Kolumne "EM-Stichtag" König Otto von Athen

Meinung | Bonn · Am 4. Juli 2004 gewinnt die griechische Nationalmannschaft sensationell die Europameisterschaft in Portugal. Im Finale von Lissabon gelingt ein 1:0-Sieg gegen den Gastgeber. Doch der Star der Mannschaft ist ein Trainer aus Deutschland.

 Otto Rehhagel (vorn), der deutsche Trainer der Griechen, jubelt mit Spielern und Betreuern über den Sieg seines Teams bei der Europameisterschaft in Lissabon.

Otto Rehhagel (vorn), der deutsche Trainer der Griechen, jubelt mit Spielern und Betreuern über den Sieg seines Teams bei der Europameisterschaft in Lissabon.

Foto: picture-alliance/ dpa/dpaweb

. Wiederholt sich Geschichte doch? Am 4. Juli 1954 feierte Deutschland das Wunder von Bern, die bis dahin größte Sensation im Weltfußball. „Auf den Tag genau 50 Jahre danach schenkte der Fußball der Welt eine neue Sensation – und der 4. Juli wird zu einem geradezu magischen Datum“, heißt es in Gerhard Dellings EM-Buch „Portugal 2004“. Griechenland, der krasse Außenseiter, der erst zweimal bei großen Turnieren dabei gewesen ist und noch nie ein Spiel gewonnen hat, holt nach zwei Siegen über Gastgeber Portugal sowie 1:0-Erfolgen über Franzosen und Tschechen den Titel. Doch der Vater des Erfolgs ist ein Mann aus dem Ruhrgebiet, ein Kind der Bundesliga: Otto Rehhagel.

„Selten prägte ein Trainer so intensiv mit seiner taktischen Marschrichtung ein großes Turnier. Im Gestrüpp der vielen griechischen Beine verhedderten sich die Favoriten, stolperten die Stars gleich reihenweise“, schreibt Delling. Rehhagel hat seiner Mannschaft eine Taktik vermittelt, mit der er über fast zwei Jahrzehnte bei Werder Bremen und beim 1.FC Kaiserslautern erfolgreich war: disziplinierte und kontrollierte Defensive. Da passt ins Bild, dass der Bremer Angelos Charisteas im Finale per Kopf das 1:0 erzielt.

Viele Mannschaften haben die Fans mit tollem Offensivfußball begeistert. Umso unverständlicher, dass gerade die Griechen mit ihrer Betontaktik den Titel gewinnen. Die portugiesische Zeitung „A Bola“ bringt es auf den Punkt: „Griechenlands Sieg wird als ein Sieg von Effizienz über Ästhetik in die Geschichte eingehen. Es ist der Sieg einer Spinne, die ihr Opfer im Netz fängt, um es dann zu töten. Das ist für den Fußball nicht gut.“

Die „Bild“-Zeitung fordert Rehhagel auf, er solle „nach Hause kommen und den deutschen Fußball retten“. 2006 steht schließlich die Heim-WM an, doch König Otto bleibt in Hellas, kann an seinen Erfolg aber nicht mehr anknüpfen. In der Heimat hingegen beginnt mit Jürgen Klinsmann und Jogi Löw eine neue Ära mit vielen Erfolgen – bis zum Höhepunkt in Brasilien.

In der Serie EM-Stichtag erinnern wir täglich an markante Momente in der Geschichte der Fußball-Europameisterschaften.

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