Atemlos durch das Wasser Das G-A-Team testet Unterwasserrugby

Bonn · GA-Redakteur Nicolas Ottersbach hat für das G-A-Team die Bönnschen Sterntaucher besucht und die einzige dreidimensionale Sportart getestet.

Atmen kann so schwer sein. Zumindest dann, wenn man nur wenige Sekunden hat, um Luft zu holen. Danach soll es direkt wieder in die Tiefe gehen. Denn die gegnerische Mannschaft stürmt gerade unter Wasser auf den Korb zu und will den Ball einwerfen. Doch wie die Male davor atme ich wegen der aufkommenden Hektik zu früh ein und ziehe einen ordentlichen Schluck Frankenbad-Wasser durch den Schnorchel. Zwangspause. Bis das Husten wieder aufhört.

„Unterwasser-Rugby ist sehr fordernd“, sagt Olaf Peters. Der Vorsitzende der Bönnschen Sterntaucher und aktiver Unterwasser-Rugby-Spieler taucht seit Jahren regelmäßig ab. Er ist begeistert von dem außergewöhnlichen Sport, der ein Nischendasein fristet und besonders im Ruhrgebiet beliebt ist. „Das ist der einzige wirkliche dreidimensionale Sport, den es gibt“, erzählt er. Weil im Schwimmbecken gespielt wird und das nur durch die Wände und den Boden begrenzt wird, können die Spieler über-, unter- und nebeneinander um den Ball kämpfen. Der muss für einen Punkt in zwei Metallkörben versenkt werden, die wie die Tore bei Fußball jeweils von einer der beiden Mannschaften bewacht werden. Der Korb hat die Größe eines Mülleimers, der Ball ist etwa so groß wie ein Handball – nur wesentlich schwerer.

Damit man ihn unter Wasser hin und her passen kann, ist er völlig luftlos und mit Salzwasser gefüllt. „Dadurch ist er schwerer als das normaler Schwimmbadwasser und er sinkt zu Boden“, erklärt Peters. Zu restlichen Grundausstattung gehören eine eng anliegende Badehose, Schnorchel, Taucherbrille, ein Kopfschutz und Schwimmflossen. Die bereiten mir schon nach den ersten Übungen Schmerzen. Weil ich meine Flossen schon vor Jahren im Meer verloren habe – Tauchen war noch nie mein Ding – hat Peters ein Paar mitgebracht. Leider nicht in Größe 47, sondern 45. Sein Tipp: die Zehen abkleben. Hätte er mal früher sagen sollen. Jetzt ist der dicke Onkel schon vor dem eigentlichen Spiel wund gescheuert. Was wohl noch kommen mag? Schließlich zählt zu meinen Gegnern nicht nur der Hüne Peters, sondern auch Jugendnationalspieler Max Kieth. Ihm eilt der Ruf voraus, besonders schnell zu sein.

Ausdauer, Kraft und Luftanhalten

„Unterwasser-Rugby erfordert Ausdauer, Kraft und langes Luftanhalten“, erklärt Peters. Aber man müsse auch wendig und schnell sein, da die richtige Positionierung für das Passspiel notwendig ist. Im Wasser lässt sich der Ball nur etwa über die Distanz von zwei Metern genau zustoßen. Profis drehen ihn an, damit er sich stabiler bewegt. „Und du brauchst natürlich Übersicht. Die kannst du dir auch beim Auftauchen verschaffen.“ Wenn das nur so leicht wäre.

Peters ist wie viele seiner Teamkollegen, die alle gut trainierte Schwimmerinnen und Schwimmer sind, erwartungsgemäß muskulös. Diese Kraft ist auch nötig, wenn unter Wasser um den Ball gekämpft wird. Von oben sieht es aus wie ein wilder Fischschwarm von zwölf Spielern, die mit aller Gewalt aneinander herumzerren. So schnell, dass man selbst beim zugucken die Orientierung verliert. Gerangel ist ausdrücklich erlaubt, um den Ball vom Ballführenden zu trennen. Nur „gefährliches Spiel“ ist verboten. Wie mag es erst sein, wenn man mittendrin steckt? Sich die Gegner, die nur an den blauen und weißen Badekappen und Badehosen zu erkennen sind, von allen Seiten nähern? Und man sich dann noch nicht mal durch Rufen verständigen kann?

Kurz nach dem Warmmachen mit Pass- und Flossenübungen erfahre ich es. Alle reihen sich im Wasser am Beckenrand ihrer jeweiligen Beckenhälfte auf. Manschaftsbesprechung. „Du gehst erstmal nach außen“, sagt mir meiner Mitspieler. Dort scheine ich den geringsten Schaden anzurichten. Die anderen teilen sich in Torwart, Verteidiger und Stürmer auf. Nach dem Anpfiff schwimme nur auf und ab. Eingreifen ist gar nicht möglich, weil ich beim Stellungsspiel nicht hinterherkomme. Es dauert nicht lange, da legt der Kieth den Ball in den Korb am Beckenboden.
Jetzt darf ich auch ran. Mir wird der Ball zugesteckt. Ich klemme ihn fest zwischen Brust und Arm, hole Luft und tauche ab.

Bis zu 45 Sekunden Schwerelosigkeit

Als Peters - ich habe ihn nur an seinen Brusthaaren erkannt - wie ein haariger Hai auf mich zukommt, spiele ich den Ball schnell ab und schwimme panisch nach oben. 15 bis 45 Sekunden bleibt man üblicherweise in der Schwerelosigkeit, um danach wieder Luft zu holen. Ein guter Atem-Tauch-Rhytmus ist wichtig, um keine wichtige Spielzeit, die zweimal 15 Minuten dauert, zu vergeuden. Nach wenigen Atemzügen soll es wieder nach unten gehen, ich brauche aber viel länger. Auch deshalb, weil ich wieder Wasser eingeatmet habe. Und Wasser in die Taucherbrille fließt.

Doch dann bietet sich die Chance, die Rolle des Underdogs auszunutzen. Kieth, der eigentlich das Tor bewachen soll, schwimmt mit nach vorne. Ich hole den Ball ab. Jemand umklammert mein Becken, wer anders packt mein Bein. Pass, die Gegner lassen ab. Rückpass. Kieth holt gerade Luft, ist zu weit vom Tor entfernt. Und der Ball landet durch meine rechte Hand fast schon seelenruhig im Korb.

„Da habe ich die Situation unterschätzt“, gibt er nach dem Spiel zu. Unterwasser-Rugby ist so komplex, dass viele Fehler passieren können, wenn man nicht wachsam ist. Genau so werde ich es auch in Erinnerung behalten. Und als die Sportart, in der ich am wenigsten Luft bekommen habe.

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