Gewinn des DFB-Pokals Niko Kovac gelingt mit Eintracht Frankfurt der goldene Abschied

Berlin · Mit Tränen in den Augen stand Niko Kovac nach dem 3:1-Pokaltriumph gegen Bayern vor den Fans von Eintracht Frankfurt. Während ihm ein Traumabschied gelang, verpasste Bayerns Coach Jupp Heynckes das anvisierte Double.

 Bei der Feier am Frankfurter Römer strahlt Niko Kovac mit dem DFB-Pokal um die Wette.

Bei der Feier am Frankfurter Römer strahlt Niko Kovac mit dem DFB-Pokal um die Wette.

Foto: dpa

Fußballfans besitzen die bemerkenswerte Gabe, ihre Meinung in kürzester Zeit zu revidieren. Der Stürmer, der noch vor kurzem nach Ansicht der Anhänger nicht mal in der Verbandsliga zu einem Tor fähig wäre, bestätigt sich wenig später als goldrichtige Verstärkung. Und der Trainer, dem nachgesagt wurde, er habe zuletzt wahrscheinlich in der vereinseigenen Volleyball-Abteilung gecoacht, erweist sich eines Tages als Taktikgenie von Champions-League-Format – was dem Fan natürlich insgeheim schon in der ersten Viertelstunde von dessen Debüt schwante.

Der Zeitraum dieses Sinneswandels erstreckt sich mal auf ein paar Wochen, mal auf nur zwei oder drei Spiele. Im Fall von Niko Kovac ging es noch schneller: In nur 90, genauer gesagt 96 Minuten Spielzeit, erhoben ihn nicht wenige Fans der Frankfurter Eintracht vom Buhmann zum Trainerhelden. Hatte es bei der Verlesung von Frankfurts Aufstellung vor Anpfiff des DFB-Pokalfinals an seiner Stelle noch ein unüberhörbares Pfeifkonzert gegeben, schallten nach Spielende „Niko-Niko“-Rufe aus dem Block. Das Theater um seinen Wechsel zu Bayern München trotz vormaligem Treuebekenntnis? Vergessen angesichts des famosen 3:1-Finaltriumphs seiner Elf gegen ebenjene Bayern, dem ersten Pokalsieg nach 30 Jahren Wartezeit.

An Kovac selbst ging die wiedergewonnene Liebe der heißblütigen Eintracht-Anhängerschaft freilich nicht spurlos vorbei. Als sie ihn und die Mannschaft nach dem besiegelten Coup vor der Ostkurve feierten, standen dem 46-Jährigen Tränen in den Augen. Tränen der Erleichterung, des puren Glücks und angesichts der Gewissheit, ein goldenes Ende mit diesem Team erreicht zu haben, dass er in nur etwas mehr als zwei Jahren von einem Fast-Absteiger zu einem DFB-Pokalsieger geformt hat.

Kovac wehrt sich gegen Kritiker

Es wäre menschlich gewesen, wenn Kovac bei der Vorgeschichte auch eine ordentliche Portion Genugtuung verspürt hätte. Dies sei jedoch nicht der Fall, beteuerte er nach der Partie in seiner Heimatstadt, um dann doch auf die Kritik an seinem Wechsel nach München zu reagieren. „Ich habe nichts verbrochen, habe niemanden umgebracht“, sagte Kovac entschieden und äußerte sich auch zur Darstellung, ein Großteil der Fans sei zuletzt gegen ihn gewesen: „Ich wehre mich dagegen, dass aus einer Minderheit eine Mehrheit gemacht wurde.“ Kovac sprach diese Worte im bierdurchtränkten Hemd, nachdem seine Spieler zuvor die Pressekonferenz mit einigen Kaltgetränken gestürmt hatten.

Die feucht-fröhliche Attacke unter Anführer Kevin-Prince Boateng traf den Eintracht-Coach so unvorbereitet wie zuvor das Auftreten seiner Elf den FC Bayern. Der Deutsche Meister leistete sich in Person von James unerwartete Fehler, die die Frankfurter wiederum in Person von Angreifer Ante Rebic zu den ersten beiden Toren nutzten. Während die Münchner in der Defensive so nachlässig agierten wie beim abschließenden Bundesliga-Saisonspiel gegen Stuttgart (1:4), war im Spiel der Hessen die von Kovac infiltrierte DNA unverkennbar, wie auch Jupp Heynckes in seiner (wohl endgültig) letzten Partie feststellte: „Frankfurt stand kompakt, war aggressiv und hat mit großem Engagement gespielt. Uns hat sicher auch ein bisschen das Glück gefehlt.“

Damit spielte der 73-Jährige auf gleich drei Szenen an. Zum einen die beiden Lattentreffer durch Robert Lewandowskis Freistoß zu Beginn des Spiels und Mats Hummels Kopfball in der Schlussviertelstunde. Und natürlich das elfmeterwürdige Foul Boatengs an Javi Martinez, das Schiedsrichter Felix Zwayer trotz Videobeweis nicht ahndete (siehe nebenstehender Text). „Ich habe mich in meiner ganzen Laufbahn nie zu Schiedsrichterentscheidungen geäußert, das werde ich auch jetzt nicht tun“, meinte Heynckes zu dieser Szene nur knapp.

Wagner schmeißt Medaille in die Zuschauerränge

Dass ihm der Abschied in den Ruhestand mit dem Double verwehrt blieb, hatte ohnehin tieferliegende Gründe. Trotz klarer Feldvorteile mit 77 Prozent Ballbesitz und deutlich mehr Torschüssen traten die Bayern ausgerechnet im Endspiel seltsam fahrig auf. Keine Spur von der Leistung im Halbfinale, als das Team Bayer Leverkusen nach allen Regeln der Fußballkunst zerlegte. Folglich war Heynckes auch nicht bemüht, die Leistung schön zu reden: „In einem Endspiel muss man seine Qualität auf den Punkt abrufen. Das haben wir heute nicht gekonnt.“

Der Frust darüber lag bei den Bayern so tief, dass sie direkt nach ihrer Medaillenverleihung in die Katakomben verschwanden, ohne den Frankfurtern noch bei der Pokalübergabe wie üblich zu applaudieren. Sandro Wagner, für den es mit der Nicht-Nominierung für die WM und der Finalniederlage eine Woche zum Vergessen war, schmiss seine Medaille gar in die Zuschauerränge. Somit lag es an Heynckes, doch noch ein paar versöhnliche Worte über die Saison zu verlieren. „Unabhängig von diesem Endspiel haben wir überragenden Fußball gespielt“, sagte er und verwies dabei auf den Rückstand von fünf Punkten, den das Team bei seiner Übernahme im Oktober auf Platz eins gehabt habe.

Fragen zu seiner Gefühlswelt nach dem unglücklichen Abschied von der Trainerbank wich Heynckes aus, er habe in diesem Moment nicht so viele Gedanken. „Ich muss jetzt erst mal ein bisschen Abstand nehmen.“ Zeit genug hat er dafür nun auf seinem Bauernhof am Niederrhein, von wo aus er die Arbeit seines Nachfolgers genau beobachten wird. Dass auch Kovac das Zeug zu einer großen Trainerkarriere hat, weiß Heynckes. Beim Beweis dafür war er im Olympiastadion Augenzeuge.

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