Kommentar zur WM-Auslosung Kein Karneval

Meinung | Moskau · Die Deutsche Fußball-Nationalmannschaft bekommt es im kommenden WM-Sommer in Russland zunächst mit den Gruppengegnern Mexiko, Schweden und Südkorea zu tun. Unser Kommentator meint trotz der vermeintlich machbaren Gegner: Der Titelverteidiger muss auf der Hut sein.

 Italiens ehemaliger Nationalspieler Fabio Cannavaro hat Südkorea bei der Auslosung gezogen.

Italiens ehemaliger Nationalspieler Fabio Cannavaro hat Südkorea bei der Auslosung gezogen.

Foto:  Dmitri Lovetsky

Als ob die Aussicht für das Abschneiden bei einer Fußball-WM von der Gruppenauslosung abhinge. Von wegen. Deutschland erwischte – gemessen an der Addition der Weltranglistenplatzierungen – 2014 sogar die schwierigsten Vorrundengegner (Portugal, USA, Ghana). Und wurde Weltmeister.

Nun also Mexiko, Schweden und Südkorea. Macht unter dem Strich die zweitleichteste Gruppe – gemessen am aktuellen Weltranking. Brasilien trifft auf die Schweiz, Costa Rica und Serbien. Das ist statistisch betrachtet das stärkste Vorrundenquartett. Eines dieser Teams wäre Achtelfinalgegner der DFB-Auswahl.

Serviert wurden die deutschen Gegner ausgerechnet von Gary Lineker. Jenem Topstürmer, der nach dem Elfmeter-Aus mit England im WM-Halbfinale 1990 das arg strapazierte Fazit zog: „Fußball ist ein einfaches Spiel: 22 Männer jagen 90 Minuten lang einem Ball nach, und am Ende gewinnen die Deutschen.“

Dem ist keineswegs immer so gewesen. Sportlich weniger erbauliche Jahre der DFB-Geschichte wie vier der sechs Turniere zwischen 1994 und 2004 dürfen nicht vergessen werden. Weil Hochmut vor dem Fall kommt. Wie für die Weltmeister Frankreich (1998), Italien (2006) und Spanien (2010) in der jeweils folgenden Vorrunde.

Überheblichkeit ist Bundestrainer Joachim Löw fremd. Auch im elften Jahr seiner Amtszeit, nach einem Rekordergebnis in der WM-Qualifikation und 21 Spielen ohne Niederlage. Ihm reicht die bloße Erdanziehung zur Bodenhaftung. Das ist wichtig. Obgleich die Auswahl etablierter erstklassiger und nachrückender hungriger Spieler nie zuvor in Fußball-Deutschland so groß war wie aktuell.

Die erfolgsverwöhnten Weltmeister, Confed-Cup-Sieger und U21-Europameister müssen geerdet bleiben. Umso bedeutender ist die von Löw aus gutem Grund immer wieder eingeforderte hundertprozentige Einstellung. Insbesondere für die Gruppenphase, egal gegen wen es geht. Alle werden sich gegen den Weltmeister zerreißen.

Es gibt keine leichten Vorrundenkontrahenten für den Titelverteidiger. Danach gilt – unabhängig, ob Brasilien im Achtelfinale wartet – Per Mertesackers Mahnung nach dem glücklichen Weiterkommen 2014 gegen Algerien: Karnevalstruppen gibt es unter den letzten 16 nicht.

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