Formel 1 Die Tragödie des Ayrton Senna

Imola · Formel-1-Legende Ayrton Senna starb am 1. Mai 1994 beim Großen Preis von San Marino. Die Unfallursache wurde nie geklärt.

 Bis heute gilt er als einer der besten Formel-1-Piloten: Ayrton Senna, hier im McLaren-Cockpit.

Bis heute gilt er als einer der besten Formel-1-Piloten: Ayrton Senna, hier im McLaren-Cockpit.

Foto: dpa

Es ist früher Nachmittag an diesem 1. Mai 1994 – als an Brasiliens Stränden die Menschen ihre Badesachen packen. Viele von ihnen weinen. Gerade haben sie die Nachricht erhalten – ihr Held ist tot: Ayrton Senna da Silva. Der dreifache Formel-1-Weltmeister wird nur 34 Jahre alt.

1994 sollte das Jahr des Ayrton Senna werden. Der Brasilianer verlässt Ende 1993 McLaren und wechselt zu Williams. Dort hat gerade sein Erzfeind Alain Prost überlegen die WM gewonnen.

Als Prost von Sennas Verpflichtung hört, erklärt er zum Saisonende seinen Rücktritt. Auf keinen Fall will er mit dem Brasilianer in einem Team fahren. Senna wiederum verzichtet auf die Hälfte seines Gehalts, um das vermeintlich beste Auto zu bekommen. Der vierte WM-Titel scheint nur noch Formsache zu sein. Doch weit gefehlt. Es stellt sich heraus, dass der 94er-Williams schwer zu fahren ist. Ende 1993 wurden Traktionskontrolle, aktive Fahrwerke und andere elektronische Fahrhilfen verboten. Ohne diese Komponenten funktioniert das Auto nicht richtig. In den ersten beiden Läufen scheidet Senna aus. Der aufstrebende Michael Schumacher gewinnt beide Rennen und droht, in der Weltmeisterschaft früh davonzuziehen. Senna steht unter Druck, als er zum Großen Preis von San Marino aufbricht – es müssen Siege her.

Doch das Wochenende beginnt schon katastrophal. Am Freitag überlebt Rubens Barrichello einen spektakulären Unfall glücklich. Der 21-Jährige fährt bei weit über 200 km/h auf einen Randstein. Sein Jordan hebt ab und überschlägt sich. Barrichello wird am Unfallort notfallmäßig versorgt. Er ist ohne Bewusstsein, hat seine Zunge verschluckt und droht zu ersticken. „Als ich im Streckenkrankenhaus aufwachte, war Senna der Erste, den ich sah“, erinnert sich der Brasilianer. Tage später wird er den Sarg seines Landsmanns tragen.

Mit Hubschrauber in Krankenhaus geflogen

Am Samstag geht Roland Ratzenberger in seinem Simtec ins Qualifying. Ratzenberger bestreitet erst seinen dritten Grand Prix. Bei seinem Debüt scheitert er an der Qualifikation, im zweiten Rennen wird er Elfter. In seinem dritten Rennen bricht bei rund 300 km/h der Frontflügel, und Ratzenberger knallt in eine Mauer. Sein Genick bricht, innere Organe werden schwer verletzt – er ist sofort tot. Senna versucht, im Streckenkrankenhaus Informationen zu bekommen – erfolglos. Auf dem Rückweg trifft er den Formel-1-Arzt Professor Sid Watkins. „Er heulte an meiner Schulter. Ich fragte ihn, warum verzichtest du nicht auf das Rennen. Warum hörst du nicht auf“, erzählt Watkins später. „Es gibt Dinge, über die wir keine Kontrolle haben. Ich kann nicht aufhören. Ich muss weitermachen“, antwortet Senna.

Am Sonntag ist die Stimmung im Fahrerlager angespannt. Auf allen Fotos und Filmen sieht man Ayrton Senna mit einem ernsten, traurigen Gesichtsausdruck. Als das Rennen gestartet wird, passiert der nächste Unfall. Beim Start fährt Pedro Lamy auf das Auto von J.J. Lehto. Durch umher fliegende Teile werden neun Personen verletzt. Das Safety-Car neutralisiert das Rennen. Als es wieder freigegeben wird, verteidigt Senna seine Führung, gejagt von Michael Schumacher. Zwei Milliarden Zuschauer an den Fernsehgeräten werden Zeuge, als Senna in der Tamburello-Kurve geradeaus fährt. Der Aufprall sieht nicht dramatisch aus – ist er aber. Die Zuschauer erwarten, dass der Brasilianer sein Auto verlässt. Doch Senna rührt sich nicht. Watkins ist schnell am Unfallort. „Wir hoben ihn aus dem Wagen. Als wir ihn auf den Asphalt legten, seufzte er. In diesem Moment hatte ich das Gefühl, als hätte ihn seine Seele verlassen“, so Watkins.

Senna wird per Hubschrauber in ein Krankenhaus geflogen und am frühen Abend für tot erklärt. Die Ärzte hatten keine Chance, sein Leben zu retten. Ein Teil der Radaufhängung hatte sich durch ein Auge in sein Gehirn gebohrt. Brasiliens Staatspräsident Itamar Franco ordnet für Senna ein Staatsbegräbnis an und verhängt eine dreitägige Staatstrauer. Als die Trauergemeinde in Sao Paulo zum Friedhof zieht, säumen Millionen Menschen die Straßen. Bis heute ist Senna unvergessen und wird als Nationalheld verehrt. Nicht nur wegen seiner sportlichen Erfolge. Senna gewann 41 Grand Prix.

Stets brasilianische Flagge in der Hand

Auf seinen anschließenden Ehrenrunden hatte er stets eine brasilianische Flagge in der Hand. Auch sein Helm war in den Nationalfarben lackiert. Balsam auf den Seelen der Bürger eines krisengeschüttelten Landes. Er engagierte sich für die Armen in seiner Heimat. Noch zwei Monate vor seinem Tod gründete er eine Stiftung, die benachteiligte Kinder unterstützt. Obendrein war er tief gläubig. „Er hatte immer eine Bibel dabei und las sie auf seinem Hotelzimmer“, erinnert sich Gerhard Berger, ein Freund und zeitweise der Teamkollege des Brasilianers.

Die Unfallursache wurde nie geklärt. Ein Fahrfehler wird ausgeschlossen. Möglich ist ein Bruch der Lenkung oder ein Aufsetzen des Fahrzeugs. Durch die Safety-Car-Phase war möglicherweise die Luft in den Reifen zu sehr abgekühlt – dadurch eventuell der Luftdruck und die Bodenfreiheit vermindert.

1994 gab es weitere schwere Unfälle. Die Ereignisse dieses Jahres führten dazu, dass die Verantwortlichen mit Hochdruck an der Sicherheit arbeiteten. Die Cockpit-Verkleidungen wurden höher, die Auslaufzonen auf den Rennstrecken breiter. Den Fahrerkollegen waren die schrecklichen Ereignisses von Imola noch lange gegenwärtig. Michael Schumacher gewann 2001 in Monza seinen 41. Grand Prix. In der anschließenden Pressekonferenz wurde er darauf angesprochen, dass er nach Siegen mit Ayrton Senna gleichgezogen habe. Schumacher konnte kaum antworten und brach in Tränen aus.

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