Billy, Genickbruch und das Tor Das alte Wembley-Stadion ist reich an Geschichten und Kuriositäten

Bonn · Wembley, jene legendäre Stätte des Weltfußballs, ist untrennbar mit Deutschland verbunden. Verbunden nicht erst seit 1966, als Geoff Hurst jenes Tor schoss, oder besser, nicht schoss. Das einzige und wahre "Wembley-Tor", das Uwe Seeler und Co. ins Tal der Tränen beförderte.

 Deutsche Fußball-Tragik: Kein Tor! Oder doch Tor? Schiedsrichter Gottfried Dienst gab jedenfalls den englischen Treffer zum 3:2, das sogenannte Wembley-Tor, im Finale 1966.

Deutsche Fußball-Tragik: Kein Tor! Oder doch Tor? Schiedsrichter Gottfried Dienst gab jedenfalls den englischen Treffer zum 3:2, das sogenannte Wembley-Tor, im Finale 1966.

Foto: dpa

Ein Überblick über Fakten und Kuriositäten rund um Wembley: Erbaut wurde das Wembley-Stadion als Empire Stadium in nur 300 Tagen für die Kolonialausstellung des Britischen Empires, die von 1923 bis 1925 stattfand. Die Kosten betrugen rund 750.000 britische Pfund. Anschließend sollte der Riesenbau abgerissen werden.

Doch er blieb stehen, weil der ehemalige Kioskpächter Arthur Elvin das Stadion für 12.500 Pfund in bar und einem Wechsel über 110.000 Pfund kaufte. Die Zeit der Mythen konnte sich fortsetzen. Bereits bei der Eröffnungsveranstaltung am 28. April 1923 war der erste geboren worden. Hatte in den drei Jahrzehnten zuvor das englische Fußball-Pokalfinale fast immer im Crystal Palace im Londoner Süden stattgefunden, zog man nun ins weitaus imposantere Wembley-Stadion um.

An mehr als 126 000 Zuschauer waren Eintrittskarten verkauft worden. Doch immer mehr Menschen drängten sich an dem Tag in den Riesenbau. Letztlich wurde ihre Menge, die selbst das Spielfeld bevölkerte, auf 200.000 geschätzt. Die Polizei war machtlos. Nur Constable George Albert Scorey auf seinem Schimmel "Billy" behielt die Übersicht. Langsam ritt er in die Masse und drängte die Menschen vom Spielfeld hinunter. Mit 45-minütiger Verspätung wurde die Partie zwischen West Ham und den Bolton Wanderers, die mit 2:0 gewannen, angepfiffen.

Im FA-Cup-Finale von 1956 schrieb ein Deutscher Wembley- und Fußball-Geschichte. Bert Trautmann, als Kriegsgefangener nach England gekommen, spielte mit Manchester City gegen Birmingham City. In der 75. Minute wurde der Torhüter von Gegenspieler Peter Murphy im Nacken getroffen.

Da es zu jener Zeit noch keine Auswechselmöglichkeit gab, spielte Trautmann trotz großer Schmerzen weiter. Mit verwegenen Paraden rettete er den 3:1-Sieg. Drei Tage später zeigte eine Röntgenuntersuchung, dass Trautmann sich einen Genickbruch zugezogen und fünf Halswirbel ausgerenkt hatte.

Zehn Jahre später kam es 1966 zum legendären Wembley-Tor. Im WM-Finale zwischen England und Deutschland schoss Geoff Hurst in der Verlängerung an die Unterkannte der Latte. Der Ball sprang auf den Boden und ins Spielfeld zurück. Auf Intervention des russischen Linienrichters Tofik Bakhramov entschied der Schweizer Schiedsrichter Gottfried Dienst auf Tor. England gewann mit 4:2.

1972 gelang erstmals einer deutschen Nationalelf ein Sieg in Wembley. Der überragende Günter Netzer führte die Mannschaft zum 3:1-Sieg im Viertelfinalhinspiel der EM. Wenige Wochen später wurde die Mannschaft in Brüssel Europameister.

In Wembley gelang auch der bislang letzte deutsche Titelgewinn. 1996 wurde im EM-Endspiel Tschechien mit 2:1 besiegt. Noch dramatischer und impulsiver ging es freilich im deutschen Halbfinalspiel zu, als Gastgeber England nach einem 1:1 in der regulären Spielzeit mit 6:5 im Elfmeterschießen bezwungen wurde.

Sieglos blieben die Engländer auch in ihrem letzten Länderspiel im alten Wembley-Stadion. Am 7. Oktober 2000 verloren sie das WM-Qualifikationsspiel gegen Deutschland. Schütze des einzigen Treffers war Dietmar Hamann, der damals für den FC Liverpool spielte. Danach wurde die Arena aufwändig umgebaut.

Fußballspiele waren im alten Wembley-Stadion übrigens nicht die am häufigsten durchgeführten Veranstaltungen. Das waren die auf einer das Fußballfeld umrundenden Bahn ausgetragenen - Windhundrennen.

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