Fußball-Bundesliga Türsteher mit Retter-Mentalität

LEVERKUSEN · Bayer Leverkusen: Die Innenverteidiger retten das 0:0 gegen den FC Bayern, und Jonatha Tah ist plötzlich ein EM-Kandidat.

 Fußball Bundesliga - 19. Spieltag: Bayer Leverkusen - Bayern München am 06.02.2016 in der BayArena in Leverkusen (Nordrhein-Westfalen). Leverkusens Leverkusens Admir Mehmedi (l-r), Jonathan Tah und Kevin Kampl begrüßen Fans nach dem Spiel. Das Spiel endete 0:0. Maja Hitij/dpa (Wichtiger Hinweis: Aufgrund der Akkreditierungsbestimmungen der DFL ist die Publikation und Weiterverwertung im Internet und in Online-Medien während des Spiels auf insgesamt fünfzehn Bilder pro Spiel begrenzt.) +++(c) dpa - Bildfunk+++

Fußball Bundesliga - 19. Spieltag: Bayer Leverkusen - Bayern München am 06.02.2016 in der BayArena in Leverkusen (Nordrhein-Westfalen). Leverkusens Leverkusens Admir Mehmedi (l-r), Jonathan Tah und Kevin Kampl begrüßen Fans nach dem Spiel. Das Spiel endete 0:0. Maja Hitij/dpa (Wichtiger Hinweis: Aufgrund der Akkreditierungsbestimmungen der DFL ist die Publikation und Weiterverwertung im Internet und in Online-Medien während des Spiels auf insgesamt fünfzehn Bilder pro Spiel begrenzt.) +++(c) dpa - Bildfunk+++

Foto: dpa

Im Land des Weltmeisters sind überdurchschnittliche und vor allem robuste Verteidiger eine seltene Spezies geworden. Auf den Außenpositionen sowieso, aber zunehmend auch im Zentrum. Per Mertesacker spielt nicht mehr in der Nationalelf, Jerome Boateng fällt noch lange aus, auch Benedikt Höwedes ist mal wieder verletzt, und wie lange Holger Badstuber gesund bleibt, mag niemand prognostizieren. Da droht ein Problem bei der Europameisterschaft in Frankreich. Also schickte Bundestrainer Joachim Löw seinen Assistenten Thomas Schneider nach Leverkusen, damit der sich diesen Jonathan Tah mal ansieht.

Tah – 19 Jahre jung, in dieser Saison jede, wirklich jede Pflichtspielminute auf dem Platz, breitschultrig wie ein Türsteher. Ein Türsteher vor dem Strafraum. Selbst Stürmer vom Schlage eines Robert Lewandowski überlegen sich zweimal, ob sie mit diesem Hünen in den Zweikampf gehen sollen. Dass Bayer am Samstag 0:0 gegen Bayern München spielte, dass der Tabellenführer erst zum dritten Mal in dieser Bundesligasaison nicht gewann, das war nicht zuletzt Tahs Verdienst. Und das seines Nebenmannes Ömer Toprak.

Kevin Kampl spielt unmittelbar vor Tah, auf der Position des Sechsers. Der Mittelfeldspieler erlebt Woche für Woche, wie beruhigend es ist, wenn ihm so ein Bär im wahrsten Sinne des Wortes den Rücken freihält. „Weltklasse“ nannte Kampl diesmal die Leistung seines Hintermannes, der sich in Schüsse warf, im letzten Moment Münchner Konter weggrätschte und allenfalls mal in Schwierigkeiten geriet, wenn er außen gegen die Turbos Kingsley Coman oder Douglas Costa aushelfen musste.

Leverkusens Trainer Roger Schmidt prägte womöglich einen neuen Begriff für die Fußballsprache, als er das Wirken seines Innenverteidiger-Duos auf den Punkt brachte: „Die beiden haben eine Retter-Mentalität.“ Weil Bayer sehr früh den Gegner attackiert und deshalb anfällig für Konter ist, braucht die Mannschaft diese Geisteshaltung in der hintersten Reihe. Innenverteidiger in Leverkusen, das ist ein schwieriger Job.

Bayern-Coach Pep Guardiola schien fast ein wenig neidisch zu sein. Die Leverkusener haben nämlich etwas, was die Münchner derzeit nicht haben: zwei verlässliche Abräumer mit solider Spieleröffnung im Zentrum. „Die Qualität von Tah und Toprak ist Wahnsinn“, bemerkte Guardiola anerkennend. Der Spanier selbst, der neben Boateng auch auf Javier Martinez verzichten musste, hatte diesmal Holger Badstuber und Joshua Kimmich in der Mitte aufgeboten. Die beiden erledigten ihren Job ordentlich, wenngleich Kimmich oft nervös wirkte. Vielleicht überlegt sich Guardiola deshalb für die Champions-League-Duelle gegen Juventus Turin noch etwas anderes.

Wenn nach einem 0:0 so viel über die Innenverteidigung gesprochen wird, kann das Spiel kein Kracher gewesen sein. Tatsächlich zeigten die beiden so begabten Teams, dass sie wirklich alles können – sogar Langeweile verbreiten. Vor der Pause dürften nicht zuletzt die Statistiker gegähnt haben, denn sie zählten lediglich zwei Torschüsse. Einen hier, einen da.

Erst nach dem Wechsel nahm das Spitzenspiel Fahrt auf. Zunächst wurde Bayer ein wenig stärker, dann, als nach einer Stunde Thomas Müller eingewechselt wurde, die Bayern. Müller vergab zwei Großchancen (64., 65.) und pumpte allen Leverkusenern mächtig Adrenalin durch den Körper, schließlich machte auch Lewandowski noch auf sich aufmerksam (83., 90.). Am Ende aber benutzten beide Seiten Vokabeln wie „verdient“, „gerecht“ und „in Ordnung“. Eine Punkteteilung, die weder richtig nützte noch schadete.

Jonathan Tah hatte durchaus mitbekommen, dass Löw-Assistent Schneider wegen ihm vor Ort weilte. Aber der Mann, der vor der Saison für acht Millionen Euro dem Hamburger SV abgekauft worden war, erledigte den Zweikampf mit den Medien ebenso souverän wie zuvor die Duelle mit den Münchner Angreifern. Ja, natürlich sei die Nationalmannschaft sein Ziel, sagte Tah. „Irgendwann.“

Dass seine Entwicklung noch nicht zu Ende sein kann, weiß er offenbar. Es gibt Bessere – noch. Wie Ömer Toprak am Samstag die Gegner ablief, wie er auch in turbulenten Situationen die Übersicht behielt, das hatte noch eine Spur mehr Qualität. Aber Toprak wird dem jüngeren Kollegen den Weg ins Nationalteam nicht verbauen. Er spielt, obwohl in Ravensburg geboren, für die Türkei.

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