2. Liga Hamburger Derby: Unsicherer HSV gegen erstarktes St. Pauli

Hamburg · Sieben Jahre lang haben die Fußball-Fans in Hamburg auf das Emotions-Duell gewartet. Am Sonntag ist es soweit: Ein verunsicherter HSV empfängt in der 2. Bundesliga einen erstarkten FC St. Pauli. Es geht um mehr als drei Punkte. Die Polizei erwartet ein Großeinsatz.

 Ist mit seinem Team im Derby gefordert: HSV-Coach Christian Titz.

Ist mit seinem Team im Derby gefordert: HSV-Coach Christian Titz.

Foto: Daniel Karmann

Besondere Spiele erfordern besondere Maßnahmen: Zur Einstimmung auf das Emotionsderby gegen den FC St. Pauli setzte Trainer Christian Titz für den Fußball-Zweitligisten Hamburger SV am Samstag ein öffentliches Abschlusstraining an - statt sich wie sonst üblich abzuschotten.

"Es ist wirklich gut, dass die Spieler auch sehen, dass die Fans und viele Menschen in der Stadt hinter ihnen stehen", sagte Titz am Freitag. "Das wird uns noch einmal beflügeln und den Spielern ein Stück weit zeigen, was für eine Besonderheit dieses Derby ist."

Der 47-Jährige wird nun seine Mannschaft einen Tag vor dem elektrisierenden Duell am Sonntag gegen den Rivalen vom Kiez zur letzten Einheit bitten. Weitere motivierende Maßnahmen für seine Spieler braucht Titz nicht. "Der Ansporn reicht aus, dass wir gegeneinander spielen", meinte er. "Der Sieger kriegt die Lorbeeren, der Verlierer kriegt die Häme."

Der HSV war erst am späten Freitagnachmittag vom Auswärtsspiel bei der SpVgg Greuther Fürth mit der Bahn zurückgekehrt. Die Hanseaten hatten noch am Donnerstagabend 0:0 bei den Franken gespielt, doch die Nullnummer war auf der Rückreise längst kein Thema mehr. Es zählte allein die Prestigepartie am Sonntag. Als Stimmungsaufheller taugte der Teilerfolg in Fürth nach der 0:5-Blamage gegen Jahn Regensburg ohnehin nicht, bestenfalls als halber Mutmacher.

"So ein Derby ist ein großes Spiel. Da entscheiden manchmal andere Dinge, nicht nur, wer spielerisch die bessere Mannschaft ist", meinte Offensivspieler Khaled Narey kämpferisch. "Jeder muss bei 110 Prozent sein und sich in die Zweikämpfe werfen. Wenn wir das machen, dann denke ich, dass wir die bessere Mannschaft sind."

Für viele Fans in der Hansestadt ist es das Spiel der Spiele. Schon lange sind alle 57 000 Tickets verkauft. Für seine eigenen Anhänger veranstaltet der FC St. Pauli ein Public Viewing im Millerntor-Stadion. Die 15 000 Plätze war ebenfalls schnell vergeben.

Obwohl beide Teams in der Englischen Woche ran mussten, wird seit Tagen nur über die 100. Auflage des Stadtduells in einem Pflichtspiel gesprochen. Mehr als sieben Jahre lang mussten die Fans in der Hansestadt auf die Partie verzichten. Der erstmalige Bundesliga-Abstieg des HSV machte das Stadtderby möglich.

Das letzte Spiel ist vor allem für die Fans des Kiezclubs unvergesslich. Am 16. Februar 2011 gewann der FC St. Pauli in der Bundesliga durch ein Tor von Gerald Asamoah 1:0 im Volksparkstadion. Am Ende der Saison stand für St. Pauli trotzdem der Abstieg.

Die Schmach von damals spielt im trüben Hier und Jetzt des HSV keine Rolle mehr. Die Pleite gegen Regensburg am vergangenen Sonntag hat die Mannschaft verunsichert. Trainer Titz wirkte erstmals seit seinem Amtsantritt angespannt, obwohl er mit Platz drei vor Beginn des achten Spieltags noch einigermaßen im Soll ist. Ein Sieg im prestigeträchtigsten Spiel der Saison würde ihm viel Druck nehmen.

Der FC St. Pauli geht indes gestärkt in das nur neun Kilometer vom Millerntor entfernte Gastspiel. Die Siege beim FC Ingolstadt und gegen den SC Paderborn waren die richtigen Anheizer vor dem Duell mit dem ungeliebten Nachbarn.

"Ich weiß, dass der HSV nominell einen besseren Kader hat. Ich weiß aber auch, dass unsere Spieler sich zerreißen werden. Was andere mehr haben, gleichen wir durch Herz und Leidenschaft aus", sagte St. Paulis Trainer Markus Kauczinski am Freitag. "Derbys sind keine Spiele wie alle anderen, weil die Erwartungen und das Kribbeln in der ganzen Stadt etwas völlig anderes sind."

Nicht nur sportlich versetzt das Spiel die Hansestadt in einen Ausnahmezustand. Die Polizei und die Bundespolizei stehen am Wochenende vor großen Herausforderungen. Hamburgs Polizeisprecher Timo Zill sprach von einem "überdurchschnittlichen Einsatz" im Vergleich zu anderen Spielen. Insgesamt rechnet er mit 700 bis 1000 gewaltbereiten Fans, die jeweils zur Hälfte der HSV- und der St. Pauli-Seite zugerechnet werden. Auch Anhänger anderer Clubs aus dem In- und Ausland werden erwartet, die sich mit den jeweiligen Fan-Gruppen der Hamburger Vereine verbunden fühlen. Zill gab sich zuversichtlich: "Wir kennen und können Derby."

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