EM-Qualifikation Havertz ist eines der begehrtesten Talente der Welt

Bonn · Nationalspieler Kai Havertz gilt als eines der begehrtesten Talente weltweit. Gegen Weißrussland bestreitet der Leverkusener voraussichtlich sein viertes Länderspiel für Deutschland.

 Begehrter Youngster: Der Leverkusener Kai Havertz steht vor einer großen Karriere. FOTO: DPA

Begehrter Youngster: Der Leverkusener Kai Havertz steht vor einer großen Karriere. FOTO: DPA

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Es ist nicht auszuschließen, dass mancher in ihm sogar einen Lionel Messi sehen würde. Doch soweit konnte es ja nicht kommen. So klein wie „El pulga“, der Floh aus Argentinien (1,70 m), ist er eben nicht geblieben. Kai Havertz wuchs früh und enorm. In seinen Anfängen bei Bayer 04 Leverkusen litt er unter einem Wachstumsschub, der zu Problemen im Rücken und den Knien führte.

Mit seinen 1,88 Metern Länge, seinem dunklen Wuschelkopf und seiner Robustheit erinnert er eher an Michael Ballack, den früheren Leitwolf der Nationalmannschaft. Meint auch Bayer-Sportdirektor Rudi Völler, der Parallelen zwischen dem jungen und dem früheren Leverkusener erkennt. Aber Havertz, der 19-Jährige, vereint noch mehr Qualitäten in sich. Er sei ein „Mix aus Michael Ballack und Mesut Özil“. Vom Laufstil und der Eleganz wirke er wie Özil, sagte Völler dem „Kicker“, „von der körperlichen Robustheit, der Kopfballstärke und der Torgefährlichkeit wie Michael in seinen Topjahren“.

Seine besten Jahre hat Havertz, der mit der Nationalmannschaft an diesem Samstag in Borissow (20.45 Uhr/RTL) gegen Weißrussland und am Dienstag darauf in Mainz gegen Estland (20.45 Uhr) in der EM-Qualifikation antritt, dagegen noch vor sich. Aber schon jetzt scheint klar zu sein, dass einer großen Karriere nichts mehr im Weg steht, es sei denn, eine schwere Verletzung, Probleme an Rücken oder Knie kommen dazwischen.

Eine Ablöse um die 100 Millionen wäre keine Utopie

Es ist eben diese Vielfältigkeit, die aus dem Hochbegabten einen der begehrtesten jungen Spieler der Welt werden ließ. Kolportierte 90 Millionen Euro sollen die Bayern geboten haben, um ihn nach München zu locken – schon in diesem Sommer. Doch die Leverkusener haben dankend abgelehnt. Auch, da der Vertrag des Mittelfeld-Alleskönners in Leverkusen noch bis 2022 läuft und er sich mit Bayer in der Champions League zeigen kann, können Völler und seine Mitstreiter beruhigt davon ausgehen, dass der Wert des Jungnationalspielers noch steigen wird. Eine Ablösesumme um die 100 Millionen Euro wäre dann keine Utopie.

Warum solle er abheben, antwortete Havertz nach dem Trainingsspiel der DFB-Elf am Mittwoch in seiner Heimat Aachen auf die Frage, wie er bei solchen Summen und den Lobeshymnen auf seine Person auf dem Boden bleiben wolle, mit einer Gegenfrage. „Es gibt dafür keinen Grund. Da ist noch viel rauszuholen bei mir.“ Die Fülle seiner Möglichkeiten hat auch Rudi Völler erkannt. Er sagt: Kai seien „keine Grenzen gesetzt“.

Havertz' Art, Fußball zu spielen, lässt sich nicht erlernen. Es ist ein angeborenes Talent, dessen Basis seine unglaubliche Ballfertigkeit, seine physische Stärke, vor allem auch sein Gespür für Raum und Zeit sind. Mit seiner Manövrierkunst, seinem inneren Kompass antizipiert er Situationen, findet mit all seiner Ruhe am Ball Lösungen – auch auf engstem Raum –, das sind die hochwertigen Zutaten einer fast schon beängstigend guten Mischung.

Die Leichtigkeit und Eleganz, die ihn bei seinen Aktionen umweht, trägt schon beinahe Beckenbauer'sche Züge. Einerseits. Andererseits wurde ihm bisweilen auch ein fahrlässiger Umgang mit der nötigen Aggressivität vorgeworfen. Auch das hat sich gebessert. Neben seinen immensen Fähigkeiten, bemerkte Rudi Völler zuletzt, denke er auch noch defensiv.

Havertz führt ein Fußballerleben im Zeitraffer

Kai Havertz führt ein Fußballerleben im Zeitraffer. Schon in der Jugend bei der Alemannia aus Mariadorf, ein Ort in der Städteregion Aachen, aus dem er stammt, übersprang er zwei Jahrgänge. Auch später bei der größeren Alemannia aus Aachen war er seiner Zeit voraus, ehe er mit elf Jahren nach Leverkusen wechselte. Mit 17 Jahren und 126 Tagen kam er erstmals für Bayer in der Bundesliga zum Einsatz – so jung wie kein anderer Leverkusener Debütant.

Inzwischen scheint er auch seinem Club bereits entwachsen. 88 Bundesligaspiele hat er bisher bestritten, dabei 24 Treffer erzielt. In der zurückliegenden Saison führte er die Werkself mit 17 Toren und vier Vorlagen in die Champions League. Auch seine Konstanz beeindruckt, selbst wenn Rückschläge nie auszuschließen sind.

Als er im September 2018 erstmals für die A-Nationalmannschaft, die U21 des DFB hatte er gleich übersprungen, auflief, kam es Joachim Löw vor, als sei Havertz schon ein Jahr dabei. Oder zwei. Als „sehr weit, sehr abgeklärt“ für sein Alter empfindet ihn der Bundestrainer. Auch seine Eltern wunderten sich neulich über ihren Sohn, der neben dem Fußball sein Abitur baute, selbst wenn es mit der Doppelbelastung „sehr stressig“ war, der inzwischen zum selbstbewussten jungen Mann gereift ist. Vater Ralf sagte der „Zeit“, er sei beeindruckt, wie routiniert sein Sohn inzwischen die Interviews nach dem Spiel absolviere, wie gelassen er mit seiner Bekanntheit in der Öffentlichkeit umgehe. Kai Havertz' Nonchalance auf dem Platz überträgt sich auch aufs Private. Oder umgekehrt.

Am Dienstag, dem Tag des Länderspiels gegen Estland, wird er 20. Erst 20. Selbst Michael Ballack war in diesem Alter noch Zweitligaspieler. Der spätere DFB-Kapitän kam auf 98 Spiele in der Nationalmannschaft. Eine Marke, die für Kai Havertz keine Utopie ist.

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