Nach 78 Länderspielen Gomez macht Schluss beim DFB - Ligaboss will klare Analyse

Stuttgart · Der zweite Profi aus der deutschen WM-Mannschaft, die in Russland brutal abstürzte, tritt zurück. Routinier Gomez entschließt sich nach einem Gespräch mit dem Bundestrainer, Schluss zu machen. Der Druck vor allem auf Coach Löw bleibt hoch - alle warten auf seine Analyse.

 Mario Gomez bestritt 78 Länderspiele und erzielte 31 Treffer.

Mario Gomez bestritt 78 Länderspiele und erzielte 31 Treffer.

Foto: Andreas Gebert

Mario Gomez wollte eigentlich gar nichts mehr sagen und strebte schon zum Ausgang des Stuttgarter Stadions. Nach seinem zuvor via Facebook verkündeten Rücktritt aus dem Fußball-Nationalteam blieb der Angreifer des VfB Stuttgart dann aber doch stehen.

Und der 33-Jährige erzählte überraschend, dass er sich schon lange vor der enttäuschenden WM in Russland zu einem Rückzug aus der DFB-Auswahl entschlossen habe.

"Ich bin jetzt 33, ich bin ja auch kein Blender. So gut ich mich fühle und so sehr ich die Nationalmannschaft liebe, weiß ich, dass die Zukunft beim DFB woanders liegt, dass sie nicht auf den Schultern eines 33-Jährigen liegt", sagte er im Anschluss an das 1:1 im Testspiel gegen Atlético Madrid.

Die Debatten um die notwendigen Veränderungen in der Nationalmannschaft gehen nun wohl erst recht weiter. Nach einem "sehr guten Gespräch" mit Bundestrainer Joachim Löw begründete Gomez die erst lange nach dem Turnier in Russland verkündete Entscheidung zu seinem Rücktritt mit teils populistischer Kritik nach der WM. "Ich wollte mich einfach nicht eingliedern in die Reihe derer, die nach der WM große Töne geschlagen haben", sagte er.

Indes erwartet Ligaboss Reinhard Rauball von Löw "eine sehr klare sportliche Analyse". Der Präsident der Deutschen Fußball-Liga ergänzte in der "Bild am Sonntag" deutlich: "Und dass der Analyse Taten folgen - auf und neben dem Platz." Noch in diesem Monat soll es ein weiteres Treffen von Vertretern der Spitzenvereine mit der DFB-Führung und der Sportlichen Leitung der Nationalelf geben.

"Meine Zeit in der Nationalmannschaft war sportlich nicht immer einfach, nicht immer erfolgreich und doch wunderschön", schrieb Gomez auf seiner Facebook-Seite. Im Stuttgarter Stadion sagte er später, dass auch er es für nötig halte, "dass die entscheidenden Köpfe sich zusammensetzen und entscheiden, wie es weitergeht."

Nach Mesut Özil, dessen DFB-Rücktritt gepaart mit vielen Vorwürfen die Krise des ganzen Deutschen Fußball-Bundes noch weiter verschärft hat, zieht sich Gomez als zweiter WM-Fahrer aus der Elitemannschaft zurück. Er werde dem DFB-Team immer verbunden bleiben und sei nun "großer Fan dieser Mannschaft", schrieb Gomez nach 78 Spielen und 31 Toren für Deutschland. Sein erstes Länderspiel hatte der Sohn einer deutschen Mutter und eines spanischen Vaters am 7. Februar 2007 beim 3:1 gegen Schweiz in Düsseldorf bestritten.

Eine kleine Hintertür hält sich Gomez zwar offen. "Nur wenn der Trainer in zwei Jahren bei der EM aus unwahrscheinlichen Gründen Bedarf sieht und ich mich auch wirklich noch in der Verfassung fühle, helfen zu können, werde ich dann selbstverständlich bereitstehen", bemerkte der gebürtige Baden-Württemberger. Doch Gomez weiß natürlich, dass dies mit dann 35 Jahren sehr schwer sein würde. Nun sei "erstmal die Zeit für die gekommen, die wie ich damals 2007 mit 21 Jahren nur eines wollen - den Fußball-Himmel erobern".

Gomez, die Nationalelf und die Fans - das war nicht immer eine gegenseitige Liebesgeschichte. Nachdem sein Traum 2014 platzte und er den deutschen WM-Triumph in Brasilien verpasste, stand seine Karriere im Adler-Trikot schon auf der Kippe. Doch der Vize-Europameister von 2008 "wollte diese Momente, diese Emotionen unbedingt noch einmal erleben". Als er vor vier Jahren verletzt zuschauen musste, "merkte ich endlich, wie sehr mir das Team fehlte und was für eine große Ehre es für mich ist, für so eine Mannschaft auflaufen zu dürfen. Es ist überhaupt gar keine Selbstverständlichkeit", unterstrich Gomez.

Nun aber möchte der junge Familienvater "die spielfreie Zeit während der Länderspiele mit meiner Familie genießen und die Daumen drücken", verkündete der Angreifer: "Auch wenn es sich im Moment für viele Fans anders anfühlt, diese Mannschaft wird uns schon bald allen wieder eine Riesenfreude bereiten."

Viele Reaktionen auf die Blamage von Russland - nach der EM 2008, der WM 2010, der EURO 2012 und der EM 2016 war es sein fünftes großes Turnier - hält Gomez für "Populismus". Liga-Boss Rauball sieht den deutschen Fußball in einer extrem schwierigen Situation: "Und was uns jetzt bevorsteht, macht die Sache nicht einfacher: Die Aufarbeitung der Dinge im sportlichen Bereich, gepaart mit all jenem, was abseits des Platzes schiefgelaufen ist. Allen voran natürlich das Thema Mesut Özil, das gewaltig unterschätzt worden ist."

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