Großer Preis von Brasilien Hamilton-Sieg zum Team-Titel - Vettel chancenlos

São Paulo · Vorbei ist auch die letzte Formel-1-Titelchance 2018 für Sebastian Vettel. Lewis Hamilton siegt in Brasilien und macht Mercedes zum Team-Champion. Vettel wird nur Sechster. Richtig sauer ist aber vor allem Max Verstappen. Er hat allen Grund dazu.

 Das Team Mercedes jubelt über den Sieg in der Konstrukteurswertung.

Das Team Mercedes jubelt über den Sieg in der Konstrukteurswertung.

Foto: Nelson Antoine/AP

Lewis Hamilton ließ sich von seiner Mercedes-Crew auf Schultern tragen und auf dem Podium zu einer kurzen Samba-Einlage mit knapp bekleideten Brasilianerinnen hinreißen.

Zwei Wochen nach seinem fünften Fahrertitel bei der Formel-1-Fiesta in Mexiko machte der 33 Jahre alte Brite mit seinem Sieg beim Großen Preis von Brasilien fast im Alleingang auch den vorzeitigen Triumph der Silberpfeile in der Konstrukteurswertung perfekt. Für seinen deutschen Rivalen Sebastian Vettel platzte damit auch die ohnehin nur vage Hoffnung auf den Trostpreis.

"Es war heute im besten Stil", meinte Hamilton, der diesmal um den Sieg kämpfen musste. "Es ist eine Wahnsinnsreise mit dem Team. Wir alle haben dafür die letzten Jahre so hart gearbeitet. Wir haben als Einheit zusammengehalten."

Hamilton setzte sich in einem Reifen- und Überhol-Krimi vor Mexiko-Sieger Max Verstappen im Red Bull durch, der durch ein haarsträubendes Manöver von Esteban Ocon um den Sieg gebracht wurde. "Der Wagen hat großartig funktioniert, das Team hatte die richtige Strategie. Und dann wirst du so rausgebracht. Mir fehlen die Worte", sagte der 21 Jahre alte Niederländer. Wie schon über Funk beschimpfte er Force-India-Mann Ocon noch mal als Idioten. "Ich hoffe, er läuft mir im Fahrerlager nicht über den Weg", meinte er.

Sie begegneten sich aber ganz schnell. "Er hat mich beim Wiegen rumgeschubst", schilderte Ocon. Die beiden Streithähne mussten anschließend bei den Rennkommissaren zum Rapport antreten. Die Stewards sahen es als erwiesen an, dass Verstappen seinen Rivalen nach einem Wortwechsel mehrmals kräftig gestoßen und auch auf der Brust getroffen habe. Der Niederländer soll nun auf Geheiß des Automobil-Weltverbandes FIA innerhalb von sechs Monaten nach dem Vorfall zwei Tage Dienst an der Öffentlichkeit leisten.

Kimi Räikkönen wurde im Ferrari Dritter vor Daniel Ricciardo im zweiten Red Bull und Valtteri Bottas im zweiten Mercedes. Erst danach folgte Vettel. Der 31 Jahre alte Heppenheimer kam nicht über den sechsten Platz im zweiten Ferrari hinaus. "Es war ein schwieriger Nachmittag", resümierte Vettel, für den sich die eigentlich haltbareren Reifen zu Beginn des Rennens nicht als Vorteil herausstellten.

Auf der Fahrt zum Team-Titel im vorletzten Saisonrennen bewies das Silberpfeil-Duo zunächst mal seine Klasse. Hamiltons nobler Helfer Bottas schob sich auf den gerade mal 340 Bergauf-Metern bis zum Linksknick mit Gefälle an Vettel vorbei. Davor verteidigte Hamilton die 100. Pole für Mercedes in der Motorsport-Königsklasse souverän.

Schlechter konnte es kaum beginnen für Vettel und Ferrari auf der ohnehin äußerst schwierigen Mission, Mercedes vom erneuten Konstrukteurs-Triumph nach 2014, 2015, 2016 und 2017 abzuhalten. Wenn da nicht auch noch Verstappen gewesen wäre. Vettel kämpfte mehr mit seinem Wagen, musste Räikkönen passieren lassen, danach auch noch den niederländischen Red-Bull-Piloten.

Ferraris vermeintlicher Gummi-Trumpf war schon nach wenigen der insgesamt 71 Runden verspielt. Vettel und Räikkönen hatten sich im entscheidenden Abschnitt der Qualifikation für die haltbareren Soft-Reifen entschieden. Hamilton und Bottas starteten auf den weicheren Supersoft-Mischungen. Bedeutete: Schnellerer Verschleiß, früherer Boxenstopp. Hinzu kam, dass die Asphalt-Temperaturen am Sonntag höher waren als bei den Runden an den Tagen zuvor.

Dem Red Bull machte das offensichtlich weniger zu schaffen als dem Silberpfeil. In Runde zehn schnappte sich Verstappen auch noch Bottas und machte sich auf die Verfolgung von Hamilton. Dahinter hielt dessen Bottas seinen finnischen Landsmann Räikkönen ebenso auf die Vettel. Die große Frage: Wann mussten Hamilton und Bottas in die Box und die Reifen wechseln?

Zunächst deutete überraschenderweise Ferrari einen Stopp an, tatsächlich ließen aber erst Bottas in 2,4 Sekunden und dann Hamilton in 2,6 Sekunden die vier Räder an ihren Autos wechseln. Beide bekamen Medium-Mischung. Würden sie das Rennen damit bis zum Ende durchfahren können?

Gut würden sie sich nicht anfühlen, monierte Hamilton schon nach kurzer Zeit und befürchtete, im Duell um den Sieg mit Verstappen zu früh die Reifen gewechselt zu haben. Fast zehn Runden nach dem Silber-Duo steuerte Vettel erst seine Rote Göttin an die Box und ließ ebenfalls die Medium-Gummis aufziehen - in sagenhaften 1,9 Sekunden.

Doch Vettel würde mit dem Sieg nichts zu tun haben, das war klar. Zum Top-Kandidaten avancierte Verstappen, der nach seinem Reifenwechsel die Führung von Hamilton in der 39. Runde zurückeroberte. Kurz zuvor hatte der Mercedes-Mann einen Leistungsabfall beklagt und Regen herbeigefleht.

Regen war es nicht, der ihn wieder nach vorn spülte, sondern eine Kollision von Verstappen mit Ocon im Racing Point Force India in der 44. Runde. "Was für ein verdammter Idiot", fluchte Verstappen. Ocon bekam für das völlig unnötige Manöver eine Zehn-Sekunden-Strafe. Verstappen war nun erst recht auf Touren. Während Vettel zum zweiten Mal die Reifen wechseln ließ, jagte der 21-Jährige den führenden Hamilton. Vergeblich, erstmals gewann der Brite ein Rennen nach einem vorzeitigen WM-Triumph. Es war der 72. in seiner Karriere.

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