Vorbild Handball Ex-Referee Kinhöfer für Zeitstrafen in der Bundesliga

Frankfurt/Main · Immer wieder dieser verflixte Videobeweis. Die Debatten über umstrittene Schiedsrichter-Entscheidungen werden deshalb kaum weniger, die Trainer toben weiter am Spielfeldrand herum. Ein früherer Spitzen-Referee hätte ein Mittel gegen die Motzkis.

 Der ehemalige Schiedsrichter Thorsten Kinhöfer plädiert für Zeitstrafen im Fußball.

Der ehemalige Schiedsrichter Thorsten Kinhöfer plädiert für Zeitstrafen im Fußball.

Foto: Uwe Anspach

Kalibrieren, lamentieren und diskutieren - nicht nur der Videobeweis lenkte am 19. Spieltag wieder mal vom eigentlichen Fußball ab.

Dabei gab es tolle Tore und packende Spiele, aber auch: Trainer wie Rumpelstilzchen an der Seitenlinie, strittige Schiedsrichter-Entscheidungen, viele Zeitlupen. Die Bundesliga als Debattierclub. Der frühere DFB- und FIFA-Schiedsrichter Thorsten Kinhöfer hat jetzt Zeitstrafen für Motzereien gegen Referees gefordert. Denn die ständigen Beschwerden gehören längst zum Profifußball wie bunte Kickschuhe.

Im Handball habe der Spielleiter mit der Zwei-Minuten-Zeitstrafe ein Instrument, das wirke, so Kinhöfer. "Warum führen wir nicht im Fußball auch so etwas ein? 15 Minuten raus bei Pöbeleien gegen den Unparteiischen - für mich durchaus denkbar", sagte der 50-Jährige aus Herne in seiner Kolumne für die "Bild am Sonntag". Freiburgs Coach Christian Streich wäre da durchaus ein Kandidat: Beim 2:4 gegen die TSG 1899 Hoffenheim echauffierte er sich über die "Frau Schiedsrichterin" Bibiana Steinhaus. Nach dem Abpfiff gab er sich wie so oft reumütig: "Der Verlierer sollte ruhig sein."

Bremen und Eintracht Frankfurt boten zwar beim 2:2 eine rassige Partie und tolle Tore. Trainer Florian Kohfeldt tobte aber an der Außenlinie herum, bis Schiedsrichter Markus Schmidt ihn auf die Tribüne schickte. "Es ist von mir kein böses Wort gefallen - über die kompletten 90 Minuten nicht", beteuerte Kohfeldt und meckerte: "Ich bin nicht zufrieden, dass bei diversen Entscheidungen nicht eingegriffen wurde. Vor dem 1:1 gab es ein klares Handspiel. Das geht so nicht." Immerhin: Den Handelfmeter für Frankfurt bestätigte er als "klaren Elfmeter". Und - späte Einsicht: "Glück hatten wir, dass wir in der Nachspielzeit keinen zweiten Elfmeter bekommen haben."

Debattierclub Bundesliga. Im Handball, so Ex-Referee Kinhöfer, herrsche ein anderes Verständnis von Fairness und der Umgang mit Schiedsrichtern sei "so gänzlich anders als im Fußball: Da wird nicht lamentiert bei Entscheidungen, sie werden akzeptiert". Und im Handball seien auch Schwalben verpönt. "Im Fußball? Sterbender Schwan, Rudelbildung, ewiges Theater", sagte Kinhöfer.

Zehn-Minuten-Zeitstrafen gab es schon früher im deutschen Amateurfußball, die 1. und 2. Bundesliga hatte sich jedoch dagegen immer gewehrt. Die Regelhüter des International Football Association Board (IFAB) genehmigten 2017 die Einführung von Zeitstrafen nach Gelben Karten - allerdings nur im Jugend-, Amateur- und Behindertenfußball. Die Idee geht auf einen Vorschlag des Niederländers Marco van Basten zurück.

Inzwischen gibt es einzelne Landesverbände in Deutschland, die im Jugendbereich Zeitstrafen umsetzen und damit auf einen erzieherischen Effekt hoffen. Leverkusens Sportdirektor Rudi Völler sprach sich am Sonntag bei Sky gegen dieses Mittel aus. "Wie soll das funktionieren", fragte er nach der Umsetzbarkeit am Spielfeldrand.

Rund um die Trainerbänke in der Bundesliga ist trotz des Videobeweises keine Ruhe eingekehrt. Bei der 1:2-Niederlage von Schlusslicht 1. FC Nürnberg in Mainz zogen die Videoassistenten im Kölner Keller zwei so genannte Kalibrierungslinien. Wegen einer Fußspitze im Abseits wurde der Treffer von Adam Zrelak zur Club-Führung aberkannt. "Wenn das über solche Dinge entschieden wird, dann ist der Grundsatz eines Videobeweises ad absurdum geführt. Es war mit normalem Menschenauge nicht zu erkennen. Wenn es trotzdem wieder bewertet wird, ist die Frage: Wann beginnt eine spielentscheidende Szene und wann endet sie?", kritisierte Trainer Michael Köllner.

Spitzenreiter Borussia Dortmund profitierte beim 5:1 über Hannover davon, dass Manuel Gräfe ein klares Foulspiel von Thomas Delaney an Noah Joel Sarenren Bazee im Strafraum übersah. Bei einem Elfmeterpfiff hätte der Abstiegskandidat ausgleichen können.

Völlig außer sich war Augsburgs Coach Manuel Baum. "Skandal!", wütete der 39-Jährige nach dem 0:2 bei Borussia Mönchengladbach und schimpfte wie ein Rohrspatz auf Schiedsrichter Harm Osmers. "Der kennt seine eigenen Regeln nicht. So was Dilettantisches. Und der pfeift Bundesliga!" Ein Abseitsposition von Lars Stindl zum Führungstreffer durch Oscar Wendt hatte Baum auf die Palme gebracht. Da half Osmers vielleicht das, was WM-Referee Felix Brych einem "Elf Freunde"-Interviewer vergangene Woche verraten hatte: "Unter Schiedsrichtern gilt: Alles sehen, nicht alles hören!"

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