Kommentar zum Rücktritt Özils Fehler, Grindels Versäumnis

Meinung · Der DFB-Präsident hätte seinem Nationalspieler zur Seite treten müssen, als Özil aus dem Netz die blanke Ausländerfeindlichkeit entgegenschlug. Doch bei einem Rücktritt wäre der DFB-Präsident nur ein Bauernopfer, meint unser Autor.

Das Özil-Beben. Alles ist erschüttert. Der Deutsche Fußball-Bund, sein Präsident Reinhard Grindel, die Integrationspolitik hierzulande, das deutsch-türkische Verhältnis, die deutsche Reputation im Ausland. Schon ist vom "german racism" die Rede. So wie die WM 2006 voreilig das Bild vom fröhlichen Deutschen zeichnete, entsteht jetzt wieder das Bild vom hässlichen Deutschen. Das alles könnte Grindel aus dem Amt fegen. Die Rücktrittsforderungen werden häufiger und lauter.

Weiß eigentlich noch jemand, wie alles anfing? Es begann damit, dass sich ein Fußballer auf fremdes Parkett verirrte. Mesut Özil hat den Ball ins Rollen gebracht, indem er sich lächelnd mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan fotografieren ließ. Aus deutscher Sicht war das ein Fehler. Özils Fehler, nicht Grindels.

Der DFB-Präsident reagierte zunächst angemessen. Er distanzierte sich schnell von dieser Art der Wahlkampfhilfe und kündigte eine Aufarbeitung an. Das war - wiederum aus deutscher Sicht - politisch korrekt im Sinne der Demokratie. Längst nicht immer in den vergangenen Jahrzehnten hatten DFB-Präsidenten derart instinktsicher reagiert, wenn es um politische Dinge ging.

Richtig und Falsch schienen damit geklärt, zumal Grindels Verband definitiv nicht im Verdacht steht, Fragen und Probleme der Integration auszublenden. Im Gegenteil, der DFB ist da durchaus vorbildlich. Inzwischen aber haben sich die Rollen beinahe verkehrt. Özil wird hier und da für seinen Abgang mit durchgedrücktem Rücken gefeiert, Grindel für sein (fehlendes) Krisenmanagement kritisiert.

Der DFB-Präsident hätte seinem Nationalspieler zur Seite treten müssen, als Özil aus dem Netz die blanke Ausländerfeindlichkeit entgegenschlug. Das ist sein Versäumnis. Er hat nicht moderiert. Man könnte daraus die Notwendigkeit eines Rücktritts ableiten, aber Grindel wäre nur ein Baueropfer. Die eigentlichen (Integrations-)Probleme liegen tiefer. Nicht beim Fußball, nicht beim DFB und nicht beim hilflosen Präsidenten, der allerdings schnell seinen Rückflug aus dem Urlaub buchen sollte.

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