Schwere Verletzung bei Alfterer Angreifer Traum vom Profi-Fußball für Nico Werner vorerst geplatzt

Bonn · Dem 20-jährigen Nico Werner reißt bereits zum zweiten Mal das Kreuzband. Der Traum vom Profi-Fußball scheint vorerst geplatzt, doch sein Comeback auf dem Fußballplatz will der Angreifer des VfL Alfter dennoch geben.

 Nico Werner arbeitet an seinem Comeback

Nico Werner arbeitet an seinem Comeback

Foto: Müller

Die Cafeteria des Bonner Zentrums für Ambulante Rehabilitation (BZfAR) ist verlassen. Am frühen Abend ist an den Tagen kurz vor Weihnachten wenig los. Die Weihnachtsdeko hüllt den Raum dennoch in ein warmes Licht. Ein junger Mann sitzt einsam auf einem der Stühle. Er lehnt sich über sein Notebook, ab und zu huscht der Finger über die Tastatur.

Nico Werner lernt für seine Klausuren. Wann immer es geht. Der 20-Jährige nimmt sein VWL-Studium ernst, will etwas erreichen im Leben. Dieser Ehrgeiz zeichnet ihn seit frühester Jugend aus. Und dieser Ehrgeiz soll ihn wieder zurückführen. Zurück auf den Fußballplatz.

Nico Werner gilt als großes Talent. Er spielt in der Jugend für den FC Hennef, wechselt im Sommer 2015 in die A-Jugend von Fortuna Düsseldorf. Dort soll der Sprung in den Profifußball gelingen. Doch 2016 gerät die steile Karriere ins Stocken. Werner erleidet im Derby gegen Borussia Mönchengladbach einen Kreuzbandriss. Statistisch gesehen reißt alle sechseinhalb Minuten in Deutschland ein Kreuzband. In 90 Prozent das vordere.

„Eine Kreuzbandruptur entsteht durch eine kombinierte Drehbewegung, häufig des auf dem Boden feststehenden Unterschenkels im dreidimensionalen Raum bei komplexen schnellkräftigen Sportarten“, weiß Doktor Jürgen Römer, Orthopäde und Diplom-Sportlehrer. Für Mediziner ist die schwere Verletzung längst Routine, für den Sportler meist ein Schicksalsschlag. „Das war schon ein Schock für mich. Da sind schon Tränen geflossen“, sagt Werner damals. Doch der Angreifer kämpft sich zurück. „Ich hatte schon das Gefühl, dass ich wieder zu 100 Prozent hergestellt bin“, sagt er heute. „Das Knie war wieder voll belastbar, es lief wieder rund.“

Tatsächlich kehrt Werner zurück, steht sogar im Kader der zweiten Mannschaft der Fortuna in der Regionalliga, Spielpraxis sammelt er in der U23 aber nicht. „Die Fortuna hätte mich gerne behalten. Ich wollte aber wieder zurück auf den Platz“, sagt Werner. Der heute 20-Jährige muss eine Entscheidung treffen. „Mir lagen schon ein paar Angebote vor. Doch ich dachte, bei meinem Heimatverein in Hennef würde ich wieder spielen können.“ Werner wechselt 2017 zu dem Mittelrheinligisten.

Doch beim FC tut er sich schwer. Es kommt zu Unstimmigkeiten mit dem Trainer. Im Winter folgt der Entschluss, sich dem Ligarivalen aus Alfter anzuschließen. Nach kleineren Anlaufschwierigkeiten beißt er sich durch und entwickelt sich zur neuen Saison zum Leistungsträger. „Nico ist für uns ein immens wichtiger Spieler“, sagt VfL-Coach Bayram Ilk. „Er arbeitet für die Mannschaft und unterstützt unseren Topscorer Mehmet Dogan.“

"Mir war sofort klar, dass das Kreuzband durch ist"

Werner spielt sich in die Stammelf, läuft in den ersten vier Saisonspielen auf. „Natürlich hatte ich nach dem ersten Kreuzbandriss noch den Traum, irgendwann im Profifußball zu spielen“, erinnert er sich. Gegen Wegberg Beeck läuft die 85. Spielminute. Werner nimmt in vollem Lauf den Ball mit der Sohle mit, es gibt einen leichten Gegnerkontakt. Genug, um Werner ins Straucheln zu bringen.

Der Angreifer bleibt mit dem Fuß im Boden hängen. „Mir war sofort klar, dass das Kreuzband durch ist“, sagt er. „Wenn man das einmal erlebt hat, weiß man direkt Bescheid.“ Ein zweiter Kreuzbandriss ist im Fußball keine Seltenheit. In den meisten Fällen handelt es sich allerdings um eine Reruptur, also ein Riss der eingesetzten Plastik. Je nach Studie passiert das bei fünf bis 25 Prozent der Operierten.

Bei Werner reißt das vordere Kreuzband des linken Knies. „Es ist natürlich schwer zu beurteilen, warum es in diesem Fall zu einem Riss des anderen Kreuzbandes kam“, erklärt Doktor Römer. „Manchmal ist es einfach nur Pech, manchmal ist es der Kontakt mit dem Gegner. Nicht selten hat der Sportler nur geringe Reaktionsmöglichkeiten.“ Laut dem Sportmediziner, der Teamarzt der Volleyballerinnen der SSF Fortuna Bonn ist, gibt es aber auch Menschen, die über ein besonders weiches Bindegewebe verfügen. Gerade bei den Sportlern bestünde dann ein höheres Risiko einer Kreuzband- oder Reruptur.

Während sich die Mannschaft nun auf die Rückrunde vorbereitet, heißt es für Werner, Gewichte stemmen, an der Stabilisation des Knies zu arbeiten. Auch der berufliche Fokus hat sich verschoben. „Klar habe ich von der Fußballkarriere geträumt. Mir ist klar, dass da Glück zugehört. Aber ich hätte es schaffen können“, sagt Werner. „Jetzt ist mir das Studium wichtig.“ Für diesen Traum klotzt er im Reha-Zentrum. „Die Geschichte von Nico geht uns schon unter die Haut“, sagt Andreas Stommel, Leiter des BZfAR, „Er hat sich nach dem ersten Kreuzbandriss so vorbildlich verhalten, hat alles für seine Profikarriere getan und dann reißt es erneut. Das ist schon bitter.“

Neues Standbein

Werner konzentriert sich jetzt erstmal auf sein Studium, will ein sicheres Standbein aufbauen. Ganz will er seinen Traum jedoch nicht begraben. „Ich wünsche mir, Regionalliga zu spielen. Das wäre schon schön“, sagt er. Jens Nowotny, Patrick Fabian, Sebastian Ginczek – tatsächlich gibt es zahlreiche Fußball-Profis, die sich gleich mehrfach das Kreuzband gerissen haben und immer wieder zurückgekehrt sind. „Nach so einer Geschichte sind wir nicht nur als Physiotherapeuten gefragt“, sagt Stommel. „Auch psychologisch müssen wir in so einem Fall unterstützen.“

Für Werner steht jetzt erst einmal ein kleiner Eingriff an. Narbengewebe soll entfernt werden. Dadurch wird die Beweglichkeit gesteigert. Und dann geht es wieder in die Reha. An der nötigen Motivation fehlt es dem Studenten nicht. Auch sein Trainer glaubt an ihn. „Er wird wieder eine wichtige Rolle einnehmen“, sagt VfL-Coach Ilk. „Ob es nach so einer Verletzung wieder bis ganz nach oben reicht, kann man nie sagen. Aber wenn einer den Ehrgeiz zum Comeback hat, dann Nico Werner.“

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