"Es tat höllisch weh" "Galaktischer" Wellbrock schwimmt zu EM-Gold

Glasgow · Nach dem EM-Sieg der Freistil Mixed-Staffel legt Florian Wellbrock am Sonntag für den Deutschen Schwimm-Verband eindrucksvoll nach. Der 20-Jährige gewinnt über 1500 Meter in deutscher Rekordzeit und schlägt dabei den Olympiasieger. Zwei andere machen Hoffnung.

 Florian Wellbrock jubelt über seinen EM-Titel über 1500 Meter Freistil.

Florian Wellbrock jubelt über seinen EM-Titel über 1500 Meter Freistil.

Foto: Ian Rutherford/PA Wire

Als Florian Wellbrock nur noch wenige Meter vom EM-Gold entfernt war, kämpfte Freundin Sarah Köhler auf der Tribüne des Tollcross International Swimming Centre mit den Tränen.

Der 20-Jährige krönte sich in Glasgow über 1500 Meter Freistil in deutscher Rekordzeit und Weltjahresbestzeit zum Europameister und schlug dabei den Olympiasieger. "Es tat hinten raus einfach nur höllisch weh", gestand der erste deutsche Einzel-Europameister im Beckenschwimmen seit 2014. Bei der Siegerehrung lauschte er ergriffen der Nationalhymne und konnte nur zaghaft mitsingen.

Im Becken hatte er nach seinen 14:36,15 Minuten energiegeladen gejubelt, war auf die Leine geklettert und hatte seine Muskeln präsentiert. Am Tag nach dem deutschen EM-Titel bei einer Staffel-Premiere bejubelte der Magdeburger einen weitaus prestigeträchtigeren und zudem seinen größten Erfolg - und das mit der viertbesten je geschwommenen Zeit auf dieser Strecke. "Ich hatte ab 200 Metern Gänsehaut", sagte Chefbundestrainer Henning Lambertz und stufte den Coup als "galaktisch" ein.

In den Katakomben der engen Schwimmhalle wurde der Sieger sehnlichst erwartet. "Ich hatte genug damit zu tun, dass ich nicht anfange zu weinen", sagte Freistilschwimmerin Köhler - und lachte. Dann stürmte sie auf Wellbrock zu, umarmte ihn innig und drückte ihm einen Kuss auf den Mund.

Wellbrock schwamm ein kluges Rennen und ging gleich das Tempo von Rio-Goldmedaillengewinner Gregorio Paltrinieri aus Italien mit. Am Ende hatte der Magdeburger die größten Reserven. "Es hat gezeigt, dass ich die letzten Monate alles richtig gemacht habe", sagte er.

Sein starker Auftritt passte zur Aufbruchstimmung der ersten Schwimmer-Tage der European Championships. "Wir wollten hier den Aufwärtstrend starten und nicht erst in Tokio. So kann es weitergehen", hatte Startschwimmer Jacob Heidtmann schon nach dem Sieg der nicht-olympischen Mixed-Staffel gesagt. Nun sollen weitere Erfolge in den Sommerspiel-Disziplinen her, wie es Wellbrock glückte.

Zwei Kandidaten für solche Erfolge sind Schmetterlingsschwimmerin Franziska Hentke (29) und Lagenspezialist Philip Heintz (27). Beide machten als Schnellste der Halbfinals über 200 Meter Hoffnung auf eine Medaille am Montag. Die Rückenschwimmer Christian Diener und Jan-Philip Glania über 100 Meter, sowie Isabel Gose auf der 200 Meter Freistil-Strecke erreichten ebenfalls das Finale. Das 4 x 200 Meter Freistil-Staffel-Quartett mit Damian Wierling, Henning Mühlleitner, Poul Zellmann und Heidtmann wurde beim Sieg der Briten Vierter.

Der Zusammenhalt in der Auswahl scheint für die ambitionierten Ziele zu stimmen. "Ich fühle mich pudelwohl im deutschen Team", sagte Wellbrock - nicht die erste Aussage über den Mannschaftsgeist in diese Richtung. "Wir wissen, wir sind gut drauf, und es läuft", sagte Mixed-Staffel-Schlussschwimmerin Annika Bruhn.

Das war bei den vergangenen Großereignissen anders. Bei den Olympischen Spielen 2016 blieben die deutschen Beckenschwimmer wie vier Jahre zuvor in London ohne Medaille. Im vergangenen Jahr sorgten zwischenmenschliche Probleme und Kritik an Lambertz rund um die WM in Budapest für Negativ-Schlagzeilen. Und nun? Die Erfolge an den ersten drei Wettkampftagen, zu denen auch Mühlleitners überraschende Bronzemedaille über 400 Meter Freistil zählt, verbessern die auch schon vor dem EM-Start gute Laune zusätzlich.

Bestens aufgelegt waren auch zwei Weltrekordler. Olympiasieger Adam Peaty aus Großbritannien schwamm die 100 Meter Brust in 57,10 Sekunden, Kliment Kolesnikow aus Russland die 50 Meter Rücken in 24,00 Sekunden.

Bei Köhler wirkte der Titel ihres Freundes als Stimmungsaufheller. Am Samstag hatte die 24 Jahre alte Frankfurterin im Rennen über 800 Meter Freistil die erhoffte Medaille als Vierte verpasst und anschließend Frust geschoben. "Wenn einer mal einen schlechten Tag hat, hat der andere einen guten und dann baut man sich zu Hause auf", sagte Wellbrock über den Zusammenhalt des Paares. Jetzt soll ihre Zeit kommen.

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