EM-Qualifikation Deutschland gewinnt 3:2 in den Niederlanden

Amsterdam · Erst stark gespielt, dann stark nachgelassen, am Ende aber doch gejubelt: Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft ist mit einem knappen 3:2-Sieg bei den Niederländern erfolgreich in die EM-Qualifikation gestartet.

Es ist vollkommen ausgeschlossen, dass Leroy Sané die DFB-Trikot-Hintern-Abwisch-Gemeinheit des Holländers Ronald Koeman einst wahrhaftig mitbekommen hat. Ebenso ausgeschlossen ist, dass Serge Gnabry die Lama-Spuck-Attacke von Frank Rijkaard, ebenfalls Holländer, live und in Farbe miterlebte. Zu diesem Zeitpunkt, Ende der 1980er/Anfang der 1990er Jahre, waren die beiden aktuellen deutschen Nationalspieler nämlich noch lange nicht geboren.

Es ist also durchaus möglich, dass Sané und Gnabry den ganzen Bombast, der auf Duellen zwischen den ausgemachten Lieblingsfeinden Deutschland und Niederlande lange lag, in all seiner Dimension gar nicht mitbekommen haben. Die Zeiten der wenig verhohlenen Abneigung sind ein wenig vorbei. Und die beiden jungen Deutschen haben sich aus ihrer Sicht ja auch mit weitaus mehr Ballast herumzuschlagen. Sie sollen an entscheidender Stelle helfen, den deutschen Fußball aus seinem Dahinvegetieren zu befreien und den Blick auf blühendere Landschaften frei zu machen.

Sané trifft zum 0:1

Am Sonntagabend in Amsterdam ist dies geglückt. Zumindest teilweise. Die DFB-Auswahl von Bundestrainer Joachim Löw hat zum Auftakt der EM-Qualifikation ein Spiel gewonnen, indem nach einer starken ersten und einer zweiten Hälfte, in der sie alle Mühe hatte, dem niederländischen Druck Stand zu halten, alles auf ein Remis hinauslief. Wie im bislang letzten Aufeinandertreffen im November verspielte sie dabei zunächst eine 2:0-Führung. Doch in der letzten Minute war der aufgerückte Nico Schulz zur Stelle und traf zum 3:2 (2:0). Der Jubel nach dem Schlusspfiff fiel verhalten aus. Die Deutschen hatten sehr viel investiert.

Dass die Deutschen nicht gewillt waren, sich zu verstecken im Hexenkessel der Amsterdamer Arena, wurde rasch deutlich. Bereits nach zwei Minuten musste sich Holland-Schlussmann Jasper Cillessen mächtig strecken, um das Geschoss von Gnabry um den Pfosten zu lenken. Wie sich das der Bundestrainer so vorstellt mit seiner "Moped"-Gang (den schnellen Jungs vorn), führten seine Spieler nach einer Viertelstunde eindrucksvoll vor. Pass Toni Kroos in den Lauf von Nico Schulz, flache, präzise Hereingabe auf Sané, Ballannahme, Schuss ins lange Eck - 1:0 (15.).

Babel scheitert zweimal vor dem Tor

Ohnehin wurde es häufig gefährlich, wenn Gnabry und Sané, die Löw gemeinsam von der Leine gelassen hatte, kombinierten und ihren Turbo zündeten. Manchmal wurde es auch gefährlich, wenn keiner kombinierte. Gnabry nahm einen langen Ball von Antony Rüdiger in vollem Lauf mit, kurvte nach innen und zirkelte den Ball beinahe robbenesk in den entfernten Winkel (34.), das 2:0, ein Kunstwerk. Bis dahin hatte die Mannschaft einen Eindruck von dem gegeben, was sich der Bundestrainer unter seinem neuen Deutschland so vorstellt. Tempo, versierte Ballbehandlung, Abschluss - das will Löw sehen, das bekam er zu sehen.

Auf der anderen Seite zeigte diese junge Mannschaft aber auch, dass ihr Gerüst ohne die drei 2014er Weltmeister Mats Hummels, Jerome Boateng und Thomas Müller nicht frei ist von Vibrationen. Ryan Babel tauchte binnen zwei Minuten zweimal frei vor Manuel Neuer, der allerdings in beiden Fällen eindrucksvoll zeigte, warum ihm Löw vertraut (25., 27.).

Abwehr geriet immer mehr unter Druck

Die DFB-Elf wich auch nach dem doppelten Wachrüttler nicht zurück, kontrollierte die Partie mit dem defensiven Mittelfeld-Duo Joshua Kimmich und Toni Kroos, neben Neuer und (dem in Brasilien einsatzlosen) Matthias Ginter der letzte verbliebene Rio-Held. Thilo Kehrer per Kopf (39.) und erneut der wuselige Sané (40.) kamen dem Tor sehr nahe. Von Hemmungen ob der Schwere der Aufgabe und der Bedeutung des Spiels war jedenfalls nicht viel zu sehen.

Es ist davon auszugehen, dass Löw neben einigem Lob seinen Spielern auch eine Warnung mit auf den Weg in die zweite Hälfte gegeben hat: Ein frühes Gegentor galt es zu vermeiden. Doch Matthijs de Ligt tat den Gästen den Gefallen nicht. Sein Kopfball nach einer Depay-Flanke landete unhaltbar für Neuer im Tor (48.). Wie würde das Löw-Team reagieren? Zunächst hatte es gegen die immer häufiger schwappenden Angriffswellen der Holländer einige Mühe, sich über Wasser zu halten.

Die Angriffsversuche der deutschen Elf wurden frühzeitig unterbunden. Holland kam - und Deutschland war in Not. Die Abwehr-Dreierkette um den beeindruckenden Niklas Süle geriet zusehends unter Druck. So durfte Memphis Depay fast ungehindert einschießen (63.), als die halbe DFB-Abwehr die Orientierung im eigenen Strafraum verlor. Nun ging das Schwimmen erst richtig los, nach vorn schien nichts mehr zu gehen. Zumal Löw den formstarken Marco Reus lange wegen Oberschenkelproblemen auf der Bank ließ. Doch die Deutschen fingen sich. Nun kam Reus (88.). Dann sein Pass auf Schulz. Und der Sieg war perfekt.

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