Interview mit Wolfgang Overath „Ich bin kein Mensch, der ewig Streit verträgt“

Meinung | Köln · Wolfgang Overath spricht im GA-Interview über seine Liebe zum 1. FC Köln und die Versöhnung mit FC-Präsident Werner Spinner. Bald will er wieder ins Stadion gehen – erstmals nach fünf Jahren

Fünf Jahre lang hat Wolfgang Overath geschwiegen, kein Interview gegeben. Seit seinem Rücktritt als Präsident des 1. FC Köln. Jetzt spricht der 72-Jährige: Im Interview mit GA-Sportchef Berthold Mertes offenbart er, wie sehr ihn die harsche Kritik nach seinem Rücktritt getroffen hat. Und dass er in Kürze erstmals seit 2011 als Zuschauer ins Müngersdorfer Stadion zurückkehren will – vielleicht sogar schon zum FC-Heimspiel gegen RB Leipzig am 25. September, dem Vorabend der FC-Mitgliederversammlung. Auch wenn er das noch nicht ankündigt.

Herr Overath, was bedeutet Ihnen der 1. FC Köln?

Wolfgang Overath: Es hat zwei Vereine in meinem Leben gegeben. Der erste war der aus der Stadt, in der ich geboren worden bin: der SV Siegburg 04. Dort habe ich mit acht Jahren mit dem Fußballspielen begonnen. Der zweite und wichtigste in meinem Leben ist der 1. FC Köln. Ich habe dem FC sehr viel zu verdanken – und der Club vielleicht auch mir ein bisschen.

Seit Ihrem Rücktritt als FC-Präsident im Jahr 2011 gilt das Verhältnis zwischen Ihnen und Ihrem Nachfolger Werner Spinner als zerrüttet. Jetzt stehen die Zeichen auf Entspannung. Richtig?

Overath: Ich bin kein Mensch, der ewig Streit verträgt, und hoffe, dass wir einen Weg finden. Es geht hier um meinen Verein, egal ob Herr Spinner oder irgendein anderer ihn führt. Und jetzt ist der Zeitpunkt für mich gekommen, um zu sagen, ich möchte diesen Schritt machen und wieder hingehen. Ich möchte das Verhältnis zu meinem Club wieder so haben, wie es vorher war. Deshalb bin ich bereit zu Gesprächen – die werden wir führen.

Warum hat es bis zu dieser Annäherung fünf Jahre gedauert?

Overath: Weil mich die damaligen Vorkommnisse tief getroffen haben. Wenn mich jemand kritisiert und sagt: du hast dieses oder jenes verkehrt gemacht, dann bin ich jederzeit bereit, darüber zu diskutieren. Ich mag aber überhaupt nicht, wenn versucht wird, Politik zu machen. Und das Gefühl hatte ich eine lange Zeit. Vielleicht hätte ich viel gelassener mit allem umgehen sollen. Aber so ein Typ bin ich nicht.

Was für ein Typ sind Sie denn?

Overath: Immer offen und direkt, und das erwarte ich auch von anderen.

Was genau hat Ihnen so sehr wehgetan?

Overath: Darüber werden wir zuerst intern reden müssen.

Manch einer behauptete, Sie hätten geherrscht wie ein Tyrann.

Overath: Unsinn. Es hat in diesem Verein einen Vorstand gegeben, zwei Geschäftsführer und zwei Leute aus dem Verwaltungsrat, die bei jeder wichtigen Frage dabei waren. Egal, ob es um einen neuen Trainer ging oder um den Etat: Ich habe keine einzige Entscheidung alleine getroffen. Alle fielen gemeinsam – ohne Gegenstimme. Und wenn du dann danach in der Öffentlichkeit so etwas hörst, dann verletzt das sehr, weil es unwahr ist.

Erkennen Sie im Rückblick auch eigene Fehler?

Overath: Natürlich haben wir Fehler gemacht. Aber wer macht keine Fehler? Und ich denke, wir haben auch wichtige Weichen für die Zukunft gestellt.

Inwiefern?

Overath: Ab unserem Amtsantritt in der zweiten Liga hatten wir alle Spiele ausverkauft, alle Logen und alle Dauerkarten vergeben, fast von heute auf morgen. In dieser Zeit hat die Veränderung angefangen. Aus 12.000 Mitgliedern wurden binnen zwei Jahren 55.000. In der Wahrnehmung von außen entstand das, was man heute als Normalität betrachtet: Der FC wurde für viele Menschen eine Herzensangelegenheit. Sie waren seit 2011 nicht mehr im Stadion. Wann gehen Sie wieder hin? Overath: Zuerst muss ich mich noch mit Herrn Spinner und dem Vorstand zusammensetzen. Es müssen die Punkte diskutiert werden, und dann sehen wir weiter.

Klingt so, als seien Ihre Wunden noch nicht ganz verheilt. Gibt es eine Chance, dass Werner Spinner und Sie jemals Vereinsfreunde werden?

Overath: Es geht hier nicht um Freundschaft, es geht darum, den Kontakt zwischen dem Verein und mir wiederherzustellen. Ich will dann versuchen, mit Herrn Spinner ein vernünftiges Verhältnis hinzukriegen.

Was bedeutet Ihnen Vereinstreue?

Overath: Wenn man wie ich mit Leib und Seele ein ganzes Leben lang nur für einen Club da war, bedeutet das unerhört viel. Wenn der FC absteigt in die zweite oder dritte Liga, dann wird es immer mein Verein bleiben – selbst wenn in der Nachbarschaft ein Verein in der Champions League spielt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich diese Einstellung je ändert. Unmöglich, dass ich sage, mit dem FC will ich nichts mehr zu tun haben.

Kennen Sie aktuelle Bundesligaspieler mit einer Einstellung wie Ihrer oder der von HSV-Idol Uwe Seeler?

Overath: Man kann die beiden Zeiten nicht miteinander vergleichen. Ich glaube, das kommt heute nicht mehr vor. Aber auch damals waren Uwe und ich schon eher eine Ausnahme. Denn fast alle großen Spieler wie Franz Beckenbauer, Günter Netzer oder Gerd Müller sind gewechselt.

Wie empfinden Sie dieser Tage die Diskussionen um Franz Beckenbauer?

Overath: Als absolute Unverschämtheit. Keinem anderen hat der Fußball in Deutschland so viel zu verdanken wie ihm. Der Franz hat sicherlich auch Fehler gemacht, aber was man dann mit ihm angestellt hat, ist nicht in Ordnung.

Haben Sie Kontakt zu ihm?

Overath: Wir telefonieren öfter miteinander. Ohne zu wissen, was da alles gelaufen ist: Ohne ihn hätten wir die WM nicht bekommen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort