Deutscher Tischtennis-Star Der beste Nicht-Chinese: Ovtcharovs besondere WM

Düsseldorf · Dimitrij Ovtcharov ist mittlerweile die Nummer eins im deutschen und europäischen Tischtennis. Diesen Aufstieg verdankt er auch demjenigen, der das vorher lange Zeit war.

 Dimitrij Ovtcharov ist mittlerweile die Nummer eins im deutschen und europäischen Tischtennis.

Dimitrij Ovtcharov ist mittlerweile die Nummer eins im deutschen und europäischen Tischtennis.

Foto: Rolf Vennenbernd

Gleichzeitig eine sportliche Rivalität und ein persönlich enges Verhältnis zu pflegen, das gelingt nicht vielen. Von den Tennisstars Boris Becker und Michael Stich ist bekannt, dass sie sich früher nicht ausstehen konnten. Die Diskuswerfer Christoph und Robert Harting sind zwar Geschwister, sprechen aber kaum miteinander.

Bei den Tischtennis-Weltmeisterschaften in Düsseldorf schauen in dieser Woche alle auf Dimitrij Ovtcharov und Timo Boll. Der eine ist der aktuell beste Spieler Europas, der andere war es über viele Jahre hinweg. Beide wissen, dass womöglich nur einer von ihnen bei dieser Heim-WM weit kommen kann. Und trotzdem spricht Ovtcharov nicht nur von Freundschaft oder Respekt, wenn man ihn nach seinem Verhältnis zu Boll befragt. Er sagt: "Timo ist wie ein großer Bruder für mich. Und das ist im Leistungssport nicht gang und gäbe. Ich gönne ihm jeden seiner Erfolge und umgekehrt. Durch ihn habe ich mein Niveau enorm gesteigert. Ich bin ihm für seine Hilfe sehr, sehr dankbar."

Als Boll vor rund zehn Jahren schon mehrfacher Europameister, Weltcup-Sieger und ehemaliger Weltranglisten-Erster war, übernachtete der junge Ovtcharov mehrfach bei ihm zu Hause. "Im Alter zwischen 17 und 21 Jahren habe ich ihn regelmäßig im Odenwald besucht. Ich habe jede Gelegenheit dazu gesucht. So einen guten Trainingspartner kriegt man nirgendwo sonst", erzählt die heutige Nummer fünf der Welt.

Mittlerweile ist Ovtcharov 28 und Boll 36 Jahre alt. Aus einem Vorbild-Mentor-Verhältnis ist mindestens ein Duell auf Augenhöhe geworden. Drei Wochen vor der WM besiegte der Jüngere den Älteren im Zuge des Champions-League-Finals zwischen Fakel Orenburg und Borussia Düsseldorf mit 3:2 Sätzen. "Das war ein Spiel auf Weltklasse-Niveau und gibt mir viel Selbstvertrauen", sagt Ovtcharov. Selbst Boll meinte danach: "Ich kann mir keinen riesigen Vorwurf machen."

Das Niveau, das der eine auch mit der Hilfe des anderen erreicht hat, ist beachtlich. Ovtcharov gewann bislang Olympia-Bronze 2012, den EM-Titel 2013 und 2015, sowie je drei olympische Medaillen zusammen mit Boll und dem deutschen Team. In der Weltrangliste ist er aktuell der bestplatzierte Spieler, der nicht aus China kommt. Das einzige, was ihm in seiner Karriere noch fehlt, ist ein Erfolg bei einer Einzel-Weltmeisterschaft wie jetzt in Düsseldorf.

Dieses Turnier ist für ihn ohnehin etwas Besonderes. Ovtcharov reist als Profi in der ganzen Welt herum, aber sein Lebensmittelpunkt ist immer Düsseldorf geblieben. "Ich wohne nur 15 Minuten von der WM-Halle entfernt und kann meine Familie jeden Tag sehen", sagt er. Trotzdem will er sich gerade vor dieser WM "keinen besonderen Druck machen, zwingend eine Medaille zu holen. Das wäre der falsche Weg."

Ovtcharov ist inzwischen lange genug dabei, um zu wissen: "Eine Medaille bei einer Weltmeisterschaft zu holen, ist um einiges schwieriger, als das bei Olympischen Spielen zu schaffen. Es nehmen einfach mehr Chinesen teil", erklärt er. Selbst Timo Boll hat bislang nur eine Einzel-Medaille bei einer WM gewonnen: 2011 in Rotterdam.

"Ich bin nicht der Favorit. Das sind die Chinesen", sagt Ovtcharov. "Aber ich weiß, dass ich eine gute Möglichkeit habe. Wenn ich mich von Spiel zu Spiel konzentriere und mein bestes Tischtennis spiele, dann kann ich weit kommen. Darüber würde ich mich sehr freuen."

Diese Haltung hat er sich nicht zurechtgelegt. Sie hat ihm auch nicht Timo Boll mit auf den Weg gegeben. Ovtcharov ist ein geradliniger und selbstbewusster Typ. Wenn er über seine Ziele spricht, dann gilt das gleiche, als wenn er über sein Verhältnis zu Timo Boll redet: "Alles, was ich nach außen preisgebe, ist authentisch", sagt er. "Selbst wenn diese WM nicht in Düsseldorf, sondern in Tokio wäre."

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