Neuer Coach Favre baut den BVB um - Watzke: "Laden im Griff"

Bad Ragaz · Noch ist keine wichtige Partie gespielt. Und doch hat sich der neue BVB-Coach Lucien Favre beim Revierclub bereits viel Respekt verschafft. Nicht nur sein Fachwissen kommt gut an. Mit dem "knuffigen Kauz" kehrte das Wohlfühlklima zurück.

 Dzenis Burnic (r) lauscht den Worten von BVB-Coach Lucien Favre.

Dzenis Burnic (r) lauscht den Worten von BVB-Coach Lucien Favre.

Foto: David Inderlied

Lucien Favre ist sichtlich unzufrieden. Kopfschüttelnd und leise schimpfend schreitet er zur Tat.

Nicht die Leistungen seiner Profis in der Übungseinheit von Bad Ragaz sorgen beim neuen Dortmunder Coach für Unmut, sondern die Stellung eines Trainingshütchens. Erst als er es um einen Meter versetzt hat, legt sich sein Ärger.

Ein Perfektionist wie er kann mit solchen Ungenauigkeiten schlecht leben. Die Akribie des Schweizer Fußball-Lehrers kommt bei seinen Spielern gut an. "Lucien Favre ist der beste Trainer, mit dem ich in meiner Karriere zusammen gearbeitet habe - fachlich und menschlich", schwärmte BVB-Leitwolf Marco Reus.

Ein Pflichtspiel hat Favre bei seinem neuen Verein noch nicht gewonnen, wohl aber viel Respekt und Sympathie. "Ich finde es überragend, wie er die Dinge angeht", lobte Mittelfeldspieler Mario Götze bereits vor einer Woche. Ähnlich wie der Weltmeister von 2014 geht auch Hans-Joachim Watzke mit einem guten Gefühl in die neue Saison. "Ich habe auf der USA-Reise gespürt, dass er schon eine große Akzeptanz bei der Mannschaft besitzt", urteilte der BVB- Geschäftsführer im "Kicker" und attestierte dem Coach "den Laden im Griff" zu haben.

In den vier Wochen seit seinem Amtsantritt hat der "knuffige Kauz" ("Kicker") Favre beim BVB für ein Wohlfühlklima gesorgt, das in der vergangenen Spielzeit verloren gegangen war. Dazu trug auch der überraschende Besuch in der BVB-Geschäftsstelle bei, bei dem er sich Zeit für einen Plausch mit Angestellten des Revierclubs nahm.

Nach einem strapaziösen und erfolgreichen Trip durch drei US-Städte nimmt der 60-Jährige nun in den Schweizer Alpen den Feinschliff vor. In jeder der zwei täglichen Einheiten ist erkennbar, wie er das zuletzt fade Spiel der Borussia beleben will. Vom tempoarmen Ballbesitzfußball ohne viel Raumgewinn hält er wenig. Stattdessen favorisiert Favre klares Passspiel mit viel Tempo und Struktur sowie schnelles Umschalten bei Balleroberungen.

Wie schon bei der WM in Russland könnte diese Art von Umschalt- und Konterfußball auch beim BVB eine Renaissance erleben. Naheliegende Vergleiche mit der Spielphilosophie des in Dortmund noch immer verehrten Jürgen Klopp (FC Liverpool) scheint Favre jedoch nicht zu mögen. "Wir spielen unseren Fußball", antwortete der einstige Hertha- und Gladbach-Coach kurz und knapp auf entsprechende Nachfragen.

Wieder und wieder verblüfft er seine Profis in Einzelgesprächen mit seiner Vorliebe für Details. "Er bespricht mit mir meine Körperhaltung, wie ich laufen soll, wie ich den rechten, wie ich den linken Fuß einsetze - für ihn ist alles wichtig", verriet der 28 Millionen Euro Neuzugang Abdou Diallo aus Mainz.

Auch Götze, der bereits mit namhaften Trainern wie Klopp und Pep Guardiola zusammen gearbeitet hat, ist beeindruckt von der Gewissenhaftigkeit des Schweizers: "Diese kleinen Details machen den Unterschied, wenn es darauf ankommt. Es macht Spaß, das sieht man auch auf dem Platz. Ich freue mich auf die Saison."

Gut möglich, dass der Favre-Kader in den kommenden Tagen zusätzlich verstärkt wird. Hartnäckig halten sich die Gerüchte, dass Axel Witsel noch in dem bis zum 8. August datierten Trainingslager zur Mannschaft stößt. Doch die unterschiedliche Auffassungen zwischen dem BVB und dem Witsel-Club Tianjin Quanjian über die Gültigkeit einer Ausstiegsklausel, wonach der belgische Nationalspieler den chinesischen Erstligisten für 20 Millionen Euro bereits in diesem Sommer und damit ein Jahr vor dem offiziellen Vertragsende verlassen darf, erschweren weiterhin den geplanten Transfer.

Von diesem Aufreger-Thema will sich Favre in seiner sorgfältigen Vorbereitung auf jede Trainingseinheit nicht ablenken lassen. Die Vision von einem umgebauten BVB mit neuem Glanz treibt ihn an: "Wir müssen noch viel lernen. Und wir müssen üben, üben, üben."

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