GA-Sportler des Monats Alhassane Baldé tauscht Rennrollstuhl gegen Bürostuhl

BONN. · Der mehrfache GA-Sportler des Monats Alhassane Baldé hat derzeit viel zu tun – nicht im Rennrollstuhl, sondern in seinem Job bei der Bundesagentur für Arbeit.

 Bei den Paralympischen Spielen vor vier Jahren in Rio startete Alhassane Baldé unter anderem über 5000 Meter. Auf seine vierte Paralympics-Teilnahme muss der Bonner wegen der Corona-Pandemie ein Jahr länger warten als geplant.

Bei den Paralympischen Spielen vor vier Jahren in Rio startete Alhassane Baldé unter anderem über 5000 Meter. Auf seine vierte Paralympics-Teilnahme muss der Bonner wegen der Corona-Pandemie ein Jahr länger warten als geplant.

Foto: picture alliance / dpa/Jens Büttner

Langsam, aber sicher würde für Alhassane Baldé jetzt die heiße Phase der Vorbereitung auf die Paralympischen Spiele 2020 beginnen. Doch statt zweimal täglich in seinem Rennrollstuhl auf das große Ziel einer paralympischen Medaille hinzutrainieren, sitzt Baldé im Büro seines Arbeitgebers, der Bundesagentur für Arbeit (BA), und durchlebt dort eine ganz andere heiße Phase.

Denn Baldé, der die BA normalerweise als Inklusionsbotschafter bei Messen oder Seminaren vertritt, arbeitet momentan im Kurzarbeitergeld-Bereich und daran, die gestellten Anträge der Arbeitnehmer, die aufgrund der Corona-Pandemie in Kurzarbeit geraten sind, möglichst schnell zu bewilligen. „Dadurch bekomme ich mit, welch eine Wirtschaftskraft im Bonner Raum und im Rhein-Sieg-Kreis verloren geht“, sagt Baldé. „Nach der langen Zeit ist es ungewohnt, wieder im Arbeitsalltag zu sein, aber es motiviert mich, den Menschen in der schwierigen Situation zu helfen.“

Seit Anfang 2019 war der dreimalige Sieger der Wahl zum GA-Sportler des Monats ursprünglich von seinem Arbeitgeber befreit, um sich voll und ganz dem Leistungssport zu widmen und den Traum vom paralympischen Edelmetall zu verwirklichen. Auf den Strecken zwischen 400 und 5000 Metern gehört der Rennrollstuhlfahrer der SSF Bonn zur Weltspitze und hat sich neben zwei deutschen Meistertiteln und diversen Medaillen bei Europameisterschaften auch drei Weltmeisterschaftsmedaillen erkämpft.

Bei den Paralympics hat es trotz dreier Teilnahmen noch nicht zum großen Wurf gereicht. Noch nicht, wohlgemerkt – denn genau das wollten Baldé und sein langjähriger Trainer Alois Gmeiner in diesem Sommer ändern. „Wir waren voll im Fahrplan und sind Anfang März nach Dubai gereist, um uns auf die ersten Qualifikationswettkämpfe für die Spiele vorzubereiten“, erinnert sich Baldé. „Doch schon zwei Wochen später wurden wir mit dem Flieger nach Deutschland gebracht, und es war schnell klar, dass es in den nächsten Monaten keine Groß-
events mehr geben wird.“

Am 24. März verkündete das Internationale Olympische Komitee (IOC) aufgrund der Corona-Pandemie letztendlich die Verschiebung der Olympischen und Paralympischen Spiele ins nächste Jahr. „Natürlich war die Motivation nach der Entscheidung erst einmal weniger vorhanden, da das Ziel, auf das ich so lange hingearbeitet habe, plötzlich weg war“, sagt Baldé. „Mein Trainer und ich haben dann aber ziemlich schnell umgeschaltet, das Training aus dem Sportpark Nord auf die Straßen in Niederkassel verlegt und uns mehr auf die Grundlagenausdauer konzentriert.“

Seitdem arbeitet Baldé morgens im Büro und dreht nachmittags seine Trainingsrunden. „Mittlerweile habe ich mich mit der Situation arrangiert und versuche für mich persönlich die positiven Dinge zu sehen“, sagt er. „Mein neuer Rennrollstuhl ist zum Beispiel noch nicht fertig, sodass ich vor den Spielen in diesem Sommer nicht mehr allzu viel Zeit gehabt hätte, um mich an ihn zu gewöhnen.“ Von dem eigens für ihn hergestellten Rollstuhl aus Carbon erhofft sich Baldé einen Leistungsschub von bis zu zehn Prozent: „Wir werden das zusätzliche Jahr nutzen, um an den letzten Feinheiten zu arbeiten und am Material zu tüfteln, um 2021 hoffentlich um eine Medaille mitfahren zu können.“

Es wäre ein märchenhaftes Ende einer langen Sportlerkarriere – denn nach den Spielen soll endgültig Schluss sein. „Eigentlich wollte ich diesen Sommer aufhören, aber jetzt hänge ich noch ein Jahr dran“, sagt Baldé. „Danach möchte ich aber andere berufliche und private Reize setzen.“

Einen Anreiz für sportliche Glanzleistungen bietet für Baldé neben Bestzeiten und Podestplätzen auch weiterhin die Gala zum GA-Sportler des Jahres, die für ihn schon dreimal am Ende einer Saison anstand und bei der er 2019 einen geteilten fünften Platz mit Judoka Falk Petersilka belegte. „Wenn dieses Jahr eine Gala stattfinden sollte, wäre die Veranstaltung etwas ganz Besonderes, weil es eben auch einfach ein absolutes Ausnahmejahr ist. Ich würde mich sehr freuen, andere Sportler wiederzusehen, da man im Moment wenig von ihnen mitbekommt und jeder für sich allein trainiert“, sagt Baldé. „Es wäre für mich spannend zu hören, wie jeder Einzelne die Situation wahrnimmt und versucht, damit klarzukommen. Außerdem würde es mich motivieren, weil wir alle das gleiche Ziel verfolgen, nämlich in unserem Sport erfolgreich zu sein.“

Dem Erfolg hinterherjagen möchte auch Baldé möglichst bald wieder, um aus einem aufgeschobenen Medaillentraum 2021 Wirklichkeit werden zu lassen.

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