehenes passieren. Alleine schon wegen der vielen Unwägbarkeiten in den fünf Disziplinen: im Degenfechten, im Schwimmen, beim Springreiten und in der Kombination aus Schießen und Laufen zum Abschluss. Es braucht bloß bei der Zuteilung der Pferde das Los auf einen Vierbeiner zu fallen, zu dem der Reiter nicht die notwendige Chemie aufbauen kann – na dann herzlichen Glückwunsch! Dann kann buchstäblich schon mal der Gaul mit den Nerven durchgehen.

So gesehen hat Lena Schöneborn im Zuge ihrer vorolympischen Wettkämpfe Einzigartiges vollbracht: Bei allen vier Weltcup-Starts und in beiden WM-Wettbewerben ist sie auf dem Podium gelandet. Somit hat der dritte Platz von Moskau sogar einen großen Vorteil für sie: Er hat auf ihrem Weg nach Rio einen Teil der Last von ihren Schultern genommen.

Schon einmal ist Schöneborn als Favoritin zu Olympischen Spielen gereist. 2012 war das, nach London. Nicht zuletzt, weil sie 2008 in Peking – damals für Außenstehende völlig überraschend – Olympiasiegerin geworden war. „Vielleicht habe ich zu früh Gold gewonnen“, sagte sie in der ersten Folge der GA-Serie „Auf dem Weg nach Rio“ im Dezember 2014. Gerade 22 war sie in Peking, und schon auf dem Gipfel.

Gelassener mit der Favoritenbürde

Vier Jahre später in London versagte Schöneborn beim Fechten, kam als 15. tief enttäuscht nach Hause. Hatte aber fürs Leben gelernt. Seither sieht sie vieles gelassener, kann besser mit der Favoritenbürde umgehen, mit dem Druck des vermeintlichen Siegenmüssens. „Früher habe ich mir nur eingeredet, das würde mich nicht beeinflussen“, sagt die Wahl-Berlinerin. Und: „Ich glaube, jetzt ist es tatsächlich so.“

Eine vergleichbare Medaillenzahl wie die in Troisdorf geborene Wahl-Berlinerin hat in ihrer Zunft noch keine Athletin gewonnen. „Lenas Erfolge sind einzigartig“, sagt Bundestrainer Kim Raisner: „Über einen so langen Zeitraum hat sich noch keine Athletin in der absoluten Weltspitze gehalten.“ Weshalb Raisner ihre Vorzeigeathletin für die herausragende Moderne Fünfkämpferin der Geschichte hält.

Moskau muss Schöneborn Mut für Rio machen. Nach dem Staffel-Gold beweis sie auch im Einzel einmal mehr ihre glänzende körperliche Fitness. Nach Platz zwei im Fechten verlor die GA-Sportlerin des Jahres 2015 im Schwimmen und Reiten wertvolle Punkte, verbesserte sich im abschließenden Combined-Wettbewerb aus Schießen und Laufen jedoch noch vom 13. Platz aufs Treppchen.

Neben der Deutschen steht 69 Tage vor Olympiabeginn nun auch die neue Weltmeisterin Sarolta Kovacs aus Ungarn ganz oben auf der Liste der Goldkandidaten für die Spiele am Zuckerhut. Und natürlich Laura Asadauskaite aus Litauen. „Laura“, meint Schöneborn, „ist meine aktuell stärkste Konkurrentin“. Asadauskaite holte Gold in London, ist also in Rio in der Rolle wie Schöneborn vor vier Jahren. Und muss mit der Bürde leben.

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