Kommentar zur Nationalmannschaft Abgehoben und entfremdet

Meinung | BONN · DFB-Direktor Oliver Bierhoff wollte die Nationalmannschaft zu einer Marke stilisieren. Mit seinem Vorhaben erlitt er Schiffbruch, denn manchmal ist weniger mehr.

Es gab eine Zeit, da verband man mit dem Begriff der Marke (neudeutsch auch: Markenclaim) allenfalls diesen niedlichen Teddybären auf den Kondensmilchdosen. Es war die Zeit, in der gesetztere Herren mit riesigen Brillen aus Horn und Glas die Geschicke des Deutschen Fußball-Bundes leiteten, in der Walter Baresel noch mit Ärmelschoner-Korrektheit die DFB-Pokal-Auslosungen leitete. Die Vermarktung der Nationalmannschaft steckte damals nicht einmal in Babypantöffelchen.

Das hat sich geändert. Inzwischen ist alles eine Nummer größer, besser: ganz großes Kino, was die Lenker der aktuellen Nationalmannschaft da so unternehmen, um den Bekanntheitsgrad ihres Produktes in ungeahnte Höhen zu treiben. Das Ziel ist klar: Gewinnmaximierung.

In diesem großen Kino in Watutinki mit seinen roten Sesseln, in dem bei der WM in Russland die Pressekonferenzen der Nationalelf abgehalten wurden, wimmelte es nur von Botschaften, die hinaus in die Welt gesendet werden sollten. Wobei: Darf man das eigentlich noch sagen: Nationalelf? Oder DFB-Team. Oder gar Jogis Jungs? Folgt man den PR-Strategen des Verbandes, dürfte es eigentlich nur einen Namen geben für die zum Wirtschaftsunternehmen unfunktionierte Auswahl der besten Fußballer des Landes: Die Mannschaft! Überall war das zu lesen. Auch auf dem Pressepodium im großen Kinosaal – auf Deutsch und auf Russisch. Die Mannschaft. Einst im Ausland als Begriff für die DFB-Elf geschaffen, haben es sich die Kreativköpfe der DFB-Marketingabteilung zu eigen gemacht. Man wollte eben so sein wie die anderen mit ihren klingenden Namen wie etwa Equipe Tricolore (Frankreich), La Furia Roja (die Rote Furie aus Spanien) oder zumindest wie Danish Dynamite (Dänemark). Die Mannschaft – das klingt dann doch ein wenig wie Walter Baresel, ist aber immerhin ein Markenartikel, den es in die Welt zu transportieren gilt.

Schon im WM-Trainingslager in Südtirol wurde man fast erdrückt von ihm. Auf dem deutschen Mannschafts-Bus stand er, klar. Auf den Werbebanden am Trainingsplatz, der für Fans allerdings nur in absoluten Ausnahmefällen einzusehen ist – die Stars werden eben konsequent abgeschottet. Auf den großen weißen Fahnen daneben. Überall: Die Mannschaft. Als Werbung. Die Nationalmannschaft sei „das Aushängeschild des Deutschen Fußball-Bundes“, sagte Oliver Bierhoff einmal, der zum Direktor Nationalmannschaften aufgestiegen ist und als Triebfeder der weltweiten Vermarktung gilt. „Wir müssen weiter den Mut haben, sie als Premiumprodukt zu positionieren.“ Und: „Das heißt doch nicht, dass wir den Boden unter den Füßen verlieren.“ Das trat dann doch ein. Die „FAZ“ macht ihn jedenfalls für ein „Gefühl der Abgehobenheit und Entfremdung“ verantwortlich. Und „Spiegel Online“ nennt Bierhoff den „Mann fürs Portemonnaie, nicht fürs Herz.“

Dass der Ex-Nationalspieler als Diplom-Betriebswirt nicht nur den Sinn im Sportlichen, sondern auch im Geschäftlichen sieht, ist nicht einmal verwerflich. Aber so banal es klingt: Manchmal ist weniger eben mehr. Der 50-Jährige aber will, so scheint es, alles, zumindest aber alles #ZSMMN (zusammen). Unter diesem sinnentleerten Hashtag, der unter seiner Führung ins Leben gerufen wurde, sollte eine Gemeinsamkeit zwischen Protagonisten und Fans entstehen – das Ziel wurde verfehlt. Als falsch erwies sich ebenso die Annahme, dass sich die Besten niemals ausruhen, was sich in dem abgehobenen Werbespruch „Best never Rest“ spiegeln sollte. Die Mannschaft kam in Russland über den Urlaubsmodus nie hinaus.

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