Rechtsstreit Gerichtshof stärkt CAS - Pechstein sieht Erfolg

Straßburg · Seit fast zehn Jahren währt der juristische Kampf von Claudia Pechstein gegen eine einst gegen sie verhängte Sperre. Nun lehnte der Gerichtshof für Menschenrechte ihre Beschwerde ab, spricht ihr aber Schadenersatz zu. Das wertet die Eisschnellläuferin als Erfolg.

 Ist mit einer Beschwerde gegen den CAS gescheitert: Claudia Pechstein.

Ist mit einer Beschwerde gegen den CAS gescheitert: Claudia Pechstein.

Foto: Peter Kneffel

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Rolle des Internationalen Sportgerichtshofs CAS gestärkt, doch Claudia Pechstein wertet die Entscheidung keineswegs als Rückschlag.

Bereits 2010 hatten die Anwälte der Berliner Eisschnelllauf-Olympiasiegerin die Unabhängigkeit des CAS juristisch infrage gestellt, acht Jahre später attestierte der Menschengerichtshof dem CAS nun "keinen Mangel an Unabhängigkeit und Unvoreingenommenheit" (Beschwerdenummer 67474/10).

Pechstein wird aller Voraussicht nach Rechtsmittel gegen die EGMR-Entscheidung einlegen. Das erklärte ihr Anwalt Simon Bergmann der Deutschen Presse-Agentur. "Natürlich müssen wir das 64 Seiten umfassende Urteil zunächst gründlich studieren. Aber die Tendenz ist klar: Wir werden alle Rechtsmittel ausschöpfen", sagte Bergmann.

Pechstein wertete die Entscheidung sogar als Erfolg, weil ihr die Straßburger Richter 8000 Euro Entschädigung zugebilligt hatten, da ihr der CAS keine öffentliche Anhörung in ihrem Verfahren gewährt hatte. Diese Summe muss die Schweiz tragen, da dort der CAS seine Heimstatt hat und auch das Schweizer Bundesgericht Pechsteins Klage gegen das CAS-Urteil zurückgewiesen hatte. "Wer vom Gericht 8000 Euro zugesprochen bekommt, kann nicht verloren haben", sagte die 46 Jahre alte Hauptstädterin der Deutschen Presse-Agentur. "Nach acht Jahren habe ich heute bestätigt bekommen, dass ich kein faires Verfahren hatte", erklärte Pechstein.

"Wenn die Öffentlichkeit in ihrem Verfahren damals zugelassen worden wäre, hätte es möglicherweise ein anderes Urteil des CAS gegeben. Es ist ein Menschenrecht verletzt worden. Das hat der Europäische Gerichtshof klar herausgestellt", sagte Bergmann und wertete dies als wichtiges "Pfund" vor der möglicherweise noch in diesem Jahr anstehenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Fall Pechstein. Bergmann unterstrich noch einmal, dass es seiner Mandantin vor allem darum gehe, ihren Fall vor einem deutschen Gericht entscheiden zu lassen, das rechtsstaatlichen Grundsätzen genüge.

Der CAS sieht hingegen den Status der Unabhängigkeit durch das Urteil bestätigt. "Der EGMR hat alle Ansprüche, mit einer Ausnahme zum Recht auf öffentliche Anhörung, abgewiesen", hieß es in einer Stellungnahme. Das Gericht habe das Interesse daran bestätigt, dass Streitigkeiten im Sport mit seiner internationalen Dimension und einer spezialisierten Gerichtsbarkeit in der Lage sein sollte, Fälle schnell und kostengünstig zu entscheiden. Vom Internationalen Olympischen Komitee hieß es: "Wir gehen nicht auf die Entscheidung des EGMR ein."

Der CAS urteilt seit 1984 als letzte Instanz bei Streitfällen im Sport und steht seit Jahren in der Kritik. Der Hauptvorwurf lautet, es handele sich nicht um ein unabhängiges Schiedsgericht, weil die Institution durch Sportverbände finanziert werde.

Die fünfmalige Olympiasiegerin Pechstein hatte 2009 vor dem CAS gegen eine zweijährige Sperre wegen auffälliger Blutwerte durch die Internationale Eislauf-Union ISU gekämpft, die sie auf eine geerbte Blutanomalie zurückführt. Der CAS bestätigte die Strafe jedoch. Pechstein machte in Straßburg geltend, dass der CAS weder unabhängig noch unparteiisch sei. Den Vorwurf begründete die 46-Jährige unter anderem mit der Art und Weise, wie die CAS-Richter ernannt werden.

Die Straßburger Richter argumentieren, über Pechsteins Fall hätten drei Schiedsrichter entschieden, die aus einer Liste mit fast 300 Kandidaten ausgewählt worden seien. Die Sportlerin habe keine Argumente vorgebracht, die grundsätzliche Zweifel an der Unabhängigkeit und Unvoreingenommenheit der Richter hätten rechtfertigen können, urteilte das Menschenrechtsgericht.

Die Straßburger Richter räumen aber ein, dass Sportorganisationen - also zum Beispiel Verbände - einen deutlichen Einfluss auf das Auswahlverfahren der CAS-Schiedsrichter ausgeübt hätten. Aber aus dieser Tatsache allein könne nicht abgeleitet werden, dass die Richter automatisch abhängig von diesen Organisationen sein müssten.

Der Gerichtshof urteilte am Dienstag auch im Fall des ehemaligen rumänischen Fußball-Nationalspielers Adrian Mutu, der ebenfalls die Rechtmäßigkeit des CAS anzweifelt. Doch auch seine Zweifel an der Unvoreingenommenheit von dessen Richtern teilte das Gericht nicht.

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