Sportbetrug Krise im Anti-Doping-Kampf: "Vertrauen in die WADA am Boden"

Bonn · Führende Doping-Experten haben Sorge um die weltweite Bekämpfung des Sportbetruges. Bei einem Workshop der deutschen NADA in Bonn gingen sie hart mit der Welt-Anti-Doping-Agentur ins Gericht und forderten ihre Reform.

 Andrea Gotzmann ist Vorsitzende der Nationalen Anti-Doping Agentur Deutschlands (NADA).

Andrea Gotzmann ist Vorsitzende der Nationalen Anti-Doping Agentur Deutschlands (NADA).

Foto: Jörg Carstensen

Der weltweite Anti-Doping-Kampf steckt nach Ansicht führender Experten in einer großen Krise.

"Das Vertrauen in die weltweiten Anti-Doping-Aktivitäten ist durch die Negativschlagzeilen über und nach dem Skandal in Russland verloren gegangen", sagte die NADA-Vorstandsvorsitzende Andrea Gotzmann auf einem Workshop in Bonn. Die Entscheidungen der Welt-Anti-Doping-Agentur nach Aufdeckung des Staatsdopings in Russland hätten verdeutlicht: "Wir stehen vor der großen Aufgabe, die Anti-Doping-Arbeit weltweit auf einen Stand zu bringen, der den sauberen Athleten gerecht wird."

Nicht nur die deutsche NADA-Chefin forderte eine umfassende Reform und mehr Unabhängigkeit der WADA, die zuletzt mit der Wiederzulassung der russischen Anti-Doping-Agentur ohne Erfüllung aller Bedingungen für Entrüstung gesorgt hatte. "Das Vertrauen der nationalen Agenturen in die WADA und das Internationale Olympische Komitee ist am Boden", sagte Matthias Kamber, Geschäftsführer von Antidoping Schweiz. "Es braucht die WADA, aber nicht diese."

Zur Erneuerung der WADA, die im kommenden Jahr 20 Jahre alt wird, gehören nach Ansicht von Gotzmann auch vor dem Hintergrund ihres Verhaltens in der Causa Russland neue Führungsstrukturen. "Es muss gewährleistet sein, dass diejenigen, die den Job tagtäglich hoch professionell erfüllen, nämlich die Nationalen Anti-Doping-Agenturen, innerhalb der Entscheidungsstruktur beteiligt werden", sagte sie.

Langfristiges Ziel müsse zudem sein, dass das WADA-Präsidentenamt mit einer "unabhängigen Persönlichkeit" besetzt werden müsse. "Es darf keiner zugleich noch Minister oder IOC-Mitglied sein", forderte sie. Der aktuelle WADA-Chef Sir Craig Reedie ist Mitglied des IOC. "Es gibt noch viel zu tun. Die ersten kleinen Schritte sind geschafft, aber es gibt noch viel zu tun", befand Gotzmann.

Verständnis zeigte die frühere IOC-Athletensprecherin Claudia Bokel für die wachsende Unzufriedenheit und das große Misstrauen in das Handeln der Sportfunktionäre. "Der Aufschrei der Athleten kommt daher, dass man ihnen nicht so zuhört, wie es ihnen zusteht", sagte die frühere Weltklassefechterin. "Ich denke, alle Sportorganisationen tun gut daran, auf die Stimme der Sportler zu hören. Denn der Sport ist für die Sportler da." Sie habe aber in den vergangenen Wochen das Gefühl bekommen, dass eine "Distanz zwischen den Sportorganisationen und den Athleten" entstanden sei. Es sei deshalb zu wünschen, zukünftig mehr "auf ihre Nöte" einzugehen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort