1. FC Köln Wolfgang Weber besucht den "Wembley-Ball"

BONN · Der Kölner Ex-Nationalspieler Wolfgang Weber hält im Bonner Haus der Geschichte erstmals seit 1966 den Wembley-Ball in den Händen. Bis heute wird über das legendäre Wembley-Tor diskutiert. Für Weber ist die Antwort ganz einfach: Er war nicht drin!

Vorsichtig greift Wolfgang Weber in die Glasvitrine. Über seine Lippen huscht ein Lächeln, als seine Hände – selbstverständlich in weiße Stoffhandschuhe gehüllt – die rötlich-braune Kugel berühren. „Jetzt alle eine royale Haltung einnehmen“, sagt der ehemalige Vorstopper des 1. FC Köln und hebt das wertvolle Exponat in die Höhe. „Fühlt sich ganz gut an und sieht auch noch toll aus, als könnte man heute noch damit spielen“, sagt er. Und fügt dann ehrfurchtsvoll an: „Nach so vielen Jahren diesen Ball in den Händen zu halten, ist schon etwas ganz Besonderes.“

Letztmals hatte Weber diesen Fußball vor 53 Jahren in den Händen, oder besser am Fuß und am Kopf – im Weltmeisterschaftsfinale 1966 im Londoner Wembleystadion. Sein Name ist mit dem besonderen Spielgerät ganz eng verbunden, durch zwei außergewöhnliche Aktionen. Denn Weber gehörte zu den zentralen Protagonisten im wohl legendärsten Fußballspiel der Geschichte, das vor allem durch das berühmte „Wembley-Tor“ für immer in der kollektiven Erinnerung von Fußballfans weltweit bleiben wird.

Nun also ist der 53-fache deutsche Nationalspieler wieder mit dem „Wembley-Ball“ vereint. Seit dem 10. Juli ist die Lederkugel, die damals im Endspiel zwischen England und Deutschland zum Einsatz kam, im Rahmen der Ausstellung „Very British“ im Haus der Geschichte zu sehen. Allerdings nur noch bis zu diesem Freitag, dann geht das Artefakt zurück ins Fußballmuseum nach Manchester.

„Mir fehlt hier das Tor, das ich gemacht habe. Das ist ein Skandal“, macht der Vizeweltmeister schmunzelnd auf seine eigene damalige Heldentat aufmerksam. Schließlich war es der heute 75-Jährige, der mit seinem Tor in letzter Sekunde für den 2:2-Ausgleich sorgte und damit eine Verlängerung erzwang. In der dann jenes Tor fiel – oder auch nicht – über das bis heute heiß diskutiert wird. Drin, oder nicht drin?

Englands Stürmer Geoffrey Hurst hatte in der 101. Minute aus kurzer Distanz an die Unterkante der deutschen Latte geschossen. Von dort prallte der Ball auf die Torlinie – Weber klärte anschließend per Kopf über das Tor zur Ecke. Doch nach Rücksprache mit Linienrichter Tofiq Bahramov aus Aserbaidschan entschied der Schweizer Schiedsrichter Gottfried Dienst auf Tor. Das 3:2 für England, am Ende hieß es 4:2 für die Briten, die damit erstmals Weltmeister wurden.

Diskussion über Torvergabe

Für Weber ist die Sache ganz klar. „Der war nicht drin“, sagt er überzeugt und deutet dann auf einen Bildschirm, auf dem eine Computeranimation läuft, die britische Wissenschaftler anhand der original Fernsehbilder erstellt haben. Sie zeigt den Ball klar hinter der Linie. „Ich habe das Video auch“, sagt Weber. „Darüber ärgere ich mich total. Die haben ja den halben Ball abgeschnitten.“ Tatsächlich hatten Ingenieure der Universität Oxford in den 90er Jahren ermittelt, dass der Ball die Torlinie nicht vollumfänglich überschritten hatte.

Heute ist der aus Lederstücken handgenähte Ball für die Engländer ein nationales Artefakt. Dabei war er über Jahre in Vergessenheit geraten. Denn nach dem Spiel war der Ball verschwunden – weil ihn sich der deutsche Nationalspieler Helmut Haller, der im Finale das 1:0 erzielt hatte, unter den Nagel gerissen hatte. „Mich wundert immer noch, wie Helmut auf die Idee gekommen ist, das Ding mitzunehmen. Plötzlich stand er damit in unserer Kabine“, erinnert sich Weber. Erst 30 Jahre später, kurz vor der Europameisterschaft 1996 in England, bedrängten englische Jornalisten Haller, den Ball zurückzugeben. Der Augsburger übergab ihn schließlich symbolisch an den dreifachen Finaltorschützen Geoffrey Hurst, seitdem ist das gute Stück im National Football Museum in Manchester untergebracht.

Als Weber den Wembley-Ball zurücklegen soll, wird er ein wenig melancholisch: „Für uns war das ja eine blöde Geschichte, dass wir durch dieses Tor, das ein Nicht-Tor war, verloren haben.“ Und, als wäre es Teil dieses ewigen Wembley-Fluches, geht dann auch noch die Ablage in die Vitrine schief. Mehrfach bricht das fragile Plastikpodest, auf dem Weber den Ball platzieren soll, auseinander. Erst als ein Museumsmitarbeiter zu Hilfe kommt, findet der Ball wieder seine angestammte Position – auf grünem Untergrund, wenige Zentimeter VOR der Torlinie. Weber muss lachen und deutet auf den Raum dahinter: „Die Engländer würden sagen, das ist das Spielfeld!“ Damit der Ball irgendwie doch drin war.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort