Kommentar zur Kronzeugenregelung Scharfes Schwert

Meinung | Bonn · Durch Kronzeugen und Whistleblower hat der Kampf gegen Sportmanipulation an Fahrt aufgenommen. Die Kronzeugenregelung liefert das scharfe Schwert, um an Hintermänner zu gelangen, findet GA-Sportchef Berthold Mertes.

Was die Bedeutung einer Kronzeugenregelung für die Dopingbekämpfung angeht: Nie war die Einsicht der führenden deutschen Sportfunktionäre in deren Notwendigkeit so groß wie heute. Inzwischen ist sie so unstrittig, dass Alfons Hörmann am Mittwoch nach der wegweisenden Sitzung des Sportausschusses im Bundestag nicht nur versicherte: „Wir sind eindeutig und klar dafür.“ Sondern sogar noch bekräftigte: „Und waren das schon immer.“

Vielleicht hat der 58 Jahre alte Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) Erinnerungslücken, zumindest aber kein Langzeitgedächtnis. Denn es ist erst eine Funktionärsgeneration her, dass der inzwischen zum IOC-Präsidenten aufgestiegene Hörmann-Vorgänger Thomas Bach und DOSB-Generaldirektor Michael Vesper beharrlich daran festhielten, die damals vorhandenen Gesetze böten juristisch alle Möglichkeiten der Dopingverfolgung. Der promovierte Jurist Bach und seine Gefolgschaft irrten gewaltig. Ein Anti-Doping-Gesetz? Nicht notwendig. Erklärte die Funktionärsclique damals.

Nicht zuletzt, weil das aufgeflogene russische Dopingsystem das Umdenken in Deutschland forcierte, gibt es seit Dezember 2015 das Gesetz. Es ist Grundlage für eine Kronzeugenregelung. Und erst die liefert das wirklich scharfe Schwert, um bei Dopingvergehen an Hintermänner zu gelangen. Das zeigt die jüngere Vergangenheit. Es bedurfte mutiger Athleten – wie die Whistleblowerin Julia Stepanowa, die den Impuls zur Russland-Enthüllung gab, und jüngst den österreichischen Skilangläufer Johannes Dürr, der den Seefeld-Skandal auslöste. Und es waren mutige Journalisten wie ARD-Dopingenthüller Hajo Seppelt, die mit ihrer Berichterstattung Druck auf den Kessel und die Funktionärsriege zur Änderung ihrer Meinung brachten. Eine Kronzeugenregelung würde diesen Mechanismus vereinfachen: Täter mit einer Chance auf Straffreiheit packen eher aus.

Was der in Hörmanns Äußerung gespiegelte Meinungsbildungsprozess auf Funktionärsebene zeigt: einerseits der für das Amt eines führenden Sportfunktionärs erforderlichen Opportunismus; andererseits, und das ist äußerst erfreulich: die Fahrt, die der Kampf gegen Sportbetrug durch Leistungsmanipulation aufgenommen hat. Diese Überzeugung sollte sich schnell im Parlament durchsetzen. Denn zur gesetzlich verankerten Kronzeugenregelung gibt es keine wirksame Alternative.

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